Der rote Blitz aus Faiths Pokéball formte ihr Taubsi, das sich mit einem lauten Krächzen in die Luft schwang und über seiner Seite des Felds in der Luft kreiste. Taubsi war bereit für diesen Kampf und wartete schon gespannt auf seinen ersten Gegner. „Auf geht’s!“, rief Max, als er einen Pokéball zückte, aus dem sich ein Paras befreite. Es stellte sich kampfbereit hin, wirkte aber ebenso gelangweilt wie sein Trainer und Faith bekam schon den Verdacht, dass Max sie gar nicht ernst nahm. „Paras, setz Stachelspore ein!“ Faith lächelte in sich hinein. Sie wusste, dass Paras ein Käfer- und Pflanzentyp war und somit gleich doppelt anfällig gegenüber Taubsis Windstoß. Wenn alles glatt lief, dürfte sie mit Paras keine Schwierigkeiten bekommen. „Taubsi, konter mit Windstoß und halte die Stachelspore von dir fern! Versuch sie auf Paras zu lenken!“ Paras ließ die Stachelspore in die Luft wabern, doch Taubsi gehorchte Faith sofort und rettete sich geschickt durch eine gezielte Windstoß-Attacke, die gleichzeitig Paras umriss und schädigte. Vermutlich war Paras das schwächste Teammitglied von Max, denn bereits nach diesem Angriff stand es nur noch wackelig auf den Beinen. In Max‘ Augen blitzte etwas auf, was mit aufkeimendem Interesse gleichgesetzt werden konnte, dann verzog er die Mundwinkel ein wenig zu einem Lächeln. „Paras, lass dich nicht abwimmeln, setz sofort mit Kratzer nach und hol es vom Himmel runter!“ Paras wartete nicht lange und sprang nach oben, als Taubsi ihm gerade nahe kam, und kratzte es ordentlich über die Brust, woraufhin das Vogelpokémon aufbrüllte, Paras mit den Krallen gen Boden drückte und sich wieder in die Luft erhob. „Gut gemacht, noch einmal Windstoß!“ Das ließ Taubsi sich gewiss nicht zweimal sagen und flugs wirbelte Paras durch die Luft und blieb besiegt auf dem Kampffeld liegen. Taubsi gurrte keck und war ebenso wie seine Trainerin mit dem Werk zufrieden. Doch beide wussten, dass es sicherlich nicht so einfach bleiben würde. „Paras, zurück.“ Max zog sein erstes Pokémon in den Pokéball, musterte Taubsi kurz und entließ nun ein Panekon. „Mach kurzen Prozess mit Giftstachel. Hol es aus der Luft.“ „Taubsi, konter die Angriffe mit Windstoß!“, rief Faith ihrem Pokémon zu und blickte mit leuchtenden Augen auf ihren ersten Arenakampf. Sie war sich sicher, dass sie gegen Max gewinnen würde, da sie fest an Taubsis Typenvorteil hing. Panekon schoss eine Ladung Giftstachel auf Taubsi, die surrend durch die Luft glitten und von dem Vogelpokémon durch einen Windstoß gekontert wurden, doch Panekon gab noch lange nicht auf und setzte nun auf Max‘ Befehl hin schnell mit Fadenschuss nach, der begann, die Flügel von Taubsi zu verkleben. Faith biss sich auf die Lippe, als sie das sah, und murmelte die Attacken von Taubsi vor sich hin. Sie war verwirrt und konnte sich zwischen den einzelnen Möglichkeiten nicht entscheiden, da sie eigentlich abwarten wollte, was Max noch für Tricks auf Lager hatte. Doch der Arenaleiter ließ sich diese Chance nicht entgehen und blickte zu seinem Pokémon. „Panekon, weiter Fadenschuss und sobald es unten ist, Giftstachel!“ „Taubsi, versuch… Versuch auszuweichen!“ Faiths Pokémon taumelte zur Seite, wurde kurz darauf jedoch erneut von einer heftigen Fadenschussattacke erwischt und sank allmählich zu Boden, da es die Flügel nur noch schwerfällig bewegen konnte. „Tau!“, gurrte es aufgebracht und presste sich an den Boden, um möglichst wenig Angriffsfläche zu geben. Doch da es am Boden im Nachteil war, konnte es nur die Augen schließen und krächzen, als es von den Giftstacheln getroffen wurde und vergiftet versuchte, den Fadenschuss von den Flügeln los zu werden. „Taubsi, nein!“, rief Faith panisch und warf Mira, die ängstlich am Rand stand und Evoli wie einen Schraubstock umklammert hielt, einen Blick zu. „Schnell, jetzt flieg doch wieder! Schlag mit den Flügeln, befrei dich irgendwie!“ Der Vogel versuchte dem nachzukommen, verhedderte sich jedoch nur immer stärker und konnte einer erneuten Giftstachelattacke nichts entgegensetzen. Nach einem finalen Tackle sank es besiegt zu Boden und wurde von Faith in den Pokéball zurückgezogen. Faith knirschte nachdenklich mit den Zähnen und entließ Kokuna, eine andere Möglichkeit hatte sie ja nicht. Sie war zu überstürzt in den Kampf gegangen und hatte Taubsi keine große Hilfe sein können, das war ihr nun klar, aber der Kampf stand auf der Kippe. Sie musste Panekon jetzt ein für alle Mal besiegen. „Kokuna, Härtner!“ „Panekon, ebenfalls Härtner“, sprach Max gelassen und wirkte nun schon wieder fast gelangweilt. Seine Aufmerksamkeit galt Faith und wie sie sichtlich immer unruhiger wurde. „Gut, greif es mit Giftstachel an.“ Panekon spuckte eine Ladung Giftstachel auf Kokuna, die dem Pokémon jedoch nicht so viel ausmachten. „Kokuna, ebenfalls Giftstachel!“ „Parieren!“ Panekon wehrte den Angriff mit einem gezielten Giftstachel seinerseits ab und wirkte fast schon so gelangweilt wie sein Trainer, der sich gerade in dem Moment durch die grünen Haare fuhr und Faith musterte. „Faith, du solltest aufgeben. Der Kampf ist für dich verloren. Ich werde Kokuna jetzt besiegen, wenn du dich nicht geschlagen gibst.“ „Niemals“, meinte die junge Trainerin, sprach jedoch mit Zweifel in der Stimme. „Kokuna, du schaffst das.“ Ihr kämpferischer Starter nickte ein wenig und setzte noch einmal Härtner ein, um seine Verteidigung zu stärken. „Na schön, du hast es so gewollt. Panekon, besiege es bitte mit Tackle.“ Max gähnte und zog bereits den Pokéball, um Panekon gleich zurückrufen zu können. „Kokuna!“ Faith starrte zu ihrem Starter, unfähig, es weder zurückzurufen und sich die Niederlage frühzeitig einzugestehen noch ihm eine Attacke zuzurufen. Daher schloss sie die Augen, als Kokuna durch eine zweifache Tackle-Kombination niedergestreckt wurde und das feine Gehör nahm wahr, wie Max den Pokéball betätigte. „Du hast verloren“, sprach der junge Leiter nun neben ihr und winkte Mira heran. „Bring deine Freundin ins Pokémoncenter, sie sollte Taubsi und Kokuna unverzüglich heilen lassen. Faith, tu mir und dir einen Gefallen und fordere erst eine Revanche, wenn du wirklich bereit dazu bist.“ „Ich bin bereit zum Kämpfen“, erwiderte sie nun trotzig und holte Kokuna in den wohl verdienten Pokéball. „Ich kann kämpfen…“ Schmerzlich führte sie sich sowohl die Niederlage gegen Joel als auch diese Farce gerade eben vor Augen und wandte sich zum Gehen um. „Max, ich werde wiederkommen. Verlass dich drauf.“ „Hmm“, machte der Grünhaarige lediglich, zuckte dann mit den Schultern und verließ den Kampfplatz durch einen Nebeneingang nach draußen. „Er hat die Wahrheit gesagt. Komm, Faith, lass uns zurück gehen und wenn du bereit bist, kommen wir wieder.“ Mira lächelte sie zuversichtlich an und drückte ihre Freundin kurz an sich. „Bitte.“ Faith erwiderte nichts, sah Max jedoch noch eine Weile nach und begriff endlich, was es bedeutete, ein Trainer zu sein. Es ging um mehr als das bloße Auswendiglernen von Attacken und Typenvorteilen. Es ging um so viel mehr, das hatten sie alle verstanden. Joel, Max, Itsuki und sogar Mira. Nur Faith begann es erst jetzt zu dämmern, dass sie mehr war, als die Trainerin, die den Pokémon Befehle zuwarf. Sie war ihre Freundin, ihre Partnerin. Und nur als Partner konnten sie erfolgreich kämpfen. Sie lächelte, nickte Mira zu und ließ die Arena hinter sich, von der sie wusste, dass sie sie bald wieder aufsuchen würde. Das war sie ihrem Team schuldig.[align=left][/align]
Als Faith und Max sich das zweite Mal gegenüberstanden, waren ganze drei Tage vergangen, in denen Faith viel Theorie gebüffelt hatte und sich diverse Strategien für Kokuna und Taubsi zurechtgelegt hatte. Einer der wichtigsten Punkte war für sie jedoch, dass sie Taubsis Vorteil nicht sofort verspielen wollte und daher Panekon so schnell es ging ausgeschaltet werden musste. Die Vorstufe von Pudox konnte sich zwar nur sehr schlecht bewegt, allenfalls ein wenig hüpfen, aber es hatte Taubsi im Alleingang fertig gemacht und war mit dem klebrigen Fadenschuss ein ernster Gegner. Doch nun war Faith vorbereitet. Dachte sie. Mira wartete am Rand des Kampffelds, Evoli auf ihrem Arm mit vor Anspannung zuckenden Ohren. Sie hatte gesehen, wie sehr sich Faith verändert und weiterentwickelt hatte und glaubte, dass ihre türkishaarige Freundin es sogar schaffen könnte, Max zu besiegen. „Die Regeln kennst du ja noch. Jeder darf bis zu drei Pokémon einsetzen, Auswechseln ist erlaubt und wer zuerst zwei Pokémon des anderen besiegt hat, gewinnt. Ich hoffe, du bist dieses Mal besser vorbereitet.“ Der letzte Kampf hatte Max nur wertvolle Zeit gekostet und den jungen Arenaleiter gelangweilt. Dennoch schwebte sein Blick noch einen Moment auf ihr. „Ich sage es dir nur schon einmal, aber bei deinen weiteren Arenakämpfen musst du drei gegen drei kämpfen. Du hast nur zwei Pokémon, das könnte schwierig werden.“ „Ja, ich weiß bescheid. Ich bin bereit.“ Sie hielt Taubsis Ball parat. Über die weiteren Kämpfe konnte sie sich Gedanken machen, wenn es soweit war. Es gab zwei Arenen, die von der Drei-gegen-Drei-Regel ausgenommen waren. Zum einen war das die erste Arena hier in Eichwald, da die meisten Anfänger bis hier noch keine drei Pokémon besaßen, die andere Arena war die fünfte in Schloss Dunkelstein, dort fand ein Doppelkampf statt. Faith war stolz auf ihr Wissen, musste sich nun aber auf Max konzentrieren. „Schön, dann lass uns anfangen.“ Max nickte ihr zu und gleichzeitig entließen sie Panekon und Taubsi auf das Kampffeld. Das Vogelpokémon schlug kräftig mit den Flügeln und beobachtete Panekon missgünstig aus der Luft. Es hatte den Fadenschuss noch lange nicht vergessen und war auf der Hut vor weiteren klebrigen Fäden, die Max‘ Pokémon abschießen könnte. „Panekon, Giftstachel!“ „Taubsi, abwehren mit Windstoß und dann kontern mit Sandwirbel!“ Die Giftstachel prallten an dem harten Windstoß ab, der zu einem Sandwirbel wurde und Panekons Genauigkeit reduzierte. Daher ging auch der nächste Angriff mit Fadenschuss daneben und Taubsi hatte einen Vorteil ohne viel gekämpft zu haben. „Gut gemacht, Taubsi! Jetzt Windstoß!“ „Panekon, verteidige dich mit Härtner!“ Trotz der verstärkten Verteidigung konnte Panekon seinen Typennachteil nicht einfach ignorieren und nahm erheblichen Schaden durch den Windstoß. Da brachte auch der darauf folgende Tackle seitens Panekon nicht viel, denn es war bereits geschwächt, während Taubsi noch recht fit wirkte. „Nochmal Windstoß!“ Faiths Augen schienen zu glühen vor dem Feuereifer, der ihr Herz ergriffen hatte. Es war nicht verwunderlich, dass Panekon besiegt zu Boden ging und Faith einen Luftsprung machte. „Gut gemacht!“ „Tau!“, gurrte ihr Pokémon zufrieden und wartete auf seinen nächsten Gegner. Doch während Faith schon fest mit Paras gerechnet hatte, entließ Max nun ein stattliches Sichlor auf das Kampffeld. Er meinte es ernst und nahm Faith endlich als eine echte Herausforderin an. „Sichlor, ich vertraue dir. Starte mit Ruckzuckhieb und lass Taubsi nicht mehr entkommen! Anschließend Verfolgung!“ Oh-oh. Das konnte ungemütlich werden. Faith musste schnell reagieren, um ihr Taubsi vor einem frühzeitigen K.O. zu beschützen. „Taubsi, ich möchte, dass du so stark mit deinen Flügeln schlägst, dass der Windstoß Sichlor nicht an dich rankommen lässt!“ Sichlor war selbst ebenfalls ein Flugtyp, besonders Kokuna konnte eventuell noch Schwierigkeiten bekommen. Doch vorerst schien ihr Plan aufzugehen, denn Sichlor konnte den Wind um Taubsi nicht durchbrechen und nahm selbst bei jedem Versuch Schaden, daher änderte Max seine Taktik und ließ Sichlor gleich einem Kamikazekämpfer durch den Windstoß brechen. Taubsi und Sichlor fielen beide zu Boden, nur mit dem Unterschied, dass Sichlor sich trotz einiger Schrammen wieder aufrichtete und Taubsi so gut wie besiegt am Boden lag. Ein weiterer Ruckzuckhieb gab dem Vogelpokémon den Rest und Faith zog es zurück. Nachdenklich kaute sie an ihrer Unterlippe und schickte Kokuna auf das Feld. In Gedanken ging sie die Gegensätze der beiden durch. Sichlor war flink, schnell und wendig, Kokuna konnte sich nur bedingt bewegen und Sichlors Attacken daher mit Sicherheit nicht ausweichen. Sichlor schien noch keine Flugattacke zu beherrschen, war aber ein starker Gegner, denn es stand trotz Taubsis Windstößen noch immer fest auf dem Kampffeld. Das war ein Problem, doch so protzig es auch wirkte, Sichlor war bereits geschwächt und Faith wusste das. Wenn sie es jetzt schneller treffen konnte als Kokuna KO ging, hatte sie eine Chance zu gewinnen. „Sichlor, Ruckzuckhieb!“, rief Max den Befehl an sein Sichlor heraus. Schnell konterte Faith. „Kokuna, Härtner und dann Giftstachel!“ Kokuna erhöhte seine Verteidigung und konnte dem Angriff so recht gut standhalten. Da Sichlor noch sehr nahe war, schoss Kokuna mit Giftstacheln auf seinen Gegner, die Sichlor zur Hälfte mit seinen Sichelklingen abwehren konnte. Schnell brachte das Pokémon von Max wieder eine sichere Distanz zwischen sich und Kokuna. „Versuch es noch einmal mit Giftstachel zu treffen!“ Wenn es nicht gelang, Sichlor so zu schaden, würde Kokuna früher oder später dem anderen Käferpokémon erliegen. Kokuna schoss eine weitere Ladung der giftigen Stacheln auf Sichlor, doch erneut konnte die flinke Heuschrecke einen Großteil parieren. So lange Kokuna unbeweglich war, war es im Nachteil, das wussten beide – Kokuna und Faith. Und Max selbstverständlich auch. Faith schloss für einen Moment ihre Augen und atmete tief durch. Ihr Herz pochte durch das ganze Adrenalin wie wild und sie nahm außer dem Kampffeld nichts mehr wahr. „Kokuna…“ „Sichlor, Ruckzuckhieb!“ Kokuna hatte keine Chance, um zu reagieren, so schnell war Sichlor. Es schleuderte Kokuna in die Luft und setzte einen zweiten Ruckzuckhieb hinterher, mit dem es Kokuna wieder auf den Boden drückte. Der Kampf schien für Faith schon verloren, da passierte etwas Unglaubliches. Kokuna begann zu glühen, wie es das schon im Eichwald getan hatte. Es entwickelte sich weiter! Der Kampfgeist von Trainer und Starter trieben Kokuna zu einer Entwicklung, da sein Stolz keine Niederlage mehr gegen Max zuließ. Der Kokon platzte auf, es bildeten sich lange, grazile Insektenbeine und Flügel. Zwei spitze Nadeln zierten die Enden von Bibors Armen. „Bibor bor!“ Kampflustig schlug es mit den Flügeln und erhob sich in die Luft. Max, Mira und vor allem Faith staunten nicht schlecht, doch Faith war überraschenderweise die Erste, die ihre Sprache wiederfand. „Los, Furienschlag!“ Natürlich kannte sie die Attacken, die ihr Starter noch lernen würde. „Bi!“ Mit tiefer Kampflust in der Stimme stürzte es sich auf Sichlor und konnte fast problemlos mit ihm mithalten. Der Furienschlag kam kräftig und gezielt, das geschwächte Sichlor ging zu Boden und blieb besiegt liegen. Faith hatte gewonnen. „Gratulation“, sprach Max nüchtern, zog Sichlor zurück und reichte Faith einen grasgrünen Orden in der Form von einer gebogenen Sichelklinge über dem grünen, kreisförmigen Grund. „Bibor ist wirklich stark, ihr seid ein gutes Team geworden.“ Sprachlos nickte Faith ihm lediglich zu, spürte die stürmische, freudige Umarmung von Mira in ihrem Rücken und betrachtete ihren Starter. Bibor… Sie war wirklich stolz auf ihren Partner. „Das hast du gut gemacht.“ „Bibor.“ Faiths Starter nickte ihr zu und gemeinsam traten sie aus der Arena heraus, bereit für die Weiterreise zur nächsten Stadt und zu Miras erstem Wettbewerb. Auf nach Lapidia!
Am nächsten Morgen machte sich das kleine Trüppchen, bestehend aus Faith, Mira und Miras Evoli, auf den Weg. Sie ließen das Pokémoncenter von Eichwald City schnell hinter sich und durchquerten die Stadt, um auf der anderen Seite hinter den schmucken Vorstadthäuschen auf die Route zu gelangen, die sie nach Lapidia, der Höhlenstadt, führte. Dort würde Faith gut trainieren können und Mira hatte ihren ersten Wettbewerb.
„Ich bin aufgeregt“, jammerte das schüchterne der beiden Mädchen und seufzte resignierend. „Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ich schon bereit bin. Hunduster gehorcht mir nicht und Evoli beherrscht keine Attacken, mit denen ich bei einem Wettbewerb punkten könnte.“
„Mira, das Thema hatten wir doch schon. Du kriegst das hin. Und wenn nicht, dann mach dir nichts draus. Erfahrung gewinnst du auf jeden Fall und bei den sieben großen Wettbewerben hier in Finera und den vielen kleinen wirst du deine fünf Qualifikationsbänder für das große Festival schon zusammenbekommen.“
„Mhm. Hier im Reiseführer steht, dass Lapidia auch Höhlenstadt genannt wird. Unzählige unterirdische Höhlensysteme bilden einen einzigartigen Untergrund und Platz für Ausgrabungsstätten aller Art. Das Kraftwerk nahe der Stadt bietet einen hervorragenden Lebensraum für viele Elektropokémon. Da wundert es mich, dass Lapidia keine Elektroarena hat.“
„Lapidia hat gar keine Arena“, erwiderte Faith mit einem mürrischen Unterton, da sie noch immer voller Freude über ihren ersten Arenasieg war. Der Sichelorden lag gut verstaut in ihrer Ordenbox und brachte ihr mehr Selbstvertrauen, als sie ohnehin schon hatte. „Die leichte Bergregion und das Kraftwerk würden sich dafür zwar anbieten, aber na ja. Dafür kann ich in Bad Puvicia dann um den Lavaorden kämpfen.“
„Da wirst du Schwierigkeiten bekommen“, prophezeite ihr Mira und erntete dafür einen Schlag gegen den Oberarm, woraufhin beide Mädchen in Lachen ausbrachen.
Als Faith sich wieder eingekriegt hatte, wischte sie sich eine Lachträne aus dem Gesicht und nickte. „Stimmt, aber ich schaffe das schon. Bibor ist stark und flink, es muss nur möglichst viele gegnerische Pokémon vergiften, dann kann Taubsi mit seinem Windstoß richtig reinhauen. Und ein drittes Pokémon für den Kampf muss ich mir noch fangen. Vielleicht ergibt sich in Lapidia ja die Chance auf ein Elektropokémon.“
„Ich finde Pichu süß“, quietschte Mira vergnügt und stellte sich die kleine Elektromaus auf ihrer Schulter vor. Aber bei ihrem Glück würde sie wohl eher ein fettes Magneton finden, das ihr ebenso wenig gehorchte wie Hunduster. „Vielleicht wäre Hunduster bei dir besser aufgehoben“, sprach sie ihren spontanen Gedanken laut aus. „Es gehorcht mir nicht und ist bei mir nicht ausgelastet. Du solltest es trainieren.“
Man konnte Faith ansehen, dass sie angestrengt darüber nachdachte, doch schließlich schüttelte sie nur mit dem Kopf. „Es ist dein Hunduster. Tu mir den Gefallen und rauf dich zusammen wegen ihm. Es braucht nur Zeit, um dich zu akzeptieren.“
„Ich bin keine Trainerin, Faith…“
„Evo!“, widersprach ihr Evoli, sprang vor sie und rieb seinen Kopf an ihren Beinen.
„Doch, bist du. Eine sehr gute sogar, denn du hast verstanden, dass Pokémon und Trainer ein gleichberechtigtes Team sein müssen. Das musste ich erst lernen.“ Faith lächelte Mira an, dann gingen sie weiter und ließen nun auch Eichwald City hinter sich.
Der Weg führte sie an Wiesen vorbei und stieg langsam an. Es wurde immer hügeliger, ab und an kamen Felsformationen dazu und nach drei Stunden konnten Faith und Mira sich sicher sein, dass sie auf dem richtigen Weg nach Lapidia waren, denn sie waren von Bergen umgeben und sahen immer mehr Gesteins- und Bodenpokémon. Schließlich legten sie nach knapp vier Stunden bereits ziemlich erschöpft ihre erste Rast ein und machten es sich auf einem kleinen Campingplatz am Wegesrand bequem.
Eine große Steinwand schützt sie vor Wind und Wetter, eine Feuerstelle lud zum Lagerfeuer ein. Faith schaute sich um und wartete ab, bis Mira die Karte in ihrem Reiseführer studiert hatte. „Und?“
„Soweit ich das sehe, ist das die einzige eingezeichnete Raststelle. Hiernach wird der Weg nur noch beschwerlicher und steiniger. Wenn du mich fragst, sollten wir unser Lager hier aufschlagen und morgen früh aufbrechen. Falls es heute Nacht regnet, können die ganzen Steilhänge gefährlich werden durch den Matsch.“
Obwohl Faith viel lieber weiter gereist wäre, sagte sie zu und die zwei stellten ihre Zelte auf. „Wahrscheinlich hast du recht. Dann könnten wir uns jetzt aber die Umgebung anschauen und vielleicht ein wenig trainieren?“
„Faith…“
„Komm schon, das wird Evoli gut tun.“
„Ich will aber nicht gegen wilde Gesteins- und Bodenpokémon kämpfen, da hat Evoli doch keine Chance.“
„Dann kämpfst du eben gegen Bibor oder Taubsi.“ Faith blieb hartnäckig, schlug den letzten Hering in die Erde und streckte sich, während sie ihre zwei Pokémon aus ihren Bällen entließ. „Los, Mira, auf geht’s!“
Widerwillig folgte Mira ihr zurück auf den Weg, damit sie ihr Lager auch immer noch im Auge haben konnten, und schickte Evoli ins Rennen. Nach einigen Runden entschloss sie sich sogar dazu, Hunduster frei zu lassen. Die Glut, mit der Hunduster sie begrüßte, verschreckte Mira gehörig, aber dann jagte Taubsi schon über Hundusters Kopf und die beiden Pokémon begannen ein wahrlich hitziges Gefecht.
„Siehst du, Hunduster rennt dir nicht mehr davon.“
„Aber es attackiert mich mit Glut!“, rief Mira empört mit Tränen in den Augen und knotete das angesengte Band ihrer Jacke ab. Enttäuscht ließ sie es in ihrer Jackentasche verschwinden und seufzte. „Das hat doch keinen Sinn. Hunduster akzeptiert mich nicht und ich bin eine grauenvolle Trainerin!“
Bibor und Evoli unterbrachen ihren Kampf und selbst Hunduster und Taubsi schauten kurz auf, als Mira zu weinen begann und auf ihr Zelt zustürmte.
„Mira!“
„Nein, Faith, lass mich bitte alleine!“
„Evoli? Voli!“ Evoli nickte Bibor dankbar zu für den Kampf, dann sprintete es seiner Trainer hinterher, um sie zu trösten.
Faith sah nur noch, wie Mira den Reißverschluss ihres Zeltes zuzog und kein Mucks mehr von ihr zu hören war. „Oh je…“ Die Jungtrainerin fragte sich, ob sie wohl zu weit gegangen war, drängte diesen Gedanken dann jedoch schnell wieder zurück. Nein, sie hatte nur die Wahrheit gesagt und war fest davon überzeugt, dass Mira selbst lernen musste, mit Hunduster klar zu kommen. Faith selbst hatte auch ihre Probleme mit Hornliu gehabt und nun waren Bibor und sie ein richtiges Team. „Schluss für heute, ihr könnt euch ausruhen.“
Erstaunlicherweise gehorchte sogar Hunduster. Vielleicht, weil es schon ausgepowert war, vielleicht, weil Faith eine größere Trainerausstrahlung hatte als Mira. Jedenfalls entzündete Hunduster das Lagerfeuer und legte sich daneben, lauschte dem Prasseln der Flammen. Taubsi machte es sich ebenfalls am Feuer gemütlich, während Bibor einigen Abstand wahrte und sich stattdessen vor Faiths Zelt niederließ.
„Ich hole noch ein wenig Feuerholz, bin gleich wieder da.“ Seufzend ließ die Türkishaarige das Lager hinter sich und betrat ein winziges Waldstück unweit des Weges. Ohne ihre Pokémon an ihrer Seite war ihr zwar schon ein wenig mulmig zu Mute, aber sie bezweifelte, dass sie hier von wilden Pokémon angegriffen wurde.
Gerade hatte sie einige dickere Äste aufgehoben, da sah sie durch die Bäume hindurch auf dem Wanderweg einen blonden Haarschopf aufblitzen. Eilig rannte sie zum Waldrand und sie presste die Holzscheite an ihren Körper, als das Herzklopfen einsetzte. „Itsuki…“
Das konnte doch nicht sein? Hatte Schwester Joy nicht gesagt, Itsuki wäre schon längst weiter gereist? Dann musste er lange im Eichwald trainiert haben… Faith presste die Holzscheite gegen ihren Körper. „Itsuki…“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein vorsichtiges Flüstern, während sich ihre Beine schließlich in Bewegung setzten und sie zum Waldrand rannte, wobei sie immer schneller wurde. „Itsuki?“
Der Junge horchte kurz auf, blieb stehen und drehte sich zu der Quelle seines Namens um. „Faith?“, fragte er etwas irritiert und breitete die Arme aus, als das Mädchen das Holz fallen ließ und zu ihm rannte, sich in seine Arme stürzte.
„Itsuki! Du bist es wirklich!“
„Faith, was ist los?“ Er schob sie ein Stück von sich weg und musterte sie mit seinen eisblauen Augen, in denen eine Spur von Besorgnis lag, wie es schon der Fall gewesen war, als er Faith mit Fieber an der Treppe aufgefangen hatte. „Du bist so… anders“, stellte der Junge recht schnell sachlich fest und hob eine Augenbraue, während er sie prüfend musterte.
„Es geht um Mira“, stammelte Faith und ihr fehlten das erste Mal wirklich die Worte, um das ausdrücken zu können, was sie sagen wollte. Ob es einfach daran lag, dass Itsuki ihr nun zuhörte und sie sich bei ihm ausheulen konnte, oder daran, dass es tatsächlich der kühle Itsuki war, der hier vor ihr stand, wusste sie nicht.
„Was ist mit ihr?“
Faith seufzte, kehrte Itsuki kurz den Rücken und sammelte ihre Holzscheite wieder auf, die sie in dem Ansturm von Emotionen fallen gelassen hatte. Noch während sie das tat, antwortete sie ihm. „Sie ist völlig fertig und ich habe Angst, dass es meine Schuld ist.“ Mit voll beladenen Armen kehrte sie zu ihm zurück und hatte sich schnell wieder gefangen. „Sie sitzt in ihrem Zelt und weint, Evoli ist bei ihr.“
„Willst du mir nicht erzählen, was genau passiert ist? Komm, ich helfe dir tragen.“ Er schnappte sich gut die Hälfte der Äste, ehe Faith protestieren konnte, dann machten sie sich gemeinsam auf dem Weg zu Faiths und Miras Lager.
„Ich wollte mit ihr trainieren, aber du weißt ja, wie sie da ist. Sie wollte nicht und traut sich nichts zu. Evoli hat sich gut geschlagen, aber als sie auf mein Drängen Hunduster rausgelassen hat, hat es ihr eine Salve Glut verpasst und nicht auf sie gehört. Als ich die Kämpfe allerdings beenden wollte, kam Hunduster sofort und hat sich neben das Lagerfeuer gelegt.“
„Dann hat Hunduster ein Autoritätsproblem mit Mira. Es kann sie nicht als Trainerin akzeptieren, weil Mira sich selbst nicht als Trainerin sieht und sich dementsprechend nicht durchsetzen kann. Man muss auch mal zeigen, wo es lang geht, wenn man ein guter Trainer sein möchte. Natürlich ist es gut, seine Pokémon als Partner zu sehen, aber dennoch muss Hunduster wissen, wer die Grenzen angibt. Das ist in seinem Fall Mira.“
„Also kommt sie nicht drum rum, sich mit Hunduster auseinander zu setzen?“
Itsuki schüttelte den blonden Haarschopf, da erreichten sie auch schon das Lager und beide legten das Holz neben die Feuerstelle. „Hunduster und Mira haben noch einen weiten Weg vor sich, aber wenn Mira jetzt sich selbst aufgibt, kann sie niemals mit Hunduster klar kommen.“ Er seufzte. „Kennst du die Geschichte des Trainers Ash Ketchum und seinem Glurak?“
„Natürlich“, erwiderte Faith nickend und setzte sich auf den Boden. Jeder kannte Ash Ketchum, den berühmten Pokémonchampion aus Alabastia. Erst kürzlich war seine Ehrenteilnahme an der Silberkonferenz landesweit im Fernsehen ausgestrahlt worden, darauf folgten Interviews und Berichte. „Er hat Glurak als Glumanda erhalten, aber irgendwann hat es sich erst zu Glutexo und dann zu Glurak entwickelt. Es hat Ash nicht mehr gehorcht, weil es sich für zu stark für Ash gehalten hat. Irgendwann konnte er aber Gluraks Vertrauen gewinnen und seit diesem Zeitpunkt sind die zwei ein starkes Team.“
„Genau.“ Itsukis Blick streifte die Zelte der beiden Mädchen, dann den Stand der Sonne und kurz darauf ließ er sich neben Faith am Feuer nieder. „Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen, wenn ich mit euch raste? Der Weg bis nach Lapidia ist zu weit. Wir haben schon Mittag und eine Übernachtung an den Steilhängen ist mir zu gefährlich.“
„Klar, wieso nicht“, meinte Faith lächelnd und spürte, dass sie sich wirklich darüber freute, dass Itsuki wieder bei ihnen war. „Ich wollte heute Abend einen Bohneneintopf kochen.“
„In Ordnung. Ich habe frisches Baguette, das kann ich sponsern.“
Lächelnd tätschelte Faith den Kopf von Taubsi, das sich gurrend an ihre Seite gestellt hatte. Der sonst so distanzierte Itsuki schien auf einmal nicht mehr so kühl zu sein. Er blieb freiwillig bei ihnen und erzählte mehr als einen gezwungenen Satz.
Währenddessen entließ Itsuki Schneppke, Igelavar und Evoli aus ihren Pokébällen und baute sein Zelt gegenüber denen von Faith und Mira auf der anderen Seite des Lagerfeuers auf. „Vielleicht kann ich Mira helfen, indem ich mit ihr rede? Beim letzten Mal schien sie auch auf mich gehört zu haben.“
„Klar, gerne. Versuchen kannst du es.“
Er nickte daraufhin und klopfte an Miras Zelteingang.
„Faith, lass mich in Ruhe“, erklang Miras Schluchzen und im Zelt bewegte sich etwas. „Ich will alleine sein.“
„Ich wüsste nicht, dass mir schon türkisene Haare gewachsen sind“, entgegnete Itsuki kühl und wartete, bis Mira hektisch den Reißverschluss runtergezogen hatte. „Hallo, Mira.“
„Itsuki?“ Ihr verwirrter Blick glitt zu Faith, die nur grinste, während Miras Wangen einen zartrosa Ton annahmen. „Was machst du denn hier? Ich- Oh, es tut mir so leid. Ich bin gerade nicht in bester Verfassung.“ Miras trauriger Blick fiel auf Hunduster, das am Feuer zu dösen schien.
„Ich weiß, Faith hat mir alles erzählt. Wir haben uns zufällig am Weg getroffen, als sie Holz geholt hat. Ich werde die Nacht mit euch rasten, falls du nichts dagegen hast.“
„Nein, n-natürlich nicht.“ Beschämt senkte Mira ihren Kopf, fuhr sich durch die Haare und kletterte aus ihrem Zelt. „Ihr habt euch beide Sorgen gemacht?“
„Mira, setz dich einfach zu uns und wir vergessen das. Du brauchst Zeit und ich möchte dich nicht länger drängen. Aber wenn du dich traust, mit Hunduster zu arbeiten, kriegst du bestimmt einen so tollen Partner wie Ash Ketchum sein Glurak hat.“
„Hm…“ Mira krabbelte ans Lagerfeuer und setzte sich neben Faith auf den Boden. „Meinst du?“
„Klar“, sprachen Faith und Itsuki aus einem Mund und alle drei Trainer blickten daraufhin zu Hunduster, das den Kopf gehoben hatte.
„Hunduster, denkst du, wir zwei werden ein Team?“ Abwartend betrachtete Mira ihr Pokémon, das nur kurz seine Lefzen hochzog und sich ansonsten nicht weiter rührte. Keine Zustimmung, aber keine grundsätzliche Ablehnung. Außerdem war es auch nicht wieder abgehauen, das wertete Mira als Fortschritt und seufzte. „Gut, ihr habt mich überredet. Ich versuche es – aber noch nicht jetzt.“ Schweigend nahm sie ihr Evoli auf ihren Schoß und strich durch das braune Fell ihres Starters.
Den Rest des Tages verbrachten sie damit, den Bohneneintopf zu kochen und ein einfaches, aber leckeres Abendessen zu zaubern. Itsuki erwies sich dabei als kein schlechter Koch, aber Mira schien einfach mit dem Kochlöffel zaubern zu können und daher überließen Faith und Itsuki ihr den Kochtopf mit dem Bohneneintopf. Obwohl Itsuki sich erst dagegen sträubte, stimmte er später am Abend sogar zu, am nächsten Tag mit den beiden Mädchen gemeinsam weiterzureisen, was sowohl Faith als auch Mira insgeheim sehr freute. Die Nacht kam und alle legten sich zur Ruhe, das Lagerfeuer knisterte vor sich hin und jeder hing beim Einschlafen seinen Gedanken hinterher.
Faith stellte sich vor, wie gut sie sich noch mit Itsuki anfreunden könnten, wenn der kühle Blonde etwas mehr auftaute, wovon sie aber fest ausging. Außerdem war sie froh, dass es Mira wieder besser ging und sie versprochen hatte, in Zukunft mit Faith und Itsuki zu trainieren, um sich für ihren ersten Wettbewerb zu rüsten.
Mira hatte neuen Mut geschöpft und wollte sogar in der bergigen Region hier um Lapidia nach einem Pokémon Ausschau halten, das sie fangen könnte, denn bis jetzt hatte sie noch kein einziges Pokémon selbst gefangen. Ein Teil von ihr zweifelte natürlich sofort an ihrem Können, doch der größere Teil war der Meinung, dass Itsuki und Faith ihr Kraft gaben. Und wenn es in der Wildnis nicht mit dem Pokémon klappte, wollte sie auf jeden Fall in Lapidia am Kraftwerk ihr Glück bei den Elektropokémon versuchen.
Itsuki hingegen dachte nicht viel nach, drehte sich lediglich auf die Seite und betrachtete die drei Pokébälle von Schneppke, Igelavar und Evoli, die am Kopfende seines Schlafsacks lagen. Er hatte nie ein Problem damit gehabt, alleine zu reisen, doch irgendwie freute er sich auch, dass Faith und Mira ihn bei sich haben wollten. Zugegeben hätte er das jedoch nie, nur Schneppke wusste wie immer als einziges seiner Pokémon, was Itsuki dachte und fühlte.
Und so ging ein weiterer Tag im Leben von Faith zu Ende. Alle schliefen seelenruhig ein und ahnten nicht, dass der kommende Tag gefährlicher werden würde, als sie jemals gedacht hätten…
Am nächsten Morgen gönnten die drei Jungtrainer sich kein ausgelassenes Frühstück, sondern waren schon beim Sonnenaufgang aufgestanden, um ihre Zelte zusammen zu packen und den Rest des Bohneneintopfs vom Vortag aufzuwärmen. Die Pokémon ruhten alle in ihren Bällen, sogar Evoli hatte Mira zurückgezogen, weil sie die Steilhänge Evoli nicht zumuten wollte.
Schließlich hatten sie alles gepackt, sie waren startklar und konnten um kurz nach sieben Uhr am Morgen aufbrechen.
„Es ist wunderschönes Wetter, wir kommen bestimmt ohne Zwischenfälle nach Lapidia.“ Faith gähnte herzhaft und hielt sich die Hand vor den Mund, während sie vor dem schweigsamen Itsuki und der schüchternen Mira vorauslief. „Itsuki, willst du mir einen Tipp geben für die Arena in Bad Puvicia?“
„Bis dahin ist es doch noch Zeit“, brummte er zurück und fuhr sich durch die Haare. „Lerne selbst, deine Gegner richtig einzuschätzen. Und wenn du den Typ der Arena kennst, sollte das nicht schwer sein.“
„Tja, auch gut.“ Sie glaubte nicht, dass sie auf seine Hilfe angewiesen war, daher machte sie sich keine weiteren Gedanken.
Wie der Reiseführer es vorausgesagt hatte, gelangten sie nach einer knappen Stunde Fußmarsch an steilere Passagen und engere Pfade, sodass sie bald nur noch hintereinander laufen konnten. Faith vorne weg, gefolgt von Mira und Itsuki. Vorsicht war geboten, denn ein einziger, falscher Tritt konnte dafür sorgen, dass die Füße auf den winzigen Steinen wegrutschten und man geradewegs die Strecke herunterrutschte, die man gerade eben erklommen hatte.
„Boah, das ist so anstrengend“, jammerte Faith immer wieder und sehnte sich einen Hut herbei, der sie vor der Sommersonne schützen würde. Sehnlichst beneidete sie Mira um ihre Baskenmütze. „Wie lange ist es denn noch?“
„Wir sind gerade erst zwei Stunden unterwegs.“
„Aber Itsuki, das ist so heiß und steil hier!“
„Faith…“ Itsuki schüttelte den Kopf, wohlwissend, dass die Angesprochene das nicht sehen konnte. Plötzlich jedoch blieb Faith an einer kleinen Kuppe stehen, sodass Mira fast in sie hineingelaufen wäre.
„Was ist denn los?“
„Seht mal dort.“ Faiths Stimme hatte sich verändert, sie klang auf einmal ernst und die Plackerei des mühseligen Aufstiegs schien verblasst. „Ich habe kein gutes Gefühl.“
Endlich erreichte auf Itsuki seine beiden Begleiterinnen und lehnte sich gegen einen Felsen, während er in das Tal unterhalb der Steilhänge schaute. In Schwarz gekleidete Männer stapelten Kisten auf einen Transporter, begleitet wurden sie von zwei ziemlich wild aussehenden Magnayen, bei denen Itsuki sich sofort sicher war, dass sie es nicht ohne Weiteres mit ihnen aufnehmen könnten. „Stimmt, da ist etwas nicht in Ordnung.“
„Glaubt ihr…“, stammelte Mira ängstlich und rückte näher an Faith heran. „Glaubt ihr, dass das Team Dark sein könnte?“
„Team Dark?“ Ungläubig riss Faith die Augen auf und begutachtete die fünf Gestalten aus der Ferne nun genauer. „Meinst du wirklich?“ Das war gar nicht gut. Sie durften auf keinen Fall entdeckt werden.
„Womöglich hat Mira recht“, schaltete Itsuki sich ein und sein Blick wurde eiskalt und starr. „Sie waren in Eichwald City nach dem Anschlag doch so schnell verschwunden, dass man sie nicht verfolgen konnte. Mit dem Wagen könnten sie einfach hier in die Berge geflohen sein. Die Steilhänge machen die Talregion unübersichtlich, ein perfektes Versteck. Wir sollten unseren Weg ändern und von der anderen Seite des Berges das Tal betreten. Sicher ist sicher.“
Faith, Mira und Itsuki wendeten sich von der Kuppe ab und gingen in Deckung, als einer der Männer plötzlich in ihre Richtung starrte. Vorsichtig kauerten sie sich hinter dem Felsen zusammen.
„Haben sie uns bemerkt?“, wisperte Mira ängstlich. „Und habt ihr die Pokémon gesehen? Die beiden Magnayen sahen brandgefährlich aus!“
„Shht!“, fuhr Itsuki ihr dazwischen und legte ihr eine Hand auf die Schulter, was bei Mira nur eine Röte im Gesicht auslöste.
Sekunden verstrichen und wurden zu gefühlten Minuten. Weder die Stimmen der Männer noch die Geräusche eines fahrenden Transporters waren zu vernehmen. Ruhig warteten sie ab und waren sich gerade sicher, dass sie in Sicherheit waren, als ein Mann schräg hinter ihnen am Steilhang stand und sie entdeckte.
„Hier sind die Kinder!“, plärrte er seinen Kollegen zu, die sofort den Motor starteten. Der Mann trug eine schwarze Hose, schwarze Schuhe und ein leichtes, lila Seidenhemd, das ihn von seinen Handlangern unterschied und perfekt zu seinen Haaren passte. Seine rotbraunen Augen fixierten die Trainer. „Denkt ihr, ich hätte euch nicht bemerkt?“
Itsuki stieß Mira, die zur Salzsäule erstarrt war, nach oben. „Lauft weg, ich halte ihn auf!“
„Du kannst hier nicht den Helden spielen, Itsuki!“, rief Faith energisch zu ihm und stellte sich schützend vor Mira, den Pokéball von Bibor in der Hand.
Der Mann lachte hohl auf, er schien nicht viel älter zu sein als Itsuki. Nur ein kurzer Druck auf seinen Pokéball genügte, dann trat ein Magnayen an seine Seite und knurrte bedrohlich. „Magnayen wird euch kriegen, euer Angstgeruch hängt für mein Magnayen in der Luft wie ein ekliges Parfum. Ich werde euch einfach ausschalten.“
„Bibor, halt es auf! Giftstachel!“, rief Faith ohne noch länger zu warten, als sie Bibor ebenfalls entließ und ihr Starter sich mit surrenden Flügeln in die Luft erhob.
Sofort feuerte es eine Ladung Giftstachel auf Magnayen, das jedoch zur Seite auswich und in die Luft sprang, direkt auf Bibor zu. Ein gezielter Feuerzahn riss Bibor zu Boden und erwischte es schwer.
„Es kann Feuerzahn!“, stieß Faith erschrocken aus und blickte verwirrt zu Mira.
„Eine Zuchtattacke, du musst aufpassen“, klagte Mira ängstlich und hielt sich hinter Itsuki und Faith bedeckt. Der schmale Weg bot keinen Platz mehr für ein weiteres Pokémon von Itsuki, weswegen er wohl oder übel Faith den Vortritt lassen musste.
„Bibor, wehr dich mit Furienschlag!“ Stolz sah sie zu, wie ihr Starter Magnayen zwei Schläge in die Seiten verpasste, doch Magnayens Zähne blitzten wieder in Flammen auf und es biss Bibor in die Taille. Besiegt blieb es liegen, noch dazu hatte es Verbrennungen und sah nicht gut aus. Mit einem Ausdruck von Wut in den Augen zog Faith ihr Bibor zurück und fauchte den Mann an. „Was erlauben Sie sich eigentlich! Team Dark richtet nur Unheil an, damit werden Sie nicht durchkommen!“
„Nicht?“ Der Mann lachte und strich sich durch die Haare. „Ich bin Caleb Frost, Vorstandsmitglied von Team Dark. Ich komme immer durch, Süße. Und jetzt mach sie fertig, Magnayen!“
Erschrocken stoben die drei Trainer auseinander, als Mira stürzte und nur noch sah, wie Magnayen auf sie zusprang. Ein entsetzter Schrei entkam ihrer Kehle, als sie ins Rutschen kam und über die Klippe stürzte, ein Schatten direkt über ihr.
Plötzlich vernahm sie das Aufheulen von Magnayen, als es von irgendetwas getroffen wurde und Caleb verärgert einen Rückzug antrat. Starke Ranken wickelten sich um Miras Taille und sicherten sie so vor dem Abstürzen. Vor Angst standen ihr die Tränen in den Augen. „W-was…?“
„Bisaflor, du kannst sie runterlassen.“ Ein Bisaflor hatte Mira gerettet und setzte sie nun behutsam auf dem Boden ab.
Mira konnte ihr Glück kaum begreifen und wischte sich erst die Tränen aus den Augen, als Caleb verschwunden war und Itsuki und Faith sie kurz umarmten.
„Mira, geht es dir gut?“ Besorgt blickte Faith sie an. „Das war so knapp. Ich hatte Angst, du würdest den Hang hinabstürzen, als Magnayen auf sich zugesprungen ist.“
„Dann bin ich wohl gerade im richtigen Moment vorbeigekommen“, sprach Miras Retterin gut gelaunt und zog ihr Bisaflor in einen Pokéball zurück. „Als ich diesen schmierigen Typen gesehen habe, dachte ich mir schon, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.“
„Vielen Dank für deine Hilfe“, stammelte Mira noch immer etwas unbeholfen und atmete tief durch, damit sich ihr geschocktes Herz erholen konnte. „Ich bin Mira und das sind meine Freunde Itsuki und Faith. Wir sind gerade auf dem Weg nach Lapidia.“
„Genau, Mira möchte dort nämlich als Koordinatorin am Wettbewerb teilnehmen“, verriet Faith grinsend und bedankte sich – ebenso wie Itsuki – bei Miras Retterin.
„Oh, das trifft sich aber gut. Ihr habt doch nichts dagegen, wenn ich euch bis nach Lapidia begleite? Ich möchte auch zu dem Wettbewerb dort und sitze in der Jury.“ Die dunkelblauen Augen des Mädchens leuchteten, als sie sich lachend die braunen Haare zurückstrich. In diesem Moment erkannten die drei, wer sie war, da stellte sie sich auch schon selbst vor. „Ich bin Maike, Koordinatorin aus Hoenn, und werde Jurymitglied sein.“
„Maike!“ Mira piepste den Namen der berühmten Koordinatorin heraus, immerhin hatte Mira sogar ein Poster von Maike und ihrem Starter Lohgock über ihrem Schreibtisch hängen. Mit einem ehrfürchtigen Blick starrte sie zwischen der braunhaarigen Koordinatorin, Faith und Itsuki hin und her, unfähig, auch nur einen Satz herauszupressen. Faith erbarmte sich schließlich und erlöste Mira, indem sie Maike freundlich anlächelte und sie in ein lockeres Gespräch verwickelte, während sie wieder den Weg nach Lapidia aufnahmen. „Du bist also Ehrenjurymitglied? Wow, das ist total cool. Ich bin zwar keine Koordinatorin, aber das letzte große Festival von Sinnoh habe ich mir im Fernsehen angesehen, da wurdest du zweite, nicht wahr?“ Maike nickte und lachte leise in sich hinein. „Ja, nur Lucia war besser als ich. Aber ich habe die aktiven Kämpfe jetzt aufgegeben und konzentriere mich lieber auf meinen Bruder Max. Ständig muss ich hinter ihm her sein, aber seine Ausbildung bei Professor Birk bereitet ihm Freude und er wird sicherlich einmal ein sehr guter Pokémonforscher werden.“ „Du hast gegen Lucia gekämpft?“ Diesmal hatte Mira ihre Sprache wiedergefunden und bestaunte die Koordinatorin, als wäre sie eine Heilige oder ein Superstar. Mira fand es faszinierend, dass Ash Ketchum sowohl mit Maike als auch mit Lucia, beides berühmte Koordinatorinnen, in seiner Jugendzeit gereist war. Auch Misty, die Arenaleiterin aus Azuria City, und Rocko, Arenaleiter aus Marmoria City und mittlerweile Top-Züchter, waren Reisegefährten von ihm. Und sie alle waren nun bekannt und berühmt, nicht nur, weil sie Team Rocket zerschlagen hatten. „Ja, Lucia und ich treffen uns ab und an bei den Wettbewerben, aber wir haben uns dazu entschlossen, unsere Karrieren aufzugeben, damit neue Koordinatoren mehr Chancen haben, wenn sie nicht gegen uns alte Hasen antreten müssen.“ Grinsend fuhr sich Maike durchs Haar und befestigte eine lose Strähne mit einer Klammer. „Und du bist eine von den jungen Koordinatoren der neuen Generation, ja, Mira?“ Die Angesprochene lief puterrot an und presste ein schwaches Gemurmel hervor, das niemand verstehen konnte. „Ja, ist sie“, übernahm Faith daher mit einem breiten Grinsen und legte Mira einen Arm um die Schultern. „Aber sie braucht noch ein bisschen Training und Tipps.“ „Vielleicht kann ich mit dir trainieren, bevor der Wettbewerb startet?“, bot Maike sofort an und sah, wie Mira sie mit leuchtenden Augen anstarrte. „Wirklich?“ „Klar, wieso nicht. Lohgock kann ein wenig Bewegung gebrauchen und dir schadet es bestimmt nicht.“ „Danke, Maike. I-ich bin ein großer Fan von Lucia und dir…“ Mira senkte den Blick auf ihre Fußspitzen und verfiel in ein peinlich berührtes Schweigen, während ihre Wangen noch immer rötlich aufflammten. „Dein Bruder wird also ein Forscher?“ Itsuki wollte sich eigentlich gar nicht einmischen, aber er konnte nicht einfach zusehen, wie Mira im Boden verschwinden wollte und Faith nicht das nötige Feingefühl besaß, ihrer Freundin auf dem richtigen Weg zur Seite zu stehen. „Wie alt ist er denn jetzt, wenn er sich ausbilden lässt?“ „Siebzehn.“ Maike kicherte in sich hinein. „Wenn er weiter so stur seiner Ausbildung nacheifert, kriegt er nie eine Freundin ab.“ Schweigen breitete sich unter den Anwesenden aus. Mira traute sich nicht, Maike einfach anzusprechen, während Faith einfach kein Gesprächsthema einfallen wollte und Itsuki zu dem Thema Freundin nichts sagte. Schließlich entkam Faiths Mund jedoch ein ergreifendes „Ah“ und sie schoss gleich eine Frage auf Maike ab. „Du bist mit Ash Ketchum gereist, nicht wahr? Ich habe ihn im Fernsehen bei der Silberkonferenz gesehen, sein Glurak ist richtig stark geworden! Ich möchte auch alle Orden in Finera gewinnen und dann die Top 4 besiegen, um Champion zu werden. Eines Tages werde ich Ash Ketchum besiegen!“ „Dann wünsche ich dir viel Erfolg. Leider wird er die nächste Zeit, soweit ich weiß, nicht nach Finera kommen. Er hat Professor Eich bei einigen Feldzügen seine Unterstützung zugesagt und tourt momentan durch Kanto“, erklärte Maike ihr in einem ruhigen Ton. „Kanto, wow. Ich will auch mal nach Kanto. Und Johto. Ach, eigentlich würde ich die ganze Welt sehen wollen!“ „Dann fang mit Lapidia an, das ist unser nächstes Ziel, Faith.“ Itsuki schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf über so viel Träumerei. Die Sonne zog weiter ihre Bahnen und am frühen Nachmittag erreichten die vier Trainer dann auch endlich die ersehnte Stadt, die sich zwischen Felsen und Bergen in die Landschaft gebettet hatte. Der Weg wurde gleichmäßiger und schließlich traten sie auf glatten Stein anstatt auf den unebenen Weg der Route. „Dort drüben ist das Pokémoncenter.“ Itsuki nickte in Richtung des Hauses und steuerte bereits darauf zu, während Mira und Faith staunend die kleinen Fachwerkhäuser betrachteten, deren Fassaden teilweise mit Steinen direkt aus den Felsen der Umgebung verklinkert waren. „Kommt ihr?“ Ungeduldig verschränkte Itsuki die Arme vor der Brust. „Bin schon dabei“, pampte Faith gespielt beleidigt zurück und schloss mit Mira an der Seite zu Itsuki und Maike auf. Gemeinsam betraten sie das Pokémoncenter und kamen sofort in den angenehm temperierten Raum. Schwester Joy winkte ihnen freundlich zu, an ihrer Seite trug Chaneira gerade Handtücher in ein Behandlungszimmer. „Guten Tag, wie kann ich euch helfen?“ „Wir brauchen Zimmer für die nächsten Tage. Wann findet der nächste Wettbewerb statt?“ Schwester Joy hörte Itsuki aufmerksam zu und holte drei Schlüssel hervor, doch Maike winkte ab und erklärte, dass sie bereits ein Zimmer reserviert hatte, woraufhin sie einen anderen Schlüssel erhielt. „Der Wettbewerb findet am Wochenende statt, ihr habt also noch vier Tage, um euch vorzubereiten. Wenn ihr mich entschuldigt, ein Karpador wartet auf seine Behandlung.“ „Natürlich.“ Itsuki griff die Schlüssel und reichte Faith und Mira den für das Doppelzimmer der beiden Mädchen. „Wenn ihr mich auch entschuldigt, ich würde gerne eine Dusche nehmen.“ Mira wartete, bis Faith Chaneira den Pokéball mit Bibor abgegeben hatte, dann setzten sie sich gemeinsam mit Maike in die angrenzende Lounge und zogen sich einen kühlen Orangensaft aus dem Automaten. Gerade setzte Maike sich hin, da erstarrte ihr Gesicht und sie ballte die Hände zu Fäusten, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Ihr Blick wurde finster und starr, als sie sich bei Mira und Faith verabschiedete und aufstand. „Was ist denn mit der los“, fragte Faith überrascht, als sie auch schon sahen, wie Maike auf der Hälfte des Weges stehen blieb und sich zu einem jungen Mann umdrehte, der sie scheinbar angesprochen hatte. „Was willst du denn hier, Drew.” Ihre Stimme klang ruhig, doch die Worte schnitten durch die Luft wie rasiermesserscharfe Glassplitter, was auf einen unterdrückten Konflikt schließen ließ. „Ich wüsste nicht, dass ich dir Rechenschaft schuldig bin, Maike.“ Der gutaussehende, junge Mann strich sich durch die kinnlangen, grünen Haare und setzte einen arroganten Blick auf. „Ich kann gehen, wohin ich will. Und jetzt bin ich eben hier.“ „Ich habe dich nicht gebeten, mir zu folgen. Als ich sagte, dass ich eine Auszeit brauche, habe ich das auch genau so gemeint.“ Maike drehte sich zum Gehen um, doch Drew packte ihr Handgelenk und hielt sie zurück. Sein Griff war locker, doch Maike zog den Arm nicht weg. „Maike, ich kann nicht glauben, dass du immer noch diesen Quatsch von dir gibst.“ Er schnaubte verächtlich und ließ sie los. „Wird vernünftig und komm mit mir zurück nach Blütenburg City.“ „Sah bloß, du bist den ganzen Weg gekommen, nur um mich wie ein verwirrtes, kleines Mädchen zurück nach Hause zu schleppen.“ Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen, während ihr braunes Haar in langen Wellen auf ihre Schultern fiel. „Ich brauche keinen Babysitter, Drew. Ich bin verdammt noch mal zwanzig Jahre alt und kann auf mich selbst aufpassen!“ Chaneira zuckte zusammen angesichts von Maikes Wutausbruch und blickte fragend zu Schwester Joy, die das Taktgefühl besaß, den Blick zu senken und im Behandlungszimmer zu Karpador zu verschwinden. „Das sehe ich“, spottete Drew und lachte leise auf. „Nach dem Wettbewerb reisen wir ab und klären das zu Hause.“ „Nein, das werden wir nicht tun. Ich habe es langsam satt, dass du glaubst, mir Vorschriften machen zu müssen.“ Maike stampfte wütend mit dem Fuß auf dem Boden auf. „Wenn ich der Meinung bin, dass ich zu Max nach Wurzelheim reise, ohne dir vorher bescheid zu geben, musst du das akzeptieren. Ich muss mich nun wirklich nicht vor dir verantworten.“ „Ich mache mir aber Sorgen um dich“, presste Drew tief getroffen hervor und in seinem Blick lag wirklicher Kummer. „Jedes Mal, wenn du einfach verschwindest, muss ich an den Tag denken, an dem du von Team Rocket entführt wurdest.“ „Wir haben Team Rocket zerschlagen. Ash hat mich gerettet, wir haben Giovanni besiegt und Team Rocket gibt es nicht mehr.“ Die Stimme der Koordinatorin war plötzlich trocken, sie blinzelte Tränen weg und trat einen Schritt zur Seite. „Ich bin mir einfach nicht sicher, ob das mit uns beiden wirklich das Richtige ist.“ Drew atmete tief ein und stand starr an seinem Platz. „Weil du Ash liebst, so oft wie du bei ihm bist?“ Stille trat ein und die beiden starrten sich in die Augen, bis Maike einen tiefen Schluchzer los ließ. „Wie kannst du das behaupten!“ „Du bist in den letzten Wochen öfter bei ihm gewesen als bei mir, Maike, deshalb kann ich das sagen! Also, was ist, betrügst du mich mit ihm, diesem Meistertrainer?“ „Idiot!“ Das Klatschen der Ohrfeige auf Drews Wange schien ohrenbetäubend laut zu sein und noch zwei Minuten später, als Maike schon längst fortgerannt war, stand Drew noch immer unbewegt an der gleichen Stelle. Sein Herz brannte.
Die letzten vier Tage vergingen wie im Flug. Mira bereitete sich gründlich auf ihren ersten Wettbewerb vor und trainierte völlig im Geheimen mit Maike. Selbst Faith und Itsuki wollte sie nicht bei ihrem Training dabeihaben, aus Angst, sich total vor ihren Freunden zu blamieren.
Die Stimmung bei Faith wurde am zweiten Tag ziemlich getrübt, als sie mitbekam, dass auch Trixi und Joel in der Stadt waren und Trixi sich ebenfalls für den Wettbewerb angemeldet hatte. Jeder Versuch, ihr Team herauszufinden, schlug fehl. Trixi war zu klug, als dass sie sich von Faith in die Karten schauen ließ, was Faiths Stimmung auf einen neuen Tiefpunkt brachte. Meistens saß sie einfach in der Lobby des Pokémoncenters und schmollte vor sich hin, während Itsuki draußen in der Umgebung der Stadt trainierte.
Am letzten Tag vor dem Wettbewerb leistete sie ihm Gesellschaft und gemeinsam holten sie Mira von ihrem Training bei Maike ab. Maike war schon gegangen, als sie eintrafen, denn sie wollte keine Möglichkeit entstehen lassen, dass sie nach ihrem Streit mit Drew diesem noch einmal begegnete.
„Hallo ihr beiden“, grüßte Mira sie strahlend und umarmte Faith überschwänglich. „Das Training heute war toll, Evoli hat jetzt ein paar gute Tricks drauf. Maike meint, dass ich die ersten Runden bestehen werde, wenn ich mit Evoli alles so mache, wie wir es geübt haben. Ist das nicht toll?“
Grinsend nickte Faith und knuffte ihre Freundin in die Seite. „Dein Training ist heute schon erstaunlich früh rum. Itsuki und ich kommen gerade auch von unserem Training, aber er wollte sich noch einmal am Kraftwerk umsehen. Willst du mitkommen?“
„Zum Kraftwerk?“ Mira überlegte und runzelte die Stirn, sodass feine Falten entstanden. „Ich wollte mich zwar nach einem Elektropokémon umsehen, aber…“ Schließlich schüttelte sie ihren Kopf. „Nein, nicht heute, tut mir leid. Evoli muss sich ausruhen und ich wollte auch noch ein Entspannungsbad nehmen. Immerhin muss ich morgen früh fit sein.“
„Na schön, dann gehe ich mit dir zum Kraftwerk, wenn der Wettbewerb zu Ende ist. Solange du Trixi nur einen metaphorischen Arschtritt verpasst, bin ich zufrieden.“
Mira gluckste leise und schlenderte gemütlich zusammen mit Faith zum Pokémoncenter zurück. Dort angekommen, wurde sie ernster und lehnte sich an einen Tisch. „Ich mache mir Sorgen um Maike.“
Sofort spitzte Faith die Ohren und gesellte sich zu Mira. Man merkte sofort, dass Mira mehr Selbstvertrauen in sich bekommen hatte, weil sie mit ihrem großen Idol gemeinsam trainiert hatte. „Wegen der Sache mit Drew?“
„Mhm.“
„Ich denke, wir sollten uns da raushalten. Wir wissen doch gar nicht, was für eine Beziehung die beiden eigentlich zueinander haben. Sie sind alt genug, um das alleine zu regeln. Lass Maike einfach Jurymitglied sein, den Rest klärt sie selbst mit Drew.“
„Meinst du? Die beiden wirken eher so, als hätten sie eine ziemliche Beziehungskrise.“
„Nicht unser Bier, Mira“, mahnte Faith sie, streckte dann den Rücken gerade durch und ließ verlauten, dass sie Mira zur Therme begleiten würde.
„Wow, sonst muss ich dich doch immer auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.“ Grinsend gab Mira Faith einen leichten Klaps auf die Schulter. „Aber schön, dann lass uns gemeinsam zur Therme gehen.“
Am nächsten Morgen standen Itsuki und Faith im riesigen Vorraum der Wettbewerbshalle, in der allerlei Teilnehmer, Pokémon und Zuschauer geschäftig und nervös umherwuselten. Mira hatte heute Morgen bereits fünf Tassen Beruhigungstee getrunken und fühlte sich mit der riesigen Menge an Baldrian und sonstigen Kräutern, die sie intus hatte, wie auf Droge.
„Mir ist schlecht“, jammerte sie gerade zum x-ten Mal, woraufhin Itsuki sich nur seufzend zu ihr umdrehte.
„Du bist aufgeregt, das ist alles.“
„Ich hätte nicht Faiths Tee trinken sollen…“ Mira quetschte Evoli nur noch enger an sich und der Anmeldebogen in ihrer Hand wurde an den Kanten bereits wellig von ihren schweißnassen Fingern. „Ich will nicht antreten, gegen Trixi kann ich nicht gewinnen…“
„Mira.“
„Sie ist viel zu gut, also kann ich mich auch einfach ins Publikum setzen.“
„Mira.“
„Ich kann das nicht!“
„Mira!“, tönten Faith und Itsuki nun aus einem Mund und blickten ihre Freundin mit einer Mischung aus Ungeduld und Fürsorge an. „Du hast mit Maike trainiert, Evoli kennt gute Techniken. Du wirst da jetzt rausgehen und denen zeigen, dass Mireillia Dawnington eine supergute Koordinatorin werden wird, verstanden?“
„Faith, bitte… Okay, na gut. Ich kann das. Ich schaffe das.“ Tief durchatmend ging Mira mit zittrigen Knien zum Anmeldetresen und reichte der freundlichen Dame ihre Anmeldung. Anschließend wurde sie in einen Raum gelotst, in dem alle Teilnehmer saßen und ihre Nummern zugeteilt bekamen.
Es verging eine knappe Stunde, bis alle Teilnehmer eingetroffen waren und Mira von einer Geräuschkulisse aus lockeren, plappernden Gesprächen umgeben war. Nur sie saß alleine an einem Tisch und strich geistesabwesend über Evolis Fell. Gerade eben waren die Nummern vergeben worden, sie war als eine der ersten dran, zum Glück jedoch erst an vierter Stelle. Trixi Light würde als dritte ihre Performance zum Besten geben, jedoch hatte sie ihr Pokémon noch nicht aus dem Pokéball gelassen. Es schien, als würde sie bis zum letzten Augenblick die Spannung um ihr Team aufrecht erhalten.
Zwei große Monitore zeigten den Teilnehmern, was in der Halle ablief. Einmal waren sogar Itsuki und Faith auf dem Bildschirm zu sehen. Sie schienen sich zu unterhalten und saßen in einer der ersten Reihen, um Miras Auftritt auch gut sehen zu können.
„Evoli, ich bin mir nicht sicher, ob wir das schaffen können.“
„Evoli li!“, machte es zuversichtlich und rieb mit geschlossenen Augen seinen Kopf an Miras Hand. Es spendete ihr Trost und Mut in diesen Minuten, bis die erste Teilnehmerin angesagt wurde und der Wettkampf losging.
Applaus aus der Halle ertönte und drang bis hier hinten in Miras Ohren, ihr Herz begann wild zu schlagen und pumpte bereits große Mengen Adrenalin durch ihren Körper, was einen krassen Gegensatz zur Wirkung der Beruhigungstees darstellte.
„Ihr Voltilamm ist schwach“, urteilten einige andere Teilnehmer über ihre erste Konkurrentin in der Halle und Mira schlussfolgerte daraus, dass das Mädchen, das gerade dort draußen stand, auch eine Anfängerin sein musste.
Schließlich war der Auftritt vorbei und die zweite Teilnehmerin ging nach draußen, auf ihrer Schulter saß ein Schwalbini und flatterte bereits ungeduldig mit den Flügeln.
„Oh je, gleich bin ich an der Reihe…“ Seufzend stand Mira auf und presste sich an die Wand, Evoli hatte sie auf dem Boden abgesetzt.
„Trixi Light, mach dich bitte bereit, du bist als nächstes dran.“ Eine Frau erschien und rief Trixi auf, die sich durch die kurzen, braunen Haare strich und ein siegesgewisses Lächeln aufsetzte.
„Smettbo, komm raus.“ Ihre schlanken Finger betätigten den Knopf eines Pokéballs und ein Smettbo ließ sich auf Trixis Schulter nieder.
Augenblick hatte Trixi die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich gezogen, denn ihr Smettbo schimmerte in zarten Rosatönen und besaß grüne Augen. Trixi Light besaß ein Shiny Smettbo.
„Oh nein!“, entfloh es Miras Mund, als sie das Smettbo mit riesigen Augen anstarrte. Nicht nur, dass Trixi ohne Zweifel eine ebenso gute Trainerin war wie ihr Bruder Joel, nein, noch dazu hatte sie ein Smettbo in ihrem Team, das die Jury alleine durch sein Auftreten begeistern würde. „Ich werde verlieren, Evoli“, wisperte die eingeschüchterte Koordinatorin und Tränen traten ihr in die Augen. „Ich werde gegen Trixi verlieren, ich kann nicht gegen sie antreten. Ich kann es nicht…“
„Hey, du schaffst das schon.“ Leichter Druck wurde auf Miras Schultern ausgeübt und die junge Koordinatorin drehte sich verwirrt um. Ein junges Mädchen schaute sie mit freundlichen, braunen Augen an und grinste selbstsicher.
„Wer bist du?“, fragte Mira unsicher und drückte Evoli an sich, das ein wenig mit dem Schwanz peitschte und sich aus dem Griff seiner Trainerin befreite. Mira blickte irritiert zu ihrem Starter, dann entdeckte sie ein zweites Evoli, das neugierig zwischen den Beinen des unbekannten Mädchens hervorblickte. „Du hast ein Evoli?“
„Ja, ich bin Lily und das ist mein Partner Evoli. Ich habe gesehen, wie unsicher du geworden bist, als diese schnöselige Tussi ihr Shiny Smettbo entlassen hat. Dementsprechend musst du Mireillia Dawnington sein, ja? Du stehst auf der Tafel direkt hinter ihr.“
Mira nickte und setzte Evoli auf dem Boden ab, damit es ein wenig mit dem anderen Normalpokémon spielen konnte. „Nenn mich bitte Mira, das machen alle so.“
Lily nickte. „Alles klar, dann eben Mira. Lass dich bloß nicht von ihr einschüchtern.“
„Aber sie ist mit Sicherheit eine super Trainerin, ich werde niemals besser sein können als sie. Mit Sicherheit kann das Publikum mich gar nicht richtig beachten, weil sie vorher alle von sich überzeugt hat.“
„Glaube ich nicht“, meinte Lily sofort bestimmt und fuhr sich durch die braunen Haare. „Und wenn du so unsicher wegen ihrer Performance bist, dann schau sie dir doch einfach gar nicht an. Wir müssen doch nicht an den Bildschirmen kleben wir die anderen hier im Raum. Wenn du nicht weißt, was Trixi macht, kannst du dich deswegen auch nicht bedroht fühlen, richtig?“
„Ich weiß nicht…“
Einen kurzen Augenblick kaute Lily auf ihrer Unterlippe, dann zog sie Mira bei Seite und nahm ihr somit die Sicht auf die Bildschirme, die Trixis Show zeigten. „Woher kommst du, Mira?“
„Eh, aus Waldhausen, wieso fragst du?“
„Ich komme aus Dukatia City, das ist in Johto.“
„Johto?“, fragte Mira sofort interessiert und spürte, wie ihr Herzschlag wieder langsamer wurde und das Ohnmachtsgefühl abnahm. „Wow, ich war noch nie in Johto, obwohl es eigentlich von Waldhausen gar nicht weit weg ist. Man müsste sich nur ein Zugticket für über das Gebirge im Süden von Finera kaufen, dann kommt man ganz bequem nach Kanto und von dort aus nach Johto. Was machst du denn hier in Finera?“
„Um an den Wettbewerben teilzunehmen“, lautete die kichernde Antwort von Lily. „Meine Schwester ist auch Koordinatorin und ich möchte in ihre Fußstapfen treten. Sie war nie in Finera, soweit ich weiß, deshalb bin ich hergekommen. Aber ich habe vor, bald wieder abzureisen. Das hier ist mein letzter Wettbewerb, bevor meine Rückfahrt ansteht.“
„Wow. Du bist so… selbstständig.“ Mira warf der anderen Koordinatorin einen bewundernden Blick zu und zuckte kurz zusammen, als Applaus aus der Halle ertönte. Trixi musste wohl bald fertig sein.
„Ich glaube, du bist an der Reihe, Mira.“
„Mhm…“
„Du schaffst das. Ich drücke dir die Daumen. Evolis sind super Partner, da können wir doch gar nicht verlieren, was?“
Mira holte tief Luft, nickte ihrem Evoli zu und schenkte Lily ein mehr als dankbares Lächeln. „Vielen Dank. Ich glaube, ich hätte mich gedrückt, wenn du mich nicht angesprochen hättest. Lass uns nach dem Wettbewerb weiterreden, okay?“
„Alles klar. Wir sehen uns nach deiner Show, ich warte genau hier.“
In diesem Augenblick trat Trixi wieder in den Raum, ihr Smettbo ruhte im Pokéball und Trixis Lippen zierte ein extrem selbstgefälliges und überhebliches Lächeln, als sie sich auf die gepolsterte Bank fallen ließ.
Mira kniff die Augen zusammen und öffnete die Tür zum Gang, der sie direkt in die Halle brachte. Sie hatte Trixis Performance nicht gesehen, aber der Applaus war auch nicht besser gewesen als bei den Teilnehmern dafür. Ein Shiny Smettbo musste kein Garant für den Sieg sein. Sie konnte das schaffen!
„Teilnehmerin Nummer Vier, Mireillia Dawnington aus Waldhausen“, ertönte es aus den Lautsprechern und hunderte Augenpaare schauten gespannt auf die junge Koordinatorin mit den lavendelfarbenen Haaren hinab.
Miras Handflächen fühlten sich von dem Schweiß kühl und feucht an, als sie zur Jury blickte und Maike entdeckte, die zwischen Schwester Joy und einem unbekannten Mann saß und sie anlächelte. Ja, sie konnte es schaffen. „Evoli, stell dich auf und mach dich bereit.“
„Evo!“, erwiderte das braune Normalpokémon guten Mutes und trottete einige Schritte zurück.
Mira griff in ihre Jackentasche und holte drei bunte, kleine Bälle hervor. Noch einmal atmete sie tief durch, konzentrierte sich auf ihre ruhige Atmung und blendete erfolgreich das ganze Publikum aus. Jetzt gab es nur noch sie, Evoli und die drei Bälle.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, lag eine ungewohnte Entschlossenheit in ihnen. „Evoli, Rutenschlag!“ In einer flüssigen Bewegung warf Mira die drei Bälle zu ihrem Starter.
Evoli parierte sofort und vollführte eine elegante Drehung, an deren Ende es den ersten Ball mit einem lautlosen Rutenschlag erwischte und senkrecht in die Luft schleuderte. Dem folgten sofort die beiden anderen Bälle und man konnte sofort sehen, dass Evoli erfolgreich mit seinem Rutenschlag jonglierte.
Erst der tosende Applaus des Publikums brachte Mira in die Wirklichkeit zurück. Sie blinzelte kurz und sah, wie Itsuki und Faith begeistert aufgesprungen waren und sie lautstark anfeuerten. Auch Maike klatschte mit einem freudigen Ausdruck im Gesicht.
Mira konnte ihr Glück kaum fassen. Sie ging zu Evoli und ließ es mit einem Sandwirbel alle drei Bälle gleichzeitig ausbremsen, sodass sie parallel zueinander in die Hände der Koordinatorin fielen.
Die Show war beendet. Das Publikum applaudierte ihr und sie war weiter. Und wenn sie sich nicht irrte, hörte sie sogar ein wenig mehr Lautstärke aus dem Applaus des Publikums heraus, als es bei Trixi Light der Fall gewesen war.
Eine Stunde später waren die Vorrunden beendet und Mira war tatsächlich eine der acht glücklichen Finalisten – neben Trixi Light natürlich, der sie, falls sie wirklich weiterkommen sollte, im Finale gegenüberstehen würde.
Lily war ebenfalls weitergekommen, hatte dabei Evoli und ein Girafarig zusammen auftreten lassen, und trank gerade gemeinsam mit Mira einen Freundschaftskakao. „Ich wusste, dass du es schaffen würdest, als ich deinen entschlossenen Gesichtsausdruck gesehen habe.“
Peinlich berührt senkte Mira den Blick und trank den Rest ihres Kakaos aus. „Sag so etwas doch nicht.“
„Wenn es aber stimmt?“
„Lily…“ Schüchtern lächelte Mira, dann rief man sie auf, sich bereit zu machen.
„Ich muss jetzt los, mein erster Kampf wartet. Wobei mein Gegner ein Machollo hat.“ Lily zuckte leicht mit den Schultern, warf die leere Kakaopackung in den Mülleimer und ging zusammen mit dem Jungen, gegen den sie antreten würde, aus dem Raum.
„Viel Glück“, murmelte Mira ihr hinterher und schmiss ihre Packung ebenfalls fort. Evoli ruhte im Pokéball und sollte sich noch ein wenig ausruhen. Gespannt verfolgte Mira den Kampf von Lily, die in dieser Runde Girafarig einsetzte und Machollo somit schnell besiegen konnte. Das Glück hatte sie dabei nicht gebraucht.
Als Lily zurück in den Raum kam, grinste sie zufrieden und tätschelte Girafarigs Flanke.
„Dein Girafarig ist wirklich stark.“
„Ich habe es von meiner Schwester“, meinte Lily mit Stolz in der Stimme. „Hast du auch zwei Pokémon angemeldet?“
„Müssen, wir ja“, brummte Mira und seufzte. „Ja, ich habe noch mein Hunduster angegeben, aber da es mir sowieso nicht gehorcht, habe ich es nicht in die Performance von Evoli mit eingebunden. Evoli und ich schaffen es auch so.“
Schweigend nickte Lily und strich dabei immer wieder durch das kurze Fell ihres Pokémon. „Du bist dran, Mira.“
„Ja.“ Langsam erhob Mira sich und entließ Evoli aus dem Pokéball. Ihr Gegner war ein rothaariges Mädchen mit einem Dodu an ihrer Seite, somit hatte Evoli tatsächlich eine Chance. „Wir sehen uns dann, wenn ich den Kampf hier gewonnen habe und im Halbfinale stehe.“ Zuversichtlich grinste Mira, dann trat sie gemeinsam mit ihrer Gegnerin hinaus in die Halle.
Es war soweit. Mira hatte ihren ersten Pokémonkampf in diesem Wettbewerb und war deswegen mehr als nur sehr nervös. Es war die eine Sache, wenn sie eine gute Show ablieferte und mit Evolis Hilfe und Geschickt die nächste Runde erreichte. Das hier war jedoch ein Pokémonkampf. Ein richtiger Kampf.
Natürlich hatte sie mit Maike, die ihr zuwinkte, auch für diese Situation trainiert, aber das Dodu ihrer Gegnerin sah so bedrohlich aus und Mira wollte auf gar keinen Fall, dass ihr geliebtes Evoli auch nur einen Kratzer von dieser Sache hier davontragen könnte.
„Dodu, Furienschlag!“
Mira zuckte zusammen und wurde aus den Gedanken gerissen, als Evoli von den beiden Schnäbeln erwischt und durch die Luft geschleudert wurde wie ein brauner Lumpensack. „Evoli!“, rief Mira panisch, tippelte auf der Stelle und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Es ging schon los und sie hatte es gar nicht mitbekommen. Hastig ging sie alle Attacken ihres braunen Fellknäuels durch, dann blickte sie zu Dodu und biss sich auf die Unterlippe. „Setz Heuler ein, um seinen Angriff zu schwächen!“
Evoli riss sofort sein Maul auf und gab einen hohen Schrei von sich, bei dem Dodu sich einen Moment sträubte und dann auf seinen Gegner zusprang.
„Dodu, Ruckzuckhieb!“
Ehe Mira sich versah, lag ihr Starter am Boden und rappelte sich mit einem hängenden Ohr wieder auf. Das sah gar nicht gut aus. Wenn sie wirklich noch gewinnen wollte, musste sie jetzt in die Offensive gehen. Sie kniff die Augen enger zusammen und krallte ihre Finger ineinander. „Los, Evoli, Tackle!“
„Evo!“, machte Evoli kampflustig und stürmte auf Dodu zu. Es machte einen Haken zur Seite und traf Dodu mit einem Volltreffer direkt am Bauch, sodass der große Vogel zur Seite kippte.
„Nutz die Situation, nochmal Tackle und dann Sandwirbel!“
Evoli parierte sofort, verursache mehr Schaden bei Dodu und scharrte ihm dann eine ordentliche Ladung Sand vom Hallenboden in die Augen.
„Dodu, nochmal Furienschlag!“ Die rothaarige Trainerin tänzelte umher, doch ihr Pokémon konnte nicht mehr genau zielen und verfehlte Evoli deshalb.
Mira keuchte vor Aufregung auf, machte einen Schritt zurück und nahm die Hände an den Saum ihres Oberteils. „Wieder Tackle!“
Evoli zielte, sprang und brachte Dodu zu Boden.
Dodu wehrte sich noch einen kurzen Augenblick, dann blieb es liegen und die Trainerin zog es zerknirscht zurück, woraufhin Applaus einsetzte und Mira zu ihrem Evoli lief.
„Ist alles in Ordnung bei dir?“
„Evo“, gab es schnurrend von sich, rieb seinen Kopf an Miras Hand und sprang dann auf ihren Arm.
Mira drückte Evoli an sich, schaute dann einmal kurz zu Maike und eilte mit roten Wangen zurück in den Warteraum, wo sie bereits von Lily empfangen wurde.
„Du warst super!“ Grinsend klopfte Lily ihr auf die Schulter. „Der Kampf war wirklich spannend. Ich dachte erst, dass Evoli verlieren würde, aber dann hast du die Situation noch einmal rumreißen können. Wirklich toll.“
„Danke“, nuschelte Mira betreten, setzte sich auf einen Sitz und atmete erst einmal tief durch, damit sich ihr Herzschlag wieder normalisieren konnte. „Ich dachte auch, ich würde verlieren. Eigentlich kann ich es kaum fassen, dass ich jetzt im Halbfinale stehe.“ Sie rieb sich die Augen und seufzte.
Eine kleine Weile später standen sich Mira und Lily gegenüber. Lily hatte ihren Halbfinalkampf verloren und schrieb ihre Adresse gerade auf einen Zettel, den sie Mira, die ziemlich traurig guckte, in die Hand drückte.
„Ich muss nach dem Wettbewerb sofort zu meinem Zug, also werden wir uns wohl nicht mehr sehen.“ Lily lächelte schmal und umarmte Mira, welche daraufhin ein leises Schluchzen von sich gab.
„Ich schreibe dir, versprochen.“ Mira rieb sich die Tränen aus den Augen und rang sich zu einem schiefen Lächeln durch. Evoli hatte auch den zweiten Kampf gewinnen können, was Mira total überrascht hatte. Doch jetzt stand sie im Finale und in wenigen Sekunden würde man sie zum Kampf gegen Trixi aufrufen.
„Ich werde dir zujubeln“, meinte Lily grinsend, knuffte Mira in die Seite und verließ dann den Warteraum, um auf die Tribüne in der Halle zu gehen. „Viel Glück, Mira.“
„Danke, Lily. Für alles.“ Mira schaute ihrer neuen Freundin wehmütig hinterher und ließ Evolis Pokéball immer wieder in ihrer Hand rollen. Sie bezweifelte, dass sie gegen Trixi eine Chance hatte, vor allem, da Evoli schon ziemlich fertig war und Trixis Smettbo wie aus dem Ei gepellt wirkte.
„Mira, komm.“ Es war Trixi, die sie mit einem hochmütigen Lächeln umrundete und sich zur Halle begab.
Mira hatte keine Wahl, sie folgte ihrer größten Rivalin und zitterte bereits vor Anspannung. Immer wieder murmelte sie sich beruhigende Phrasen zu, doch es half alles nichts. Ihre Beine fühlten sich wie Wackelpudding an und ihr war schlecht.
Der Ansager kündigte den Finalkampf an und Trixis Smettbo erhob sich von ihrer Schulter. Es sah so elegant und grazil aus, wie es schimmernd durch die Halle flog und dem Publikum „Ohs“ und „Ahs“ entlockte.
Einen Moment überlegte Mira, ob sie einfach weglaufen sollte, doch Itsuki, Maike, Faith und Lily jubelten ihr alle zu – wobei Maike sich als Jurorin natürlich zurückhalten musste. „Also schön“, begann Mira und zögerte. Evolis Ball wirkte so schwer in ihrer Hand. Sollte sie ihren Starter wirklich ins offene Messer laufen lassen? Sie schloss die Augen, hob den Arm, doch im nächsten Moment vernahm sie ein Raunen, das durch die Halle ging. Als sie die Augen öffnete, sah sie ihr Hunduster vor sich stehen.
„Hun!“, knurrte es kampflustig das Smettbo an und sein Icon erschien auf der Anzeigetafel.
„Halt, nein! Ich will Hunduster doch gar nicht einsetzen!“ Miras Stimme war so brüchig, dass die Worte nicht bei der Jury ankamen.
Stattdessen verengte Trixi ihre Augen, ihre Lippen wurden schmal und sie funkelte Mira herausfordernd an. „Smettbo, feg es mit Windstoß durch die Halle!“
Doch soweit kam es gar nicht, denn Hunduster setzte sofort ohne Miras Zutun Glut ein. Die Feuerkugeln trafen Smettbos Windstoß, woraufhin ein Feuersäule entstand und Smettbos Flügel versengte. Anschließend jagte Hunduster auf Smettbo zu und verpasste ihm einen Smog.
Das brennende Käferpokémon wirkte auf einmal unkoordiniert, Trixi bellte Befehle, doch gegen Hundusters Kraft und Kampfgeist konnte es nicht einmal eine Minute bestehen. Smettbo ging zu Boden, flatterte noch ein letztes Mal mit den Flügeln, dann musste Trixi es zurückrufen und stapfte sofort aus der Halle.
„Mira!“ Faiths lautstarke Jubelrufe drangen bis zu Mira vor und die Siegerin konnte noch gar nicht begreifen, was so eben geschehen war.
„Ich habe… gewonnen?“ Vollkommen verdattert holte die Hunduster in den Ball zurück und sah Maike auf sich zukommen. „Ich habe gewonnen? Wirklich?“
„Ja, Hunduster war super! Eine richtige Überraschung, dass du es doch eingesetzt hast.“ Maike lächelte sie glücklich an und überreichte ihr mit einem feierlichen Blick das Band von Lapidia. „Hier, das Band von Lapidia gehört jetzt dir. Herzlichen Glückwunsch.“
Faith und Itsuki stürmten ebenfalls zu Mira, Faith umarmte sie sofort und Itsuki klopfte ihr anerkennend auf sie Schulter.
Mira hatte es geschafft. Sie hatte ihren ersten Wettbewerb gewonnen. Lächelnd ließ sie sich von ihren Freunden tätscheln und blickte zu Lily, die gerade die Tribünen Richtung Ausgang verließ. Die Siegerin ließ ihren Blick durch die Zuschauerreihen treiben, doch hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie für einen kurzen Moment gedacht, dass Caleb Frost in den Schatten verschwand. Sie musste es sich eingebildet haben.