Ich war glücklich. Lachend streckte ich meine Arme nach meinem Startpokémon aus, das in meine stürmische Umarmung sprang, den Kopf an meiner Brust vergrub und ein amüsiertes Grunzen von sich gab. Wir hatten gerade in einer Arena gekämpft und gesiegt, der neue Orden steckte fest in einer Box in meiner Jackentasche, aber viel wichtiger war, dass wir uns gemeinsam freuen konnten. „Wir haben gewonnen!“ „Larvitar!“ Grinsend setzte ich das kleine, grüne, quirlige Pokémon auf den Boden ab und fuhr mir durch die braunen Haare. Mein Blick fiel auf den Arenaleiter, der mir ein anerkennendes Nicken zuwarf und dann sein Schwalboss mit einem Supertrank behandelte. „Das war ein super Kampf, mein Kleiner“, lobte ich mein Pokémon. Ich hätte Larvitar gerne auf den Arm gehoben, aber mit seinen über siebzig Kilogramm war das nahezu ein Akt der Unmöglichkeit. Ich hätte mir auch Bleikugeln an die Arme binden können, weiter als einige Meter wären wir nicht gekommen. „Dein Larvitar ist stärker, als ich dachte.“ „Vielen Dank.“ Das Lob des Arenaleiters ließ meine Brust vor Stolz anschwellen. Ich verabschiedete mich von ihm, gab meinem Partner ein Zeichen und machte mich mit ihm auf den Weg an den Stadtrand. Heute Morgen hatte ich einige Trainer von einer schönen Blumenwiese reden hören, das wollte ich mir als Naturfanatiker natürlich nicht entgehen lassen. Die Gerüchte stellten sich nur wenige Minuten später nicht als falsch heraus, denn ein breiter Grünstreifen voller bunter Tulpen, Bromelien und Hyazinthen ließ mein Herz schneller schlagen. „Larvitar, sieh nur! All diese Blumen!“ „Lar!“ Neugierig trat das Pokémon mit dem Mischtyp Gestein und Boden vor mich, tippelte vor einer roten Tulpe auf und ab, pflückte sie und überreichte sie mir mit strahlenden Augen. Mein Herz machte einen Sprung und ich fühlte mich wirklich wahnsinnig gerührt. „Oh, das ist lieb von dir…“ Dankend nahm ich die rote Tulpe entgegen und drehte sie andächtig zwischen meinen Fingern. „Wir bleiben für immer Freunde, nicht wahr, Larvitar?“ Es nickte sofort, hüpfte vergnügt auf und ab und schlang die kleinen, grünen Ärmchen um mein Bein. „Larvitar!“
Ich schreckte aus einem Traum hoch. Draußen regnete es heftig und die Tropfen prallten mit einer Wucht gegen das Fenster in meinem Schlafzimmer, dass ich das Gefühl hatte unter Beschuss zu stehen. Gerade wollte ich mich wieder auf die Seite legen, da bemerkte ich, dass mein Hals sich vollkommen trocken anfühlte. Ich schloss die Augen und unterdrückte das Gefühl von aufkeimender Trauer. Irgendwo unten lief Arkani unruhig umher, das nervöse, angespannte Tippeln der Pfoten auf den Fliesen drang bis zu mir in den ersten Stock. Stöhnend warf ich die schwere Bettdecke zur Seite, schwang die Beine über die Bettkante und zog mir eilig einen Morgenmantel über. „Nur die Ruhe, altes Mädchen, ich bin doch da.“ Meine Stimme war kaum verstummt, da erschien schon der Kopf von meinem alten Arkani an der Treppe und ihr Blick war von Abneigung gegenüber dem Regenwetter gekennzeichnet. Sie knurrte missbilligend, drehte sich um und trottete mir voraus in die kleine, gemütliche Küche. Mein Blick fiel sofort zu der Digitalanzeige am Herd, es war kurz nach sechs Uhr morgens, aber draußen war es stockfinster – Spätherbst. Kopfschüttelnd füllte ich den Wasserkocher auf und drückte ihn auf die Station. Über mir in dem Hängeschrank befanden sich diverse Teebeutel, aber ich kochte nicht für mich einen Tee, sondern für Arkani. Lavendel und Fenchel, das beruhigte sie immer bei so einem Wetter. Noch während ich das heiße Wasser in die Schale goss, stupste das Feuerpokémon mich vorsichtig mit der Schnauze an der Hüfte an. „Arka!“ „Ich weiß, ich weiß…“ Betrübt stellte ich die Schale auf die Ablagefläche, dazu zwei Teebeutel. „Es wird langsam Zeit, nicht wahr, altes Mädchen?“ „Kani…“ „Ich weiß“, wiederholte ich, mehr um mich selbst zu beruhigen als sie. Pokémon waren erstaunliche Wesen. Sie waren Freunde, Partner, Verbündete und sie besaßen einen sechsten Sinn, jedenfalls hatte ich manchmal das Gefühl. Arkani spürte immer, wie es mir ging. Ich konnte lachen, weinen, mich verstellen, aber einen würde ich niemals im Leben täuschen können – sie. Auch jetzt durchschaute sie meine Gefühlslage sofort, tapste zum Regal und kehrte mit einer roten Tulpe, die ich gestern Abend frisch gekauft hatte, im Maul zurück. Nachdenklich nahm ich die Blume entgegen und drehte sie wie ich es so oft mit Blumen tat zwischen meinen Fingern. „Du willst gehen?“ Arkani nickte. „Jetzt? In den Regen?“ Wieder ein Nicken, dieses Mal bekräftigender. „Na schön.“ Wie einen unbezahlbaren Schatz legte ich die Tulpe auf den Tisch und stellte die Schale mit Tee für Arkani auf den Boden. Mit zügigen Schritten kehrte ich über die Treppe in den ersten Stock zurück, verschwand in meinem Schlafzimmer und zog mir Sachen an, die dem Wetter besser trotzen konnte als ein Pyjama und ein einfacher Morgenmantel. Als mein Blick in den Spiegel fiel, musste ich innehalten. War das wirklich ich, diese grauhaarige, alte Dame im Spiegel? Ein leises Blaffen aus dem Erdgeschoss trieb mich zur Eile an. Ich seufzte, schlüpfte in meine Schuhe und eilte zurück zu Arkani. „Komm, beeilen wir uns.“ Mit der Tulpe in der einen Hand und einem schwarzen Regenschirm in der anderen trat ich hinaus vor die Tür. Arkani drückte sich nahezu an meine Beine und wich keinen Zentimeter mehr als notwendig von meiner Seite, da sie sonst vollkommen durchweicht werden würde. Der Weg zu unserem Ziel führte uns durch einige Seitenstraßen des verschlafenen Städtchens, das ich schon so viele Jahre meine Heimat nannte. In noch kaum einem Haus brannten Lichter, was ich angesichts der Uhrzeit und der Tatsache, dass Sonntag war, aber nur zu verständlich fand. Vermutlich war niemand außer Arkani und mir unterwegs. Das gusseiserne Tor, durch das wir auf dem schneeweißen Kiesweg traten, wirkte schwer und bedrückend, es passte nur allzu gut zu diesem Ort, an den ich nicht mehr als einmal im Jahr ging. Unsere Beine trugen Arkani und mich fast schon mechanisch bis zu einer ganz bestimmten Stelle zwischen einer alten Tanne und einem hübschen Blumenbeet, das jetzt jedoch eher trostlos wirkte. Ich kniete mich hin, legte die rote Tulpe auf Despotars Grab und schloss die Augen, als sich Tränen mit Regentropfen vermischten. Für immer Freunde.
Finera - Kapitel 1 - Eine unerwartete Geburtstagsüberraschung
Die Sonnenstrahlen kitzelten Faiths Gesicht und als sie die Augen aufschlug, spürte sie zeitgleich die sanfte Brise, die durch das geöffnete Fenster in ihr Zimmer strömte. Es war ein wunderschöner Julimorgen und zudem ihr sechzehnter Geburtstag, was für sie bedeutete, dass sie heute ihr erstes Pokémon bekommen würde. Aufgeregt sprang sie aus dem Bett, stürzte dabei fast über ihren halb gepackten Rucksack und fing sich gerade noch mit der Hand an der Tischkante ihres Schreibtisches ab. „Mom, ich bin wach!“ Wie jedes Jahr würde sie unten am Küchentisch ein bezaubernder Geburtstagskuchen erwarten, dazu einige Geschenke und… Moment mal, wieso kam denn keine Antwort? „Mom, bist du da?“ Irritiert trat die blauhaarige Faith auf den Flur vor ihrem Zimmer und runzelte die Stirn. Wahrscheinlich waren ihre Eltern nur kurz im Garten oder hatten etwas mit den Nachbarn zu bereden, dabei verquatschte sich vor allem ihre Mutter viel zu oft. Mit einem lockeren Schulterzucken holte sie die Sachen aus dem Schrank, die sie heute anziehen wollte, und putzte sich anschließend in ihrem kleinen Badezimmer die Zähne. Doch als ihr Blick auf die schwarze Wanduhr fiel, entfloh ihrer Kehle ein hysterischer Quietschlaut. Sie hatte verschlafen! „MOM!“ Aufgebracht riss sie fast die Tür aus den Angeln, stürmte nach unten in die Küche und hatte keinen Blick mehr für den Kuchen auf dem Tisch übrig, lediglich die vier eingepackten Geschenke zogen kurz ihre Aufmerksamkeit auf sich. „Mom, warum hast du mich nicht geweckt? Mom!“ „Schrei hier bitte nicht so rum, Faith.“ Ihre Mutter kam durch die Seitentür in den Garten herein, auf ihrer Schulter saß ihr Plaudagei, der Starter, den Faiths Mutter damals erhalten hatte. „Du warst gestern Nacht noch so spät wach, da dachte ich mir, dass ich dich besser schlafen lasse. Außerdem war dein Wecker gestellt, er hat heute Morgen fast eine Viertelstunde lang gepiepst. Du solltest langsam mal mehr Verantwortung übernehmen.“ Gut, wunderbar, eine dieser mütterlichen Standpredikten, aber doch bitte nicht heute, an dem wichtigsten Tag ihres bisherigen Lebens! „Mom, das ist unfair, jetzt komme ich zu spät zu Professor Sage!“ „Schatz, ich werde nicht zulassen, dass du gehst, ohne dir wenigstens deine Geschenke angeschaut zu haben.“ Ihre Mutter setzte einen strengen Blick auf und stemmte die Hände in die Hüften, also ließ sich das Geburtstagskind überreden und begann damit, das bunte Geschenkpapier abzuwickeln. „Hat Dad schon angerufen?“ „Ja, aber er musste schon weg zur Arbeit. Er ruft dich heute Abend noch mal an, wenn du dein Pokémon hast. Ich verstehe, dass du sehr aufgeregt bist, aber du bist schon eine Stunde zu spät dran, da kommt es auf die zehn Minuten auch nicht mehr an.“ Mit einem resignierten Seufzer betrachtete Faith die Sammelbox der Orden dieser Region, Finera, die in dem Geschenk gesteckt hatte. „Danke Mom, das werde ich gut gebrauchen können… Wenn ich erstmal mein Pokémon habe.“ Mutter und Tochter warfen sich kurze Blicke zu, dann lächelte ihre Mutter sie an und nickte ihr zu. „Also gut, dann mach dich auf den Weg. Aber sei pünktlich zum Mittagessen zurück, ja?“ „Ist gut, Mom. Hab’ dich lieb.“ Schnell drückte Faith ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange, dann stürmte sie aus dem Ferienhaus hinaus auf die Straße und orientierte sich kurz, da sie nur übers Wochenende in Waldhausen war, um ihr Pokémon abzuholen. Ihre Mutter war deswegen extra mit ihr den ganzen Weg von Litusiaville am Meer nach Waldhausen gefahren, wofür sie ihrer Mutter auch dankbar war. Faith hatte schon vorher Trainer sein wollen, doch in Finera entschied jeder selbst, wann er losziehen wollte. Und Faiths Mutter war dagegen gewesen, dass ihre Tochter bereits mit zehn loszog - quasi noch als halbes Kind! Den Weg zum Labor von Professor Sage legte sie im Sprint zurück, es war allerdings auch nicht sonderlich weit und noch dazu gut ausgeschildert. In der Einfahrt kam ihr gerade ein kleiner Junge entgegen, der vergnügt ein Chelast in den Armen hielt. „Hey du, schau mal, Chelast ist ab jetzt mein Partner!“ „Schön für dich, Zwerg, und jetzt lass mich durch“, maulte Faith ungeduldig, drückte sich an dem Jungen vorbei und klingelte zweimal an der Haustür des Professors. „Professor Sage, sind Sie da?“ Gerade wollte sie anklopfen, da wurde die Tür geöffnet und ein Mann mittleren Alters runzelte die Stirn, als er sie sah. „Du bist Faith Loraire, nehme ich an?“ „Ja, und bevor sie irgendwas sagen: Es tut mir leid, dass ich zu spät bin. Ich habe heute Geburtstag und total verschlafen, dabei hatte ich gestern Abend extra den Wecker gestellt und ich-“ „Komm erstmal zu Atem, junge Dame. Abgesehen davon kannst du dir deine Erklärungen sparen. Das Pokémon, das ich für dich ausgesucht hatte, ist nun bereits vergeben. Vorhin war ein Mädchen hier, das mir zuverlässiger erschien für die Aufzucht eines Dratinis.“ „Ein Dratini? Sie meinen, ich hätte ein Dratini bekommen?“ Tränen traten in Faiths Augen, das war einfach nur ungerecht! Dabei war Dragonir unumstritten eines ihrer Lieblingspokémon. Es war grazil, elegant, wunderschön und lernte noch dazu starke Drachenattacken. „Oh Professor Sage, das ist nicht fair!“, jammerte sie schluchzend und der Mann seufzte, tätschelte ihr kurz die Schulter und nagte an seiner Unterlippe. Nach einer knappen Minute seufzte er erneut und bat Faith in sein Labor, das eine Tür weiter lag. „Da heute dein Geburtstag ist, will ich mal nicht so sein, meine Liebe. Aber sei dir sicher, dass das nur eine Ausnahme ist! Du warst unpünktlich, was von deiner Inkompetenz und Unzuverlässigkeit zeigt, liebste Faith!“ „Ich weiß…“ Ihre Tränen waren nun getrocknet, aber sie fühlte sich immer noch schlecht. Wenn sie heute kein tolles Pokémon bekam, würde es der schlimmste Tag ihres Lebens sein. Selbst der Zwerg von vorhin war mit seinem Chelast einfach nur glücklich gewesen und sie? Sie hatte sich wahrscheinlich die einzige Chance ihres Lebens, ein seltenes Dratini zu ergattern, verbockt. „Schwester Joy kümmert sich momentan um einige Pokémon aus dem Eichwald, die bei einem schlimmen Sturm letzte Woche verletzt worden waren. Einige dieser Pokémon sind jetzt gefangen und da sie noch kein so hohes Level haben, wäre es theoretisch möglich, sie an junge Trainer zu verteilen.“ „Oh, das ist wunderbar!“ Na endlich mal eine erfreuliche Nachricht! Dann stand ihrem Traum Champ zu werden ja nichts mehr im Wege. „Professor Sage, würden Sie mir ein solches Pokémon anvertrauen?“ Was könnten das nur für Pokémon sein? Vielleicht ein Bisasam oder Chelast, aber ein hübsches Papinella oder Smettbo wäre auch nicht schlecht. Oder sogar ein anmutiges Folipurba, eine Entwicklung des wandelbaren Evolis? „Und du bist dir sicher, dass du so ein Pokémon haben willst, Faith? Du bist unerfahren und dieses Pokémon ist in der Natur aufgewachsen.“ „Kein Problem, das kriege ich schon hin, Professor.“ Zuversichtlich nickte Faith ihm zu und der Mann seufzte schon wieder, griff dann zu einem Pokéball im Regal und drückte ihn Faith in die Hand. „Also gut, Faith. Das hier ist der Pokéball mit deinem neuen Partner. Aber ich möchte dich hier nicht aufkreuzen und jammern sehen, verstanden? Wenn du das Pokémon jetzt nimmst, musst du auch bei dieser Wahl bleiben, um zu lernen, dass man die Konsequenzen seines Handelns selbst auszubaden hat.“ Kurz zögerte sie, da man normalerweise aus drei Pokémon wählen durfte, doch schließlich war sie einverstanden und der Mann ließ sie von dannen ziehen. Draußen klopfte ihr Herz vor Aufregung wie wild und sie atmete dreimal tief durch, ehe sie auf den Knopf drückte und ihren neuen Partner entließ. Der helle Strahl formte allmählich ein kleines Pokémon – Smettbo schied schon mal aus, aber es war auch schon entwickelt – und nahm mehr und mehr Gestalt ein. „Super, mein neues Pokémon ist ein…!“ Hilfe, was sollte das denn? Nein, das durfte doch nicht wahr sein! „Hornliu!“[align=left][/align]
„Waah!“, stieß Faith erschrocken aus und wich einen guten Meter von dem kleinen Käferpokémon weg. Sie hätte ein Dratini bekommen und jetzt saß ein Hornliu vor ihr? Ein Hornliu?! Das Leben war wirklich ungerecht, aber sie hatte dem Professor versprochen, sich ab jetzt um das Pokémon in dem Ball zu kümmern, egal, was es nun sein würde. „Horn Hornliu!“ Der Käfer- und Gifttyp stellte sich auf und warf Faith einen vernichtenden Blick zu. Na wunderbar, der Kleine konnte sie scheinbar ebenso wenig leiden wie sie ihn. „Okay, Hornliu, ich bin Faith, deine neue Trainerin. Ich denke, wir werden schon irgendwie miteinander auskommen, nicht wahr?“ Doch ihr neuer Pokémonpartner wandte ihr lediglich den Rücken zu und begann, auf einen Baum zuzukriechen, auf dem ein fettes Taubsi in der Sonne döste. Ein kleiner Kämpfer also, aber Faith hatte jetzt keinen Nerv dafür, also zog sie Hornliu kurzerhand zurück in den Pokéball und machte sich niedergeschlagen zurück auf den Weg zu dem Ferienhaus. Ihre Mutter erwartete sie bereits in der Eingangstür und schlang die Arme um die Schultern ihrer Tochter. „Und, wie ist es gelaufen?“ Das war zu viel für Faith und sie brach in Tränen aus, schlang die Arme um die Taille ihrer Mutter und weinte hemmungslos. „Das ist so gemein! Ich hätte ein Dratini bekommen, aber weil ich zu spät war, habe ich nun ein Hornliu am Hals und ich habe dem Professor versprochen, mich nicht darüber zu beschweren! Ein Hornliu! Wie konnte er mir das nur antun? Käferpokémon sind doch schwach, damit werde ich niemals ein Pokémonchampion werden können!“ Die Blauhaarige riss sich los, drückte ihrer Mutter den Pokéball in die Hand und stürmte in die Küche, wo sie sich an den Küchentisch setzte und das Gesicht in ihre Hände stützte. Unter lauten Schluchzern betrachtete sie zwischen den Fingern hindurch die Ordenbox, die ihre Eltern ihr geschenkt hatten, aber es warteten auch noch andere Geschenke auf sie, an denen sie sich schließlich zu schaffen machte. Langsam trat ihre Mutter hinter ihr in den Raum und legte den Pokéball neben Faith auf den Tisch. „Faith, ich kann verstehen, dass du wütend auf dich bist und enttäuscht von deinem Pokémon, aber der Professor wird es dir sicherlich nicht ohne Grund gegeben haben.“ „Ja, er wollte mich schikanieren!“, fauchte sie zurück und betrachtete eine Karte der Region, die nun sauber zusammengefaltet und ganz neu in ihrer Hand lag. „Nein, er weiß, dass du dich gut um Hornliu kümmern wirst. So lange du deinem Pokémon aber diese Abneigung entgegenbringst, werdet ihr niemals ein gutes Team werden. Sieh es doch als eine Herausforderung, Liebes. Wenn du Champion werden möchtest, wirst du noch viele Herausforderungen in deinem Leben haben. Hornliu ist vielleicht nicht der stärkste Starter, den man bekommen kann, aber es entwickelt sich früh weiter zu Kokuna und Bibor und Bibor sind Pokémon, die sich sehr verbissen um ihre Angelegenheiten kümmern können. Sicherlich ist dein Hornliu ein kleiner Kämpfer und würde sein Bestes geben, um an deiner Seite zu stehen und dich stolz zu machen. Du musst ihm nur eine Chance geben.“ Lächelnd drückte die Mutter Faiths Schulter, dann stand sie auf und räumte den Geburtstagskuchen zur Seite, damit Faith mehr Platz für das ganze Geschenkpapier hat. „Komm erstmal zur Ruhe und dann beschäftige dich mit Hornliu. Ich bin sicher, ihr werdet ein gutes Team.“ „Du hast leicht reden, Plaudagei und ihr ward doch von Anfang an auf einer Wellenlänge. Außerdem ist Plaudagei kein schwaches Pokémon.“ „Das ist Hornliu auch nicht, Liebes. Es kommt darauf an, was du aus ihm machst.“ Faith nickte und seufzte leicht, betrachtete dann ihre Geschenke: Eine Ordenbox, die Karte der Region Finera, ein Satz Pokébälle, ein paar neue Sachen zum Anziehen und ein Pokédex, den ihr Vater ihr zugeschickt hatte. „Vielleicht hast du Recht. Danke.“ Sie stand auf, nahm Hornlius Pokéball und verließ das Haus in den Garten, wo sie sich auf eine Hollywoodschaukel setzte und in den Himmel schaute. Über ihr zogen ein paar Schwalbinis hektisch ihre Runden, weiter oben kreiste ein Tauboga majestätisch über Waldhausen. Dann glitt ihr Blick weiter zum Snobilikat des Nachbarn. Ihre Mutter hatte früher auch ein Snobilikat besessen, als sie noch Trainerin war, doch jetzt waren von ihren Pokémon nur noch ihr Starter Plaudagei und Arkani übrig geblieben, das bei ihnen zu Hause wachte. Faith war als kleines Kind immer so fasziniert von den Geschichten ihrer Mutter gewesen, als diese durch Finera gereist war und die Orden erkämpfte, bis sie ihren Vater traf und die beiden sich verliebten und heirateten. Weiter als bis zum 6. Orden war ihre Mutter damals nicht gekommen, aber Faith hatte sich immer vorgenommen, eines Tages Champ zu sein. Wenn sie dieses Ziel erreichen wollte, musste sie sich mit ihrem Hornliu arrangieren. „Also gut.“ Die junge Trainerin atmete tief durch und entließ erneut ihren Starter, der sie mit einem eingeschnappten „Liu!“ begrüßte und sie forsch anstarrte. „Ich weiß, dass das vorhin nicht sehr nett von mir war, Hornliu. Dafür wollte ich mich bei dir entschuldigen, okay? Ich bin hier nach Waldhausen gekommen, um mir zwischen drei Pokémon meinen Starter auszusuchen, doch es war meine Schuld, dass ich diese Chance verbockt habe und dich noch bekommen habe. Aber du sollst nicht unter meinen Fehlern zu leiden haben. Also, was ist, gibst du mir noch eine Chance? Denkst du, wir könnten doch noch ein Team werden?“ Der Wurm schaute sie eindringlich an und man konnte deutlich erkennen, wie Hornliu darüber nachdachte. Doch schließlich kroch es auf Faith zu und an ihrem Bein hoch, stellte sich vor ihr auf und nickte dann leicht. „Hornliu! Liu!“ Es war bereit, ihr noch eine Chance zu geben. „Danke, Hornliu.“ Erleichtert nahm sie ihr Pokémon in den Arm und setzte es sich dann auf die Schulter. Sie war wirklich froh, dass ihre Mutter sie immer so gut verstand und ihr mit dieser Moralpredigt den Kopf gewaschen hatte. „Das heißt, wir sind ab jetzt Partner.“ „Es freut mich, dass ihr euch doch noch gegenseitig eine Chance gebt.“ Ihre Mutter strahlte sie von der Gartentür aus an und brachte den beiden jeweils ein Stück Kuchen auf einem weißen Porzellanteller. „Und ich dachte mir, dass ihr beide hungrig seid. Lasst es euch schmecken. Hornliu, du gehörst ab jetzt zur Familie.“ „Hoo~rn“, meinte das Käferpokémon mit glasigen Augen, krabbelte von Faiths Schulter auf ihren Schoß und begann, den Kuchen zu essen. „Denkst du, dass ich heute noch losziehen sollte, Mom?“, fragte Faith mit vollem Mund und ihre Mutter legte daraufhin die Stirn in Falten. „Ja, ich denke schon. Du freust dich doch schon seit Wochen darauf. Deine Sachen sind gepackt, du bist bereit. Aber sei bitte vorsichtig, wenn du durch den Eichwald gehst, in Ordnung? Ich will nicht hören, dass du gleich zu Anfang deiner Reise schon in Schwierigkeiten gerätst. Und übertreib es nicht mit den Pokémonkämpfen, Hornliu ist noch jung.“ „Ja, Mom, ich weiß.“ Leicht genervt rollte sie die Augen, doch dann umarmten sich Mutter und Tochter. „Nach dem Mittagessen breche ich auf. Ich bin schon richtig aufgeregt. Hornliu, du kommst aus dem Eichwald, nicht wahr?“ „Liu liu.“ Es nickte und Faith lächelte ihren Partner an. Anschließend packte sie ihre Geburtstagsgeschenke noch in ihren Rucksack, aß zu Mittag und machte sich nach einem tränenreichen Abschied auf den Weg aus der Stadt raus in Richtung Eichwald.[align=left][/align][align=left][/align]
Da stand er vor ihnen, der Eichwald: groß, waldig und… grün. Hornliu und Faith starrten beide einen Moment auf den Weg, dann seufzte die Trainerin und der Wurm rollte sich auf ihrer Schulter ein. „Das wird sicherlich langweilig, der Eichwald ist zwar recht groß, aber ungefährlich und wenn wir auf dem Weg bleiben, dürften wir uns auch nur eine Übernachtung einhandeln. Meinst du, es gibt dort Geistpokémon, die uns nachts erschrecken kommen?“ Hornliu hob kurz den Kopf, dann schüttelte es diesen und döste weiter mit geschlossenen Augen auf der Schulter seiner Trainerin. „Ach stimmt, du kommst ja aus dem Wald, dann musst du es ja wissen. Schade eigentlich, so ein Gengar oder Zwirrklop wäre sicherlich lustig gewesen.“ Doch wenn Faith genauer darüber nachdachte, war es eigentlich nur logisch, dass sie keinem entwickelten Geistpokémon über den Weg lief, da musste sie warten, bis sie eines Tages den Finsterwald durchqueren mussten.
Die beiden waren gerade eine gute Stunde gelaufen, da wachte Hornliu von dem genervten Stöhnen seiner Trainerin auf und warf ihr ein Kopfschütteln entgegen. Wie ungeduldig sie doch war… „Oh Mann, ich habe keine Lust mehr. Immer nur ist hier alles grün, grün, grün. An den Bäumen hängen Safcon, Kokuna, Panekon und Schaloko, in den Baumkronen ein paar Samurzel und Webarak und das war es jetzt? Ich hatte mir das etwas aufregender vorgestellt! Hornliu, sollen wir uns nicht einen Gegner für einen kleinen Kampf suchen?“ „Liu~“, machte das Startpokémon von Faith und war auf der einen Seite natürlich gleich Feuer und Flamme, doch auf der anderen Seite war es nicht ganz so vorschnell wie Faith und wollte den Kampf lieber auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. „Auch egal, welche Attacken kannst du eigentlich?“ Eher keine ernst gemeinte Frage, denn die Blauhaarige kramte bereits ihren roten Pokédex hervor und scannte Hornlius Daten, die auch die erlernten Attacken beinhalteten. „Fadenschuss und Giftstachel, das klingt nicht schlecht, aber mehr lernst du auch vor deiner Entwicklung nicht mehr. Trotzdem, ich mag Giftstachel, das kann andere Pokémon im Kampf vergiften und sie dadurch anfälliger für einen Pokéball machen, was meinst du? So ein schmuckes, drahtiges, sportliches Schwalbini würde sich doch gut in unserem Team machen?“ Hornliu warf ihr einen skeptischen Blick zu, doch sie plapperte bereits einfach weiter. „Aber oh, ich vergaß, du bist ja im Typennachteil. Da dürften wir nicht zulassen, dass es dich mit einer Flugattacke trifft, und da du nicht so schnell ausweichen kannst… Ach, lassen wir das. Wir werden schon noch einen Gegner für dich finden.“ Faith plapperte so vergnügt wie ein Wasserfall vor sich hin, dass sie kaum bemerkte, dass nun etwa fünfzig Meter vor ihnen ein anderer Mensch lief und an der Seite des Mädchens ein Pokémon. Überrascht blieb Faith stehen und auch das andere Mädchen drehte sich zu ihnen um und wartete, bis Faith in einen schnellen Schritt verfiel und zu ihr aufschloss. „G-guten Tag“, machte Faiths Gegenüber und blickte sie schüchtern an, aber Faith war so von dem Pokémon des lavendelhaarigen Mädchens fasziniert, dass sie die Begrüßung überging. „Ist das ein Evoli?“ Total begeistert hockte Faith sich vor das braune Pokémon, sodass Hornliu sich nur noch mit dem Maul an seiner Trainerin festhalten konnte. „Wow, es sieht so niedlich aus, hast du schon einmal mit ihm gekämpft?“ „N-nein, habe ich nicht, aber ich-“ „Nicht? Hast du Lust auf einen Pokémonkampf? Dein Evoli gegen mein Hornliu? Übrigens, ich bin Faith Loraire, freut mich, dich kennen zu lernen!“ Freudestrahlend hopste Faith wieder hoch in den Stand. „Was? Eh, ja, hallo, ich bin Mireillia Dawnington, a-aber du kannst mich Mira nennen…“ „Mira? Freut mich. Also, kämpfen wir?“ Evoli schaute verwirrt zwischen Faith und Mira hin und her, stellte sich dann mutig vor seine Trainerin und drückte die Brust raus, doch Mira schüttelte vehement mit dem Kopf und nahm Evoli auf den Arm. „Nein, auf keinen Fall. I-ich möchte nicht, dass Evoli sich verletzt. Ich möchte überhaupt nicht kämpfen, vor allem jetzt noch nicht, wo ich Evoli erst seit ein paar Stunden kenne…“ „Oh, Evoli ist dein Startpokémon, richtig? Dann hast du es auch heute erst bekommen? Wunderbar, dann reisen wir sicherlich in dieselbe Richtung? Nach Eichwald City, um dort in der Arena zu kämpfen?“ Mireillia senkte den Blick und ihre Wangen nahmen einen zartrosé Ton an. „N-nein… Also ja, Eichwald City schon, aber ich will nicht in den Arenen kämpfen, das traue ich mir gar nicht zu, ich bin eine Niete in so etwas, glaube mir. Ich bin nicht für Kämpfe geschaffen, weil ich nicht möchte, dass meine Pokémon sich verletzen…“ „Oh…“ Faith legte den Kopf schief, zuckte dann mit den Schultern und setzte ein viel weicheres Lächeln auf, als sie neben Mira weiterlief. „Das ist doch okay, ich würde auch nicht wollen, dass Hornliu sich ernsthaft verletzt, aber wir sind beide Kämpfertypen und ich freue mich schon auf den ersten Arenakampf. Reist du dann nur so durch Finera?“ „Nein, ich… Ich wollte, also eigentlich, ehm…“ „Hm?“ Erneut lief Mira an, diesmal jedoch puterrot und man spürte fast die Wärme eines Tomatengewächshauses neben sich herlaufen. „Ich dachte mir, dass ich, also ehm, dass ich vielleicht probiere, an den Koordinatorenwettkämpfen teilzunehmen“, brachte sie mit piepsiger Stimme hervor und senkte den Blick soweit, dass er an ihren Schuhspitzen zu kleben schien. „Eine Koordinatorin also, was? Cool, ehrlich. Dann ist Eichwald City also für uns beide die erste Anlaufstelle, was? Dort ist meine erste Arena und für dich geht es dann weiter nach Lapidia, die nächste Stadt danach?“ Mira nickte schüchtern und hatte sich wieder etwas beruhigt, lächelte Faith dann freundlich an. „Ja, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffe…“ „Ach was.“ Faith klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter und blickte zu einem Skaraborn, das an einem Baum kletterte, um Waldhonig der Wadribie aufzuschnappen. „Wenn du vorher mit Evoli trainierst, dann schaffst du das bestimmt. Du bist zwar schüchtern, aber nicht unsympathisch.“ Kurz zwinkerte sie Mira zu, dann redete sie weiter. „Ich denke, du kannst das schaffen.“ „M-meinst du wirklich, Faith?“ Miras Augen glänzten leicht und Evoli sprang von ihrem Arm auf den Boden und nickte zusammen mit Faith bekräftigend. „A-also gut, dann werde ich es wohl versuchen… Danke, Faith, für die aufbauenden Worte.“ „Ach, ist doch selbstverständlich“, erwiderte diese grinsend und tätschelte dabei Hornlius Kopf. „Aber sag mal, wenn wir sowieso schon beide den gleichen Weg vor uns haben, sollen wir dann zusammen reisen? Ich bin dich nämlich echt nett und in Gesellschaft ist es doch gleich viel lustiger.“ Einen Moment herrschte Schweigen zwischen den beiden Trainerinnen und ihren Pokémon, nur der verfrühte Ruf eines aufgeschreckten Hoothoots hallte von weiter weg durch den Wald, ehe Mireillia das Schweigen brach und antwortete. „Gut, in Ordnung. Lass uns zusammen reisen, Faith.“ „Super!“, jubelte die Türkishaarige und klatschte einmal vergnügt in die Hände, da entdeckte sie auf einem Ast nahe einer Lichtung ein Taubsi in der Sonne dösen. Sofort hielt sie Mira an und deutete mit einem Finger zu dem Taubsi. „Ich werde versuchen, mir dieses Taubsi zu fangen“, verkündete sie im Flüsterton und Hornliu krabbelte augenblicklich mit einer wilden Entschlossenheit im Blick von ihrer Schulter. „Bist du dir sicher?“ Mira wirkte besorgt. „Taubsi hat den Typenvorteil.“ „Und so lange es noch keine Flugattacken kann, können wir es mit Giftstachel vom Himmel holen“, unterbrach Faith ihre neue Freundin und nickte Hornliu zu, dann traten die beiden auf leisen Sohlen zu dem Baum heran. „Faith!“ Mira sah sie bittend an, seufzte dann und verschränkte die Arme vor dem Körper, während ihr Evoli neben ihr auf dem Boden Platz nahm, um dem Kampf zuzuschauen. „Wenn du das schaffst, hast du mehr Glück als Verstand“, nuschelte sie leise, doch Faith streckte ihr spielerisch die Zunge raus und blickte dann nach oben, wo Taubsi sie bereits bemerkt hatte und die Augen misstrauisch auf Hornliu richtete. „Also gut, Hornliu, fackele nicht lange rum und hau es mit einem Fadenschuss vom Ast!“ Das Käferpokémon gehorchte und schoss eine Ladung der klebrigen Fäden auf das Flugpokémon. Faiths erster Pokémonkampf begann.
Der Fadenschuss verfehlte den Ast um keinen Millimeter, aber Taubsi schwang sich im selben Moment in die Luft, sodass Hornliu nur noch seine Krallen erwischte. Hornliu schnaubte und setzte mit einer zweiten Ladung Fadenschuss hinterher, doch diesmal war Taubsi vorbereitete und tauchte darunter hinweg. „Hornliu, du musst es mit Giftstachel auf Abstand halten!“ Faith wusste, dass Taubsi viel schneller agieren konnte als ihr kleines Startpokémon, und deshalb war es sehr wichtig, dass Taubsi nicht zu nah heran kommen durfte. Das Flugpokémon konterte mit einem Sandwirbel und schlug die Giftstachel auf diese Weise aus der Bahn und nahm Hornliu zudem noch ein wenig der Genauigkeit. Faith biss sich auf die Unterlippe und warf einen kurzen Blick zu Mira und ihrem Evoli, das mit zuckenden Ohren neben seiner Trainerin auf dem Waldboden lag. „Nicht aufgeben, noch mal Fadenschuss! Verkleb seine Flügel!“ Taubsi gurrte, als würde es Faith auslachen wollen, als Hornliu den lächerlichen Versuch startete, die Flügel des Vogelpokémons zu verkleben. Taubsi wich aus, indem es sich wie ein Stein zu Boden fallen ließ, doch Hornliu dachte mit und setzte eine Salve Giftstachel nach, die Taubsi direkt in die Brust trafen. Es wurde vergiftet und begann, diesen Kampf jetzt ernst zu nehmen. Mit einem Tackle rammte es Hornliu und das Käferpokémon schlitterte über den Boden, als würde es auf einer Eisschicht stehen. „Gut so, weiter mit Fadenschuss!“ Hornliu nutzte den Moment aus, in dem Taubsi so nah war, und spuckte es mit Fadenschuss voll. Taubsi krächzte erstickt und empört, schlug mit den verklebten Flügeln und hielt sich mehr wie eine betrunkene Trottellumme in der Luft. „Ich glaube es nicht…“, murmelte Mira kopfschüttelnd. „Los, du kannst es schaffen, Faith!“ Durch die Anfeuerungen ihrer schüchternen Mitreisenden angetrieben zückte Faith schon einmal einen leeren Pokéball und ließ ihn groß werden. „Wenn es gleich wieder angreift, kontere mit Giftstachel!“ Hornliu konnte nur diese beiden Attacken, aber es war ein Kämpfer und überstand auch noch den nächsten Tackle von Taubsi. Kaum war es getroffen, spuckte es Giftstachel auf Taubsi und brachte es zum Absturz. Es litt unter der Vergiftung und Faith warf den Pokéball auf das Vogelpokémon. Die nächsten Sekunden warteten vier Augenpaare wie gebannt, bis das Wackeln und Blinken des Pokéballs verschwand und er ruhig liegen blieb. Nach ein paar weiteren Sekunden sprang Faith jauchzend in die Luft, rannte zu Hornliu und hob den Pokéball auf. „Ich habe ein Taubsi gefangen, Mira!“ Doch das war noch nicht alles, denn im selben Augenblick begann Hornliu zu strahlen. Es wuchs an Faiths Seite, wurde größer, bekam einen Panzer und entwickelte sich zu Kokuna weiter. Mit offenem Mund kam Mira zu den beiden und Evoli stupste Kokuna mit der Schnauze an. „E-es hat sich entwickelt!“ Mira war sichtlich beeindruckt und Faith umarmte erst sie und dann ihr Kokuna. „Kokuna, du hast toll gekämpft.“ „Ko! Kuna!“ Stolz gönnte die Trainerin ihrem Pokémon eine Pause und zog es in den Pokéball zurück, der ganz vorne an ihrem Gürtel vor Taubsis hing. „Das war der Wahnsinn! Ich hätte nicht gedacht, dass es so leicht ist, wilde Pokémon zu fangen.“ „Du hattest vermutlich nur Glück“, erwiderte Mireillia schüchtern, lächelte ihrer neuen Freundin aber zu.
Bis zur Abenddämmerung wanderten sie beiden Mädchen weiter, dann schlugen sie ihr Nachtlager auf und übernachteten jede in ihrem Zelt. Faith war wirklich glücklich, dass sie Kokuna hatte, auch wenn sie Hornliu am Anfang nicht gewollt hatte. Bereits am ersten Tag hatte sich ihr Startpokémon entwickelt, was wahrscheinlich daran lag, dass es aus der Wildnis kam und dort schon ein paar Kämpfe hinter sich gebracht hatte. Am nächsten Morgen brachen sie frühzeitig nach einem schnellen Frühstück bestehend aus Pfannkuchen aus der Dose auf, aßen aber, während sie den Eichwald verließen, noch jeder einen Apfel. „Wir müssten jetzt bald nach Eichwald City kommen“, meinte Faith, als die letzten Baumreihen hinter ihnen lagen und der Schrei eines Habitaks im Wald verklang. „Dann kann ich Taubsi und Kokuna zu Schwester Joy bringen, damit sie die beiden durchcheckt.“ „Ja, das ist eine gute Idee. Nicht, dass Taubsi am Ende noch weiter vergiftet ist. Denkst du denn, dass du mit Taubsi klarkommen wirst?“ „Jop, wieso auch nicht?“ Faith nickte ihr zuversichtlich zu. „Am Anfang kam ich mit Hornliu auch nicht klar, aber jetzt habe ich schon ein Kokuna, dabei sind wir nur einen Tag unterwegs. Das wird bestimmt eine tolle Reise. Hast du schon darüber nachgedacht, zu was Evoli sich einmal entwickeln soll?“ „Hmm“, machte Mira und legte die Stirn in Falten. Evoli lief wie immer an ihrer Seite und schaute zu ihr auf, als sie nachdachte. „Noch nicht direkt, aber ich denke, dass das noch Zeit hat. Bis ich weitere Pokémon habe, meine ich. Dann kann ich schauen, welcher Elementtyp meinem Team noch fehlt.“ „Und wenn es sich entwickelt, weil es beispielsweise an einem Moosstein oder vereisten Stein kämpft? Dann kannst du das nicht beeinflussen.“ „Glaziola und Folipurba sind beide sehr schöne Pokémon. Also wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich wohl Glaziola oder Flamara wählen. Aber wie gesagt, das hat ja noch Zeit.“ Miras Wangen liefen rot an und Faith konnte sich in diesem Moment wirklich gut ein Flamara an ihrer Seite vorstellen. „Ja, da hast du wohl Recht.“ Nach etwa zwanzig Minuten erreichten sie das Ortsschild von Eichwald City und die beiden Trainerinnen bogen in eine hübsche Vorstadtstraße mit kleinen, weißen Häusern mit großen Gärten ein. Das Pokémoncenter lag am Ende der Straße, das Wetter war herrlich und so beschlossen sie, nachdem sie sich ein Zimmer im Pokémoncenter genommen hatten, die Stadt zu erkunden. „Ich habe im Reiseführer gelesen, dass Eichwald City eine Pokémonpension hat.“ Faith war sofort Feuer und Flamme. „Vielleicht kann man dort Pokémon kaufen? Oh, ich hätte gerne ein Dratini…“ „Du spinnst.“ Mira lachte auf und knuffte Faith in den Arm. „Aber sie verkaufen dort Pokémoneier. Wäre das etwas für dich? Ein Pokémonei?“ „Nein.“ Faith schüttelte den Kopf und winkte ab. In diesem Moment kam Schwester Joy mit ihren Pokébällen zurück und gab Faith bescheid, dass mit ihren Pokémon alles in Ordnung war. „Ist nicht so mein Ding, kleine Pokémon aufzuziehen.“ „Oh, sprecht ihr beiden gerade von der Pension?“, fragte Schwester Joy nach und lächelte milde. „Dort gibt es heute und morgen eine Tombola. Ihr solltet hingehen, vielleicht gewinnt ihr etwas Schönes.“ „Vielen Dank für den Tipp, Schwester Joy. Also los, Mira, gehen wir!“ „Faith, musst du immer alles überstürzen?“ Mira blickte ihr verzweifelt nach, seufzte dann jedoch ergeben und folgte ihrer Freundin aus dem Pokémoncenter hinaus. „Also gut, gehen wir.“ Die Pension lag nur ein paar Straßenzüge weiter und sie erkannten, dass ganz Eichwald City diesen Vorstadt-Charme hatte. Die Leute achteten darauf, dass ihre Grundstücke sauber und ordentlich aussahen, sie verbrachten viel Zeit im Garten. Zum Geburtstag der Pension veranstaltete der Besitzer dort eine große Tombola für alle Besucher, bei der man viele interessante Dinge gewinnen konnte: Pokémonaccessoires, Merchandising, Pokémoneier und sogar Überraschungspokémon. Faith und Mira zogen jeweils ein Los am Eingang und gaben es dann ab, nachdem sie eine Führung mitgemacht hatten. Faith zog eine enttäuschte Mine, als sie erfuhr, dass ihr Los eine Niete war, doch Mira gewann eines der Überraschungspokémon. „Ich bin so aufgeregt!“, stieß Mira aus und drückte, als sie draußen auf der Straße standen, den Knopf des Pokéballs. Der rötliche Strahl schoss auf die Straße und aus ihm formte sich ein Pokémon, Miras neues Teammitglied, das ihnen zur Begrüßung eine Glutattacke entgegenschleuderte. „Hun! Hunduster!“[align=left][/align]
Es war mittlerweile Abend geworden und Faith und Mira saßen völlig erschöpft im Foyer des Pokémoncenters. Schwester Joy brachte ihnen eine Porzellankanne mit heißem, dampfendem Kakao, da die beiden Mädchen lange gebraucht hatten, um Miras Hunduster wieder einzufangen. Das Pokémon hatte sich als sehr wild entpuppt und schien seiner neuen Trainerin überhaupt nicht gehorchen zu wollen. Stattdessen war es einfach davongelaufen, bis es am späten Nachmittag doch noch angefangen hatte zu regnen. Seit dem liefen die beiden Jungtrainerinnen klitschnass durch Eichwald City und hatten Hunduster völlig erschöpft und durchnässt am Waldrand gefunden und eingefangen. „Ich bin eine miserable Trainerin!“, begann Mira zu jammern und erntete ein tröstendes Schnurren ihres Starters Evoli. „Ich konnte Hunduster nicht einmal aufhalten. Es hört partout nicht auf mich…“ Unvermittelt traten auch Tränen in Miras Augenwinkel – nicht das erste Mal an diesem Tag. „Mach dir bitte keinen Kopf deswegen. Du kriegst das schon hin, ihr zwei habt einfach einen unglücklichen Start. Sieh dir Kokuna und mich an, wir zwei sind auch ein Team, obwohl wir uns anfangs nicht leiden konnten.“ „Kokuna!“, stimmte das Pokémon zu und lehnte sich ein wenig mehr gegen Faith, auf deren Schoß es thronte. „Sieh es als Herausforderung, Mira. Wenn du Hunduster erst einmal dazu gebracht hast, dass es dich akzeptiert, kann es dir ein sehr starker Partner werden. Damit wärst du bei deinem ersten Wettbewerb in Lapidia super dran!“ Faiths Augen glühten bereits vor Feuereifer, auch sie wollte endlich in der ersten Arena kämpfen und den Orden in der Hand halten. „Ja, wenn!“, entgegnete Mireillia jedoch schluchzend und vergrub sich mit Krokodilstränen in Evolis Fell. „Evo…“ Das Evoli rieb tröstend seinen Kopf an Miras und versuchte sie aufzumuntern. Gerade wollte Faith noch ein paar Worte hinzufügen, da klopfte ihr jemand auf die Schulter und sie fuhr erschrocken herum. Ein Junge in ihrem Alter grinste sie an, auf seiner Schulter hatte ein stattliches Exemplar von einem Smettbo seinen Platz gefunden und schlug sachte mit seinen prachtvollen Flügeln. „Du bist auch am Labor von Professor Sage gewesen, ich habe dich gesehen. Ich bin Joel Light. Das dort hinten ist Trixi, meine Zwillingsschwester.“ Faith folgte dem Blick des Jungen und blieb an einem Mädchen hängen, das ebenso wie Joel braune Haare und braune Augen mit einem anderen Farbeinschlag im Licht hatte. Trixis Augen fixierten sie mit einem purpurnen Schimmer, während Joels Augen wirkten, als würde flüssiges Gold unter der braunen Schicht schwimmen. „Aha.“ Faith musterte die beiden ein wenig argwöhnisch, erinnerte sich dann jedoch an ihre guten Manieren und setzte ein freundliches Lächeln auf. „Ich bin Faith Loraire. Und ich war im Labor, da hast du Recht. Kokuna hier ist mein Starter, es hat sich bereits bei unserem ersten Kampf entwickelt.“ „So?“ Joels Grinsen wurde schmaler und seine Augen sprühten von demselben Kampfgeist, den auch Faith in sich trug. „Was hältst du dann von einem kleinen Kampf draußen auf dem Außenplatz des Pokémoncenters?“ „Jetzt, im Regen?“ Der Gedanke, noch einmal hinaus zu müssen, missfiel der jungen Trainerin eindeutig, doch wenigstens fand Mira das Gespräch so interessant, dass sie nicht mehr weinte, sondern still dem fremden Jungen lauschte. Joel lachte auf und auch Trixi fuhr sich sichtlich amüsiert durch die Haare. „Der Platz ist überdacht. Wir werden nicht nass. Also, was sagst du? Wenn sich dein Hornliu schon zu Kokuna entwickelt hat, muss es stark sein. Genau die richtige Herausforderung für mich.“ „Weil dein Raupy schon zu einem Smettbo geworden ist?“ „Smettbo?“ Der Schmetterling horchte auf, als Joel seinen Namen nannte, doch dann schüttelte der Junge den Kopf und seine Stimme wirkte eine Spur arroganter. „Smettbo ist nicht mein Starter. Ich habe es heute Vormittag im Eichwald gefangen, nachdem ich mit meinem Starter trainiert habe. Mein Smettbo ist das stärkste Pokémon, das ich finden konnte, deshalb war es gerade gut genug für mein Team. Ich werde der neue Champion werden.“ Diese Arroganz verursachte, dass Faiths Mine sich augenblicklich verfinsterte und auch Kokuna konnte diese Provokation nicht einfach auf sich sitzen lassen. Es wurde unruhig und warf seiner Trainerin kampflustige Blicke zu. „Also schön, Joel.“ Faith spuckte den Namen nahezu aus. „Ich nehme deine Herausforderung an, ganz gleich, was für ein Pokémon dein Starter auch sein wird. Du wirst nicht gegen mich gewinnen!“ „Exzellent.“ Joel schlug in die Hände und drehte sich zu Trixi um. „Dann lass uns sofort anfangen, ich warte nicht gerne sinnlos.“ „Prima, ich auch nicht“, giftete Faith zurück, schnappte sich Kokuna und folgte mit stampfenden Schritten ihrem neu erklärten Rivalen. Mira folgte ihr auf leisen Sohlen, Evoli wie immer an ihrer Seite. „Denkst du, dass das wirklich eine gute Idee ist? Sein Smettbo sieht sehr kräftig aus, dann wird sein Starter bestimmt einen Typenvorteil gehabt haben. Du hast mit Kokuna keine Chance.“ „Ich werde ihn in Grund und Boden stampfen“, presste Faith mit starrem Blick hervor und schwang die Tür zum Außenbereich auf, wo bereits Trixi und Joel auf sie warteten. „Also schön, fangen wir an. Kokuna, mach dich bereit!“ Kokuna stellte sich kampfbereit auf und konzentrierte sich. „Koku kokuna!“ Joel schien amüsiert zu sein und auch Trixi lächelte süffisant in sich hinein, spielte mit einer Haarsträhne und sah zu, wie ihr Bruder ein Sniebel entließ, das sich sofort mit einem scharfen „Snie!“ zum Kampf aufstellte. „Fangen wir an. Sniebel, Kratzer!“ Faith schluckte. Mehrmals. Ihre Aggressivität war verflogen und stattdessen erkannte sie einfach die Situation, wie sie war: Sniebel war stark, flink und Kokuna würde verlieren, was Joels Ego nur noch weiter aufbauschen würde. Sie hasste diesen Jungen bereits jetzt, doch konnte sie Kokuna einfach ins offene Messer laufen lassen? „Zöger nicht lange, benutz Giftstachel! Volle Breitseite!“ Der Regen prasselte auf Eichwald City nieder, als gäbe es kein Morgen. Giftstachel knallten auf scharfe Krallen und Sniebel steckte den Angriff weg wie nichts. Es ließ sich seine eingetretene Vergiftung nicht anmerken und führte den Kratzerangriff zu Ende. Kokuna wurde daraufhin über das Feld geschleudert und auf Joels Befehl hin setzte Sniebel mit einem Ruckzuckhieb nach. Es war ein Volltreffer und ein kurzer Kampf. Beide Trainer starrten auf das Feld. Joels Mine veränderte sich kaum, als er Sniebel zurück in den Pokéball zog und einen abwertenden Kommentar über Kokuna von sich gab. Er hatte mehr von diesem Kampf erwartet, hatte mehr von Faith und ihrem Kokuna erwartet und schlenderte nun mit Trixi an seiner Seite zurück ins Trockene. Mira kam vorsichtig zu Faith, die immer noch auf die Stelle starrte, an der ihr besiegtes Kokuna lag. „Faith…“ Mira legte vorsichtig die Hände auf die Schultern ihrer Freundin, doch Faith schüttelte sie ab und erst jetzt bemerkte Mira, dass Faith stumme Tränen weinte. Die junge Trainerin fühlte sich einfach nur elend. Ihre Wangen brannten ebenso wie ihre Augen, weil sie enttäuscht war – nicht von Kokuna, sondern von sich selbst und ihren Fertigkeiten als Trainerin. Sie hatte astrein versagt und sich noch dazu blamiert. Schweigend zog sie Kokuna zurück. Die Niederlage wog schwer und zog ihr Herz zusammen. „Lass mich“, brachte Faith stotternd hervor, trat einen Schritt zur Seite und begann einfach nur zu rennen, ehe sie merkte, was sie tat. Sie fühlte sich schwach und ihr Kopf glühte von den Kopfschmerzen, die sie bekommen hatte. Schon bald spürte sie keinen Unterschied mehr zwischen den Tränen in ihrem Gesicht und den Regentropfen, die sie bis auf die Knochen durchnässten. Ihr Schluchzen war verstummt, doch ihr Herz brannte noch immer vor Scham, als sie nicht mehr wusste, wohin sie gelaufen war. Plötzlich wurde ihr schwindelig, sie rutschte auf einer nassen Steintreppe aus, stürzte nach vorne und rechnete schon mit einem schlimmen Aufprall, als sie zwei starke Hände von hinten packten. Faith wurde durch die Luft gewirbelt und fand Halt in den starken Armen ihres Retters, der sie mit seinen Augen, die einen Funken Besorgnis offenbarten, zu durchbohren schien. Sie sah direkt in die eisblauen Augen, die sie in ihrem Leben nicht mehr vergessen sollte.
Mira sah mit geröteten Wangen zu dem großen Jungen mit den hellblonden Haaren, der gerade die Tür zu Miras und Faiths Zimmer schloss. „D-danke, dass du Faith z-zurückgebracht hast. I-ich bin Mira Dawnington, Faiths Reisebegleitung“, stotterte Mira schüchtern, da sie ihn nicht kannte. Ihr Blick senkte sich automatisch nach unten, woraufhin Evoli lediglich seufzte und sich neben Mira auf den Boden setzte. „Mhm“, machte der Fremde, strich sich durch die Haare und legte sich seine nasse Jacke über den Arm. „Itsuki Ito mein Name. Schwester Joy hat ihr Medizin gegeben. Sie hat Fieber.“ „D-das ist meine Schuld“, stammelte Mira weiter und trottete dem Jungen hinterher zurück ins Foyer, wo er sich einen eignen Zimmerschlüssel bei Schwester Joy abholte. „Ich konnte Hunduster nicht aufhalten, als es w-weggelaufen ist, d-deshalb sind wir den ganzen Nachmittag im Regen rumgelaufen und haben es gesucht.“ Itsuki blieb stehen, wandte sich zu Mira um und ließ den Blick seiner eisblauen Augen kühl über sie schweifen. „Warum ist es weggelaufen?“ Mira konnte dem Jungen nicht in die Augen sehen, stattdessen wurden ihre Wangen nur noch fleckiger und sie ließ sich in einen der breiten Clubsessel fallen. „W-weil ich es gewonnen habe. E-es kennt mich noch nicht, wahrscheinlich bin ich einfach keine gute Trainerin.“ „Wahrscheinlich“, entgegnete Itsuki und ließ eine verdatterte Mira, die es gewohnt war, bei solchen Bemerkungen von Faith aufgebaut zu werden, im Foyer zurück.
Die Sonnenstrahlen weckten Faith früh am Morgen auf. Sie hatte die ganze Nacht geschlafen, nachdem sie es gerade so bis zum Pokémoncenter zurück geschafft hatte. Die Begegnung mit dem Jungen, der sie hergebracht hatte, hatte jedoch Spuren bei ihr hinterlassen, denn sie wurde rot und wusste nicht, ob es vom Fieber kam oder dem Herzklopfen, das sich augenblicklich einstellte. Sofort mahnte sich die Trainerin zur Ruhe und band sich die offenen, türkisen Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen, ehe sie sich wackelig aus dem Bett erhob und zum Spiegel tapste. Noch immer trug sie ihre Kleidung von gestern und sie sah wirklich erschöpft aus. „Faith, du bist wach!“ Mira war ins Zimmer getreten, ohne dass Faith es bemerkt hatte. „Ich bin so froh, dass es dir wieder besser geht. Schwester Joy und ich haben uns schreckliche Sorgen um dich gemacht, weil du draußen im Regen warst. Du hast Fieber bekommen.“ „Ja, schon während des Pokémonkampfes gegen Joel.“ Faith rieb sich die Stirn, als die Erinnerungen an ihre Niederlage schmerzlich zurückkehrten, doch diesmal war sie darauf gefasst und konnte besser mit ihnen umgehen. „Irgendwann werde ich ihn besiegen. Ich werde verhindern, dass er Champ wird, denn ich werde früher oder später Champ sein.“ „Faith…“ Mira seufzte und setzte sich auf das Bett ihrer Freundin, Evoli wie immer an ihrer Seite. „Der Junge, der dich gestern zurückgebracht hat, will heute weiterreisen. Vielleicht solltest du dich noch bei ihm bedanken, dass er dir geholfen hat?“ Die Angesprochene murmelte ein Ja und kontrollierte mit dem Fieberthermometer ihre Temperatur. „Siebenunddreißig Grad, das ist zwar noch leicht erhöht, aber mir geht’s wieder gut.“ „Itsuki Ito, so heißt er.“ „Ich bin mal eben im Badezimmer, wird nicht lange dauern. Danke für die Medizin gestern Abend.“ „Er will wieder abreisen. Faith, hörst du nicht!“ Faith drehte sich um, fixierte Mira kurz mit ihren Augen und lächelte dann leicht. „Doch, ich komme gleich runter. Geh schon einmal vor.“ Ohne auf die Proteste ihrer Freundin zu hören machte sie sich auf den Weg ins Bad und nahm eine schnelle Dusche, ehe sie sich frische Sachen anzog und die von gestern in die Gästewaschmaschine des Pokémoncenters steckte. Als Faith zum Frühstück erschien, saß Mira bereits mit Itsuki an einem Tisch, wobei beide sich anschwiegen und ihren Toast aßen. „Guten Morgen. Du bist Itsuki, nicht wahr?“ Der Blonde nickte stumm und schluckte die letzte Ecke seines Toasts runter. „Falls du mir danken willst – schon in Ordnung.“ Ein wenig irritiert nickte Faith und warf Mira einen verwirrten Blick zu, doch auch sie konnte sich keinen Reim darauf machen und zuckte minimal mit den Schultern. „Okay, gut… Ich habe gehört, du musst weiterreisen?“ „Müssen nicht, aber ich war schon in Eichwald City und möchte einfach weiter. Es hält mich nicht zu lange an einem Ort.“ „Schön…“ Sie schmierte sich ein Croissant mit Himbeermarmelade und überlegte weiter, wie sie ein Gespräch in Gang bringen konnte. „Dann bist du ein Pokémontrainer, wenn du reist?“ „Ja.“ Seine kurz angebundene Art begann sie allmählich zu nerven, unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl herum und kaute verbissen. „Sammelst du Orden?“ „Ja. Ich habe zwei, falls das deine nächste Frage war.“ Itsukis eisblaue Augen fixierten Faith, doch sie wirkten nicht so distanziert, wie sie vermutet hätte. „Dann hast du schon in der Arena hier gekämpft? Cool, kannst du mir einen Tipp geben? Ich wollte den Leiter in den nächsten Tagen herausfordern.“ „Was für Pokémon hast du?“ „Kokuna und Taubsi“, berichtete Faith stolz, freute sich allerdings zu früh über ein laufendes Gespräch, denn Itsuki seufzte gelangweilt und gab ihr eine kurze Antwort, auf die nichts mehr folgte. „Dann hast du mit Taubsi gute Chancen gegen den Leiter, er setzt Käferpokémon ein.“ „Gut, danke… Das wusste ich aber auch schon. Du bist nicht gerade gesprächig oder?“ „Hm…“ Gerade wollte Faith etwas auf seine abweisende Art erwidern, da tauchte Schwester Joys rosa Helfer Chaneira auf und reichte Itsuki drei Pokébälle, die dieser wortlos an seinem Gürtel befestigte, ehe er aufstand. „Wie gesagt, ich muss weiter. Man sieht sich.“ „Warte mal!“ Faith hatte seinen Ärmel gepackt, ehe sie wusste, warum sie das eigentlich tat und wie sie jetzt weiter mit der Situation verfahren sollte. Ihre Wangen wurden eine kleine Nuance roter und sie lächelte entschuldigend, während sie den Ärmel seiner weißen Jacke losließ. „Bitte, warte noch kurz.“ Itsukis Augen ruhten auf Faith und nahmen jede ihrer Bewegungen stärker wahr, als es ihr lieb gewesen wäre. „Du bist schon die ganze Zeit so. Was willst du von mir? Ich sagte dir doch schon, dass du dich nicht mehr bei mir bedanken musst. Es ist okay.“ „Ja, darum geht es mir auch nicht. Also doch, eigentlich schon. Also…“ Faith atmete tief durch und ließ sich beiläufig zurück auf ihren Stuhl fallen. „Du hast den Orden der Arena hier doch bereits. Würdest du vielleicht mit mir trainieren? Ah, warte, du schaust schon so skeptisch. Bevor du mir antwortest, möchte ich, dass du weißt, dass ich stärker werden will. Ich möchte Champ werden, das ist mein Traum. Gestern hatte ich einen Kampf mit einem jungen Trainer, der mich gelinde gesagt in Grund und Boden gekämpft und total vorgeführt hat. Ich möchte stark werden. Stark für mein Team und dafür, dass ich ihn besiegen kann. Es ist mein Traum, Itsuki, und dafür möchte ich kämpfen. Würdest du mir dabei helfen?“ Die Augen des großgewachsenen Jungen hatten die Intensität eines Schneesturms draußen auf offener, salziger See. Man konnte nie wissen, was in ihm vor sich ging, denn er besaß den eiskalten Blick eines scharfen Stücks Kristall. Doch dieses Mal glaubte Faith einen Funken in ihnen zu erkennen, der von wahrer Leidenschaft zeugte. Itsuki fühlte sich an etwas erinnert, was er vor einiger Zeit selbst wollte: Für einen Traum kämpfen. Dieses Mädchen hatte durch ihre wasserfallartigen Worte etwas in ihm bewegt, was er verloren zu haben glaubte. Deshalb seufzte er und nur deshalb. „Also schön.“ „Das heißt, du nimmst an und trainierst mit mir?“ „Das habe ich nicht gesagt.“ „Das heißt?“ Faith zog die Augenbrauen hoch, Mira hielt gespannt den Atem an. „Heute Nachmittag, vierzehn Uhr, draußen auf dem Trainingsplatz.“ Noch während Itsuki aus dem Pokémoncenter schlenderte, fragte er sich, warum er diesem vorlauten Mädchen überhaupt helfen wollte. Er würde sie locker besiegen können und sie konnte sicherlich auch mit ihrer Freundin trainieren. Von daher gab es für ihn nur eine Erklärung, die sein rationaler Verstand zuließ: Er wollte sehen, wie sie sich als Trainerin machte. Es interessierte ihn. Nicht mehr und nicht weniger. Faith Loraire… Das könnte interessant werden.
Finera - Kapitel 7 - Der Junge mit den Augen aus Eis
Pünktlich um vierzehn Uhr standen sich Faith und Itsuki auf dem Trainingsplatz gegenüber. Der große Blonde war gerade erst von seinem Einkauf zurückgekehrt, die Tüten mit dem Pokémonfutter und den Knurspen und Pokériegeln aus dem Supermarkt standen neben seinem Rucksack, den er an die Wand gestellt hatte. „Du willst also gegen mich kämpfen, ja?“ „Wir haben von Training gesprochen, also ja. Ich bin bereit.“ Itsuki antwortete nicht darauf, denn sein Blick glitt zur Seite, als sich die gläserne Schiebetür öffnete und Joel und Trixi den Trainingsplatz betraten. Joel grinste, als er sah, wie die beiden sich gegenüberstanden. „Faith, du willst trainieren? Tu, was du nicht lassen kannst, aber ich werde dir dabei zusehen, ja? Ich möchte doch sehen, wie du verlierst.“ Faiths Wangen begannen augenblicklich wie Feuer zu brennen, sie ballte die Hände zu Fäusten und funkelte Joel so böse an, wie sie nur konnte. „Halt dich da raus, Joel! Verzieh dich! Mein Training geht dich nichts an!“ Oh ja, sie war richtig sauer auf ihn, weil er sie so vorgeführt hatte. Diese Arroganz sollte man ihm aus dem Gesicht wischen, doch Faith wusste, dass sie zumindest dazu momentan noch nicht in der Lage war. Deshalb brauchte sie das Training mit Itsuki. Da Joel keine Anstalten machte, sich zu bewegen, und Trixi ebenfalls nur die Arme vor dem Körper verschränkte, schaltete sich Itsuki ein. „Du hast gehört, was sie gesagt hat. Ich denke, es hat etwas mit Ehre zu tun, andere Trainer in Ruhe trainieren zu lassen, meinst du nicht auch, Joel?“ Der Braunhaarige starrte Itsukis Eisaugen entgegen, verlor dieses Duell jedoch und schnappte sich Trixi, mit der er sich anstandslos entfernte. „E-er ist richtig stark, selbst Joel kneift vor Itsuki den Schwanz ein“, murmelte Mira ihrer Freundin zu, Faith nickte schwach und entließ Taubsi und Kokuna aus ihren Pokébällen. Kokuna schaute sich sofort nach dem nächsten Gegner um, während Taubsi erst einmal gemächlich ein paar Runden flog und dann auf Faiths Schulter Platz nahm. „Also schön, jetzt haben wir unsere Ruhe und können anfangen.“ Itsuki nickte Faith zu, betrachtete ihre beiden Pokémon und ließ seine Hand einen Moment über seinen drei Pokébällen schweben, die nicht leer waren. Nach kurzem Zögern wählte er einen aus und entließ ein Schneppke aus dem Pokéball. „Schnepp schneppke.“ Das Eispokémon verbeugte sich höflich vor Faith und Mira, trat dann an Itsukis Seite und schaute seinen Trainer fragend an. Mira staunte nicht schlecht und Faith konnte ein „Wow, ein Schneppke!“ nicht unterdrücken. „Schneppke ist mein Startpokémon, ich habe es zu Hause in der Wildnis gefangen“, beantwortete Itsuki sachlich die Frage, die Faith so offensichtlich ins Gesicht stand. „Es ist momentan mein stärkstes Pokémon und gegen deine beiden im Vorteil, weshalb ich denke, dass es mit Kokuna und Taubsi trainieren sollte. Wir können ihre Verteidigung schulen, indem sie lernen, möglichst lange Schneppkes Eissturm zu widerstehen. Es wird aber ein sehr anstrengendes Training.“ „Alles klar. Kokuna, Taubsi, ihr habt ihn gehört. Ich möchte, dass ihr mit Schneppke trainiert.“ Es war nicht anders zu erwarten, dass Kokuna sich sofort kampfbereit machte und voller Elan ans Werk ging, während Taubsi zuerst die Lage einschätzte und sich dann doch zum Training bereit erklärte. Faith folgte Itsuki zu der Bank, auf der bereits Mira und Evoli saßen. „Mira, du solltest mit deinen Pokémon ebenfalls trainieren.“ Itsukis Worte kamen schneidend scharf, dabei sah er sie jedoch nicht einmal an, sondern betrachtete Evoli, das erst die Erlaubnis seiner Trainerin wollte. „Evo?“ „I-ich weiß nicht so recht, ich m-möchte nicht, d-dass sie sich verletzen…“ Mira bekam ein rotes Gesicht, als sie bemerkte, dass sich Itsuki neben sie setzte und sie von der Seite her anstarrte. „Du musst keine Angst vor mir haben, Mira. Ich bin jetzt kein Fremder mehr, wir haben sogar zusammen gefrühstückt.“ Sein Fixpunkt galt ganz ihr, dann räusperte er sich und zückte die zwei anderen Pokébälle. „Dein Evoli kann mit meinem trainieren und Hunduster sollte sich einmal richtig austoben, dafür ist Igelavar genau richtig.“ Die zwei Mädchen schauten gebannt zu, wie Itsuki sein Evoli und Igelavar aus den Bällen befreite und den beiden sofort die Anweisungen gab, die er auch Mira zuvor vorgetragen hatte. „Also, was ist? Mira?“ „J-ja…“ Sie nickte Evoli zu, das sofort von ihrem Schoß sprang und zu Itsukis Evoli lief, wenngleich Itsukis eine kleine Diva zu sein schien und augenblicklich den Ton angab. „Aber ich kann Hunduster nicht kontrollieren, ich… Ich weiß nicht, ob das gut geht.“ „Das wird es. Feuerpokémon sind oft temperamentvoll oder müssen sich einfach mal austoben. Du wirst sehen, dass Hunduster dich allmählich akzeptieren wird, wenn du akzeptierst, dass es ein wildes Wesen hat und seine Kämpfe braucht.“ „Na schön…“ Mira drückte aus den Knopf und aus der Ballkapsel formte der rote Strahl ihr Hunduster, das sofort eine Glutsalve auf den Boden spuckte und Igelavar fixierte, als spürte es bereits, wer hier sein Gegner war. Keine Sekunde später verfielen die beiden Feuerpokémon in einen harten Kampf, tobten und rannten über den Platz und schenkten sich nichts. Mira war etwas mulmig zu Mute und sie vergrub sich an Faiths Seite, die ihr beruhigend auf die Schulter tätschelte. „Du musst keine Angst haben. Hunduster und Evoli passiert schon nichts Schlimmes. Und Itsuki ist auch ganz nett, du musst nicht so schüchtern in seiner Gegenwart sein. Bei mir hast du es doch auch geschafft.“ „Mhm.“ Mira nickte und setzte sich wieder gerade hin, nahm ihren ganzen Mut zusammen und schenkte Itsuki ein Lächeln. „Dankeschön.“ Die eisblauen Augen ließen keine Antwort auf sein Seelenleben zu, doch Mira spürte, dass er innerlich ebenfalls lächelte. Sie senkte den Blick und ließ das Pochen ihres kleinen Herzens zu. Vielleicht hatte Faith recht und sie musste sich ihm einfach nur ein wenig mehr öffnen.
Das Training hatte genau das gebracht, was Itsuki ihnen prophezeit hatte. Hunduster konnte sich mit Igelavar richtig austoben und ließ sich bereitwillig, wenn auch mit einem dumpfen Knurren, in den Pokéball zurückziehen. Miras Evoli hatte von Itsukis die Attacke Heuler gelernt und Faiths Pokémon hatten jetzt bessere Möglichkeiten, mit Angriffen umzugehen, denn ihre Verteidigung war größer geworden. Zudem beherrschte Taubsi jetzt Windstoß, was ein großer Vorteil im kommenden Arenakampf sein würde. „Ich schätze, ich muss dich zum Abendessen einladen, hm?“ Faith grinste Itsuki an und boxte Mira leicht in die Seite. „Wir haben schon Abend und du bist nur wegen uns länger geblieben, also übernehme ich heute Abend deine Rechnung.“ „Schon okay, musst du nicht.“ Der Blonde gab seine Pokémon bei Schwester Joy ab, Mira und Faith taten es ihm gleich und so setzten die drei sich ins Foyer, um zu warten. „Nein, wirklich, wir könnten in die Pizzeria um die Ecke gehen. Ich möchte irgendwie bei dir revanchieren, Itsuki.“ „Hm…“ Er schwieg, wandte seinen Blick ab und fuhr sich durch die hellblonden Haare. Seine weiße Jacke hing über der Lehne seines Sessels und er dachte darüber nach. Schließlich nickte er jedoch und drehte sich wieder zu den beiden Mädchen um. „Also gut. Einverstanden, wenn du unbedingt willst.“ „Super!“ Faith klatschte in die Hände und sprang voller Tatendrang und knurrendem Magen auf. „Dann lasst uns sofort los. Unsere Pokémon brauchen noch einen Moment und so lange können wir dann eine schöne Pizza essen gehen. Ich denke, ich werde Thunfischpizza nehmen. Oder doch Margherita? Oder Gemüsepizza?“ Sie runzelte die Stirn und zählte noch einige weitere Sorten auf, als sie bereits die Eingangstür des Pokémoncenters aufdrückte. „Sie ist wirklich sehr… energiegeladen“, stellte Itsuki stirnrunzelnd fest, woraufhin Mira vorsichtig nickte. „Das ist sie wirklich.“ Ein flüchtiges, warmes Lächeln setzte sich auf ihren Lippen fest. Mit dem rechten Zeigefinger wickelte sie eine der lavendelfarbenen Haarsträhnen auf und ließ sie wieder fallen. „Du bist immer alleine unterwegs oder?“ „Ja, die meiste Zeit. Wieso fragst du?“ Mira bekam rote Wangen und beschleunigte ihren Schritt, um wieder zu Faith aufzuschließen. „Nur so. Du wirkst so, als würdest du nicht so häufig Gesellschaft haben. Ging mir auch so, bis Faith mich einfach mitgenommen hat.“ Itsuki antwortete darauf nicht, folgte schweigend den beiden Mädchen und dachte an sein Zuhause. So hoch oben auf dem Gipfel des Mount Ni hatte er nur selten Spielgefährten bei sich, meistens war er mit den Pokémon seiner Eltern oder Schwestern unterwegs, bis er Schneppke begegnete und dieses ihn begleiten wollte. Schneppke kannte ihn so gut wie niemand sonst auf dieser Welt, sie mussten nicht einmal miteinander reden, um sich zu verstehen. Aber vielleicht war jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem er neue Leute kennen lernen sollte. Vielleicht… Eine gewaltige Explosion riss die jungen Trainer aus ihren Gedanken. Glassplitter flogen durch die Luft und Mira kauerte sich ängstlich an Faiths Seite. An der Ecke der Pizzeria war ein Auto explodiert und brannte nun lichterloh. „Ein Anschlag!“, rief die Besitzerin der Pizzeria und stürmte hinaus auf die Straße. Ihre Haare flogen wirr hinter ihr her, die Schürze war noch voller Mehl. „Ein Anschlag von Team Dark!“
Es dauerte nicht lange, da war Officer Rocky bereits wieder abgezogen und hatte lediglich eine Absperrung rund um die Pizzeria zurückgelassen, die die Passanten daran hindern sollte, das Gelände des Betriebes zu betreten. „Ich fühle mich schrecklich bei dem Gedanken, dass wir nur knapp dem Anschlag entgangen sind“, piepste Mira schon zum wiederholten Male seit ihrer Rückkehr ins Pokémoncenter, rollte sich unter ihrer geblümten Bettdecke in Embryonalstellung zusammen und betrachtete Faith, die im Bett gegenüber auf dem Rücken lag und an die Decke starrte. „Wir hatten wohl Glück. Schade, dass die Pizza deswegen ausfallen musste, aber die Sojasnacks aus dem Imbiss zwei Straßen weiter waren auch sehr lecker.“ „Faith!“ Mira klang empört und rümpfte die Nase, während sie sich die Decke bis unters Kinn zog und ihre Nachttischlampe ausknipste. „Es geht mir nicht um das Essen, ich wäre auch mit dem Curryreis aus dem Pokémoncenter zufrieden gewesen. Ich frage mich eher, was Team Dark hier in Eichwald City suchen könnte. Die arme Frau von der Pizzeria, sie war total verstört und hat doch bestimmt nichts, was Team Dark interessieren könnte. Ich frage mich, wie lange es dauert, bis die Polizei sie endlich aufhalten kann. Sie zerstören so viel, stehlen Pokémon und niemand kann etwas von ihnen finden, außer bereits verlassene Labore…“ „Mira“, Faith seufzte und ihr Seufzer vermischte sich mit einem herzhaften Gähnen, als sie sich auf den Bauch drehte und ebenfalls ihr Nachtlicht ausknipste. „Du machst dir zu viele Gedanken. Zwar war da heute der Anschlag, aber damit haben wir doch nicht das Geringste am Hut.“ „Wenn du meinst…“ Mira grunzte noch einmal leise, dann drückte sie Evoli an sich, das neben ihr auf der Bettdecke lag und schon bald war nur noch die regelmäßige Atmung des Mädchens zu hören, dessen lavendelfarbenen Haare sich leise hoben und senkten. Faith schaute ihr eine Weile zu. Sie musste über Miras Worte nachdenken und wusste, dass sie ihre Freundin nur beruhigen wollte. Insgeheim fürchtete Faith sich davor, jemals mit Team Dark in Kontakt zu kommen, immerhin entführten sie Pokémon und Faith wüsste nicht, was sie ohne Kokuna oder Taubsi machen sollte. Sie waren in der kurzen Zeit bereits zu ihren geliebten Begleitern geworden – ebenso war ihr Mira ans Herz gewachsen. Schlussendlich schlief sie aber doch ein und versank in einem traumlosen Schlaf.
Am nächsten Morgen wusste so gut wie jeder in Eichwald City über das Attentat der Untergrundorganisation Bescheid und selbst in der morgendlichen Zeitung war ein Artikel auf der Titelseite zu sehen. Faith ließ sich nach einer ausgiebigen Dusche im Speisezimmer des Pokémoncenters nieder und winkte Mira zu, die kurz nach ihr ans Buffet trat und sich eine kalte Frühlingsrolle vom Vorabend mit etwas Cornflakes besorgte. Faith konnte über diese Essensgewohnheiten nur schmunzeln und widmete sich ihrem Blaubeerpfannkuchen. „Itsuki ist abgereist.“ Faith fiel ein Bissen aus dem Mund, als sie Miras Worte vernahm, und starrte ihre Freundin ungläubig an. „Was? Wieso? Aber… Das verstehe ich nicht. Warum?“ Mira zuckte mit den Schultern, gab Evoli ein Stück der Frühlingsrolle ab und schob sich den Rest mit einem großen Happs in den Mund. Erst, als sie fertig gekaut hatte, antwortete sie wieder. „Ich habe gerade kurz mit Schwester Joy gesprochen und sie meinte, es würde uns vielleicht interessieren, dass Itsuki bereits heute Morgen gegangen ist.“ Entrüstet schob die Türkishaarige ihren Teller von sich weg und verschränkte bockig die Arme vor der Brust. „Und warum hat er sich noch nicht einmal von uns verabschiedet? Erst trainiert er mit uns und dann verzieht er sich ohne ein Wort. Das ist unhöflich!“ „Schwester Joy meinte, dass er wohl noch einmal in der Umgebung trainieren möchte und die nächste Nacht vielleicht unter freiem Himmel verbringt. Er scheint wirklich kein Typ für große Gesellschaft zu sein. Wahrscheinlich haben wir ihn auch nur genervt…“ „Nein, sag so etwas nicht!“, fuhr Faith ihre Freundin sauer von der Seite an und schluckte den aufkeimenden Zorn mit einem großen Glas Orangensaft runter. „Ich weiß nicht, was sein Problem ist, aber ich dachte, wir könnten Freunde werden. So wie es aussieht, habe ich mich ja ziemlich in Itsuki getäuscht.“ Mira seufzte enttäuscht, trank die Milch ihrer Cornflakes leer und stellte die leere Schüssel zurück auf ihr Tablett. „Faith, ich denke einfach, dass er lieber alleine reisen möchte. Er ist doch immer sehr abweisend und kalt zu uns gewesen, wenn er nicht gerade deinem Training zugestimmt hat, aber davon hatte er im Endeffekt ja auch was. Hat er jemals zu erkennen gegeben, dass er uns mag oder mit uns reisen will?“ Sie zog die Augenbrauen hoch, machte aus ihrer Skepsis keinen Hehl und räumte auch das leere Geschirr von Faith auf ihr Tablett. „Nein, das hat er nicht. Du hast ja recht. Aber ich kann mich einfach nicht damit abfinden, dass er klammheimlich verschwunden ist.“ Missmutig drehte sie den Kopf zur Seite und schaute auf die Nachbartische. Auch von Joel und Trixi war nichts mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatte Joel bereits den Orden der Stadt gewonnen und war jetzt auf dem Weg nach Lapidia. „Ich gehe heute zur Arena“, beschloss Faith daher spontan und verwickelte sich sofort mit ihrer Sturheit in eine leidenschaftliche Kämpferaura. Sie wollte nicht diejenige sein, die zurückhing mit den Orden. „Du willst kämpfen? Heute? Denkst du wirklich, dass du dafür schon bereit bist?“ „Klar, wieso nicht? Kokuna ist ein Kämpfer, genau wie ich. Und Taubsi ist vom Typ her schon im Vorteil, jetzt mit seiner Windstoß-Attacke erst recht. Ich kann es schaffen und werde damit sowohl Joel als auch Itsuki zeigen, dass ich es auch alleine drauf habe.“ „Oh je, du bist so ein Sturkopf…“ Mira lächelte und hob Evoli auf den Arm, als auch Faith ihre Sachen wegbrachte und die beiden Mädchen den Speisesaal verließen. „Ich traue dir den Arenakampf ja auf jeden Fall zu, nur denke ich, dass du dich mehr an deine Pokémon gewöhnen solltest.“ „Ich habe mich an meine Pokémon gewöhnt“, erwiderte Faith giftig und im nächsten Moment tat ihr der Seitenhieb auf Miras Hunduster bereits unendlich leid. „Halt, warte, Mira, ich habe das nicht so gemeint. Tut mir leid…“ Entschuldigend legte Faith die Arme um ihre neue beste Freundin und drückte sie kurz an sich. Mira hatte die Tränen runtergeschluckt und nickte stumm. „Schon in Ordnung, im Grunde genommen sagst du sogar die Wahrheit. Hunduster und ich haben noch einen sehr langen Weg vor uns.“ „Evoli!“, mischte sich nun auch der Starter von Mira ein, rieb seinen Kopf an ihrem Bauch und schaute sie zuversichtlich an. „Also schön“, wechselte Mira schnell das Thema und lächelte sowohl Evoli als auch Faith an. „Haben wir nicht noch einen Arenakampf für heute auf dem Plan stehen?“ „Richtig, auf geht’s!“ Voller Enthusiasmus stolzierte Faith zuerst aus dem Pokémoncenter, gefolgt von ihrer Freundin, die dem Kampf noch immer skeptisch gegenüberstand. Der Weg führte sie zuerst in die Innenstadt von Eichwald City, vorbei an der Pizzeria und einem kleinen Kiosk. Hier reihten sich die süßen Vorstadthäuser mit den gepflegten Gärten nicht mehr die ganze Zeit aneinander, sondern wurden von alten, mehrstöckigen Fachwerkbauten abgelöst, die schließlich in moderne Bankgebäude und ein Hotel übergingen. Die Arena lag sehr zentral am Rande eines großen Parks, gegenüber von einem kreisrunden Brunnen, der das Muster eines Pokéballs besaß. „Wir sind da.“ Faith spürte, wie sich Vorfreude mit Aufregung mischte und erste Adrenalinstöße ihr Herz schneller schlagen ließen. „Komm, wir gehen rein.“ Ohne auf eine Antwort von Mira zu warten drückte Faith die schwere Eichentür zur Seite und betrat einen Vorraum, der aus jadegrünen Fliesen bestand. Hier und dort stand ein Blumenkübel mit Efeu und Rankengewächsen, ein grünhaariger Junge lehnte gegen einen Schreibtisch und drückte gerade den Telefonhörer zurück auf die Station. Als er Faith sah, glitt sein ziemlich gelangweilter Blick über seine Herausforderin, die er sofort an der Körperhaltung von dem anderen Mädchen unterscheiden konnte. Er seufzte, fuhr sich durch die hellgrünen Haare und stieß sich vom Schreibtisch ab. „Ich bin Max, der Arenaleiter. Du willst gegen mich um den Orden kämpfen?“ „Exakt. Mein Name ist Faith Loraire und ich komme aus Litusiaville.“ „Hm, na schön.“ Erneut seufzte Max, kritzelte etwas auf einen Block und winkte Faith und Mira hinter sich her. Es ging einen breiten, kurzen Gang entlang in das Innere der Arena, wo sie ein großes Kampffeld erwartete. Weiße Markierungen zeigten sowohl eine Mittellinie als auch die Seitenränder des Felds. „Hier wird gekämpft. Jeder darf maximal drei Pokémon einsetzen. Auswechseln innerhalb deiner drei Pokémon ist erlaubt. Wer zuerst zwei Pokémon des Gegners besiegt hat, hat gewonnen. Wenn du mich besiegen kannst, bekommst du den Sichelorden.“ „Okay, alles klar.“ Faith schluckte und griff zu Taubsis Pokéball. Sie hatte nur zwei Pokémon in ihrem Team und musste zwei der drei Pokémon von Max besiegen. Das würde nicht einfach werden, aber sie war zuversichtlich und vertraute darauf, dass sie es schaffen konnte. „Lass uns anfangen!“ Und mit diesen Worten entließen beide ihr erstes Pokémon auf das Kampffeld. Der Arenakampf konnte beginnen!