Der nächste Morgen nach Miras Sieg beim Wettbewerb brach mit einem wunderschönen Sonnenaufgang an. Zarte Rosa- und Orangetöne schwebten über den Bergen um Lapidia und tauchten die Stadt in eine romantische Stimmung, die viel zu schnell wieder verflog. Faith, Mira und Itsuki bereiteten sich auf ihren letzten Tag in Lapidia vor, morgen wollten sie weiterreisen und die Route nach Bad Puvicia nehmen. Bad Puvicia war eine Stadt am Fuße eines Vulkans und bekannt für die vielen heißen Quellen im Erholungsgebiet der Stadt. Zudem wartete dort die zweite Arena auf Faith, die ihren Kampf um den Lavaorden kaum noch erwarten konnte. „Wie lange wird es wohl nach Bad Puvicia dauern?“, fragte Faith aufgeregt nach dem Frühstück, als sie gerade ihre leere Müslischale mit dem Tablett auf den Tablettwagen stellte. „Laut Karte dürfte es nicht weiter als von Eichwald City nach Lapidia sein oder?“ „Wir werden einmal übernachten müssen, dann kommen wir am nächsten Tag im Laufe des Mittags an“, erklärte Itsuki sachlich und stellte sein Tablett über das von Faith und Mira. „Und heute gehen wir zum Kraftwerk, hm?“ „Unbedingt“, entgegnete Mira strahlend und betrachtete stolz das Band von Lapidia in ihren Fingern. „Es ist bekannt, dass in der Nähe von Kraftwerken stets Elektropokémon leben, deshalb möchte ich dort hin.“ „Ich muss drei Pokémon im Team haben, wenn ich in der nächsten Arena antreten möchte.“ Faith seufzte grinsend, dann machten die drei sich auf den Weg ins Foyer des gastfreundlichen Pokémoncenters, wo sie Maike und Drew über den Weg liefen, die gerade Maikes Gepäck in ein Taxi luden. „Du reist ab?“ Wehmut lag in Miras Stimme, als sie ihr Idol ansah und zu Maike trat. „Ich muss zurück nach Hause.“ Maike lächelte schmal und deutete ein Kopfnicken in Drews Richtung an. „Viel Glück für deine weiteren Wettbewerbe. Wenn du es bis zum großen Finale schaffst, wovon ich ausgehe, dann sehen wir uns auf jeden Fall wieder.“ Mira nickte und legte den Kopf ein wenig schief, als Maike sich zu Drew beugte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. „Ich warte im Wagen auf dich“, sprach Drew trocken und ging an Maike vorbei hinaus zum Taxi. „Auf Wiedersehen, Maike. Und vielen lieben Dank für deine Hilfe bei Miras Training.“ Faith grinste und klopfte Maike dankbar auf die Schulter, doch die Koordinatorin grinste nur schwach. „Das hat Mira ganz alleine geschafft. Also dann, ich muss los, sonst verpasste ich meinen Zug. Auf Wiedersehen ihr drei.“ „Auf Wiedersehen“, ertönte es einstimmig aus Miras, Faiths und Itsukis Mund, dann war Maike auch schon bei Drew im Taxi verschwunden und das Auto brauste davon. „Weg ist sie.“ „Wir sehen sie bestimmt wieder, Mira. Aber jetzt ab zum Kraftwerk. Lasst uns keine Zeit verlieren, ich bin schon ganz kribbelig und hibbelig. Elektrisiert so zu sagen.“ Gut gelaunt schlug Faith in die Hände und verließ als Erste das Pokémoncenter, gefolgt von Itsuki und Mira. Somit hatte doch der normale, alltägliche Wahnsinn die Oberhand gewonnen und die drei Jungtrainer wieder fest im Griff. „Es ist zum Glück nicht weit“, entgegnete Mira lächelnd und fügte sofort noch etwas hinzu. „Aber Lapidia ist auch keine so große Stadt. Seht ihr, dort hinten ist es schon.“ „Ich habe gehört, dass es in der Nähe des Kraftwerks auch einige Giftpokémon geben soll.“ Itsuki blätterte derweil in Miras Reiseführer und reichte ihn den Mädchen. „Das Kraftwerk ist durch Abwasserkanäle versorgt, in denen sich wegen des warmen Abwassers gerne Sleima und Sleimok tummeln. Die Müllreste, die sie zurücklassen, werden wiederum von den Rattfratz und Rattikarl verwertet, was auch andere Giftpokémon anlockt, denen die giftigen Stoffe nichts ausmachen.“ „Ja… Ist klar.“ Faith hob eine Augenbraue und schmollte. „Ich bin aber nicht hier, um mir ein Giftpokémon zu fangen. Ich habe Bibor und außerdem soll mein Team ausgeglichen sein. Eigentlich brauche ich erstmal ein Feuerpokémon, aber dafür muss ich doch so oder so noch warten, bis wir in Bad Puvicia sind. Der Vulkan dort in der Nähe muss ein Paradies für Feuerpokémon sein.“ „Hunduster wird es sicher gefallen. Warme Höhlen, heiße Quellen und lauter hitzige Feuerpokémon, mit denen es sich messen kann. Wirklich wunderbar.“ Mira verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass nach ihrem Wettbewerbssieg schon wieder Kämpfe auf sie zukommen würden, doch sie sah auch ein, dass es sinnlos war, Hunduster stets an der kurzen Leine halten zu wollen. Hunduster brauchte Bewegung und den Kampf, um seine Energie abzubauen – und es hatte eine Menge davon. Schließlich erreichten die drei Trainer nach nur zehn Minuten Fußweg das Kraftwerk, das von kurzem, tiefgrünem Rasen umgeben war und sehr gepflegt wirkte. Ein kleiner Parkplatz war von zwei verlassenen Autos geschmückt, ansonsten konnte man hier draußen erstmal nichts Technisches erkennen. Antennen und riesige Solarplatten auf dem Dach des Kraftwerks waren die einzigen Indizien, dass es sich hierbei um ein modernes Kraftwerk mit erneuerbaren Energien handelte. Ein kleiner Gehweg führte etwa um die Hälfte des hellgrauen Gebäudes herum, dann ging es eine seichte Böschung hinunter auf eine etwas verwilderte Wiese, in der mit Sicherheit wilde Pokémon leben würden. „Sollen wir uns aufteilen? Wir kommen mit unterschiedlichen Zielen hier her.“ Itsuki fuhr sich durch die Haare und warf Faith einen Blick seiner eisblauen Augen zu. „Du willst dir die Pokémon anschauen, ich suche einen Trainingspartner für mein Evoli und Mira sucht nach einem Elektropokémon für ihr Team. Also wenn ihr mich sucht, ich bin dort hinten.“ Ohne auf eine Antwort zu warten drehte er sich um und marschierte in die Richtung, die er Mira und Faith angegeben hatte. „Ich schaue mich auch einmal dort vorne um.“ Faith grinste und lief bereits einem Plusle hinterher, um es sich genauer anzusehen. Einen Moment lang stand Mira schweigend an ein und derselben Stelle, dann seufzte sie ergeben und wandte sich der Wiese vor sich zu. Mit zwei großen Schritten befand sie sich bereits mitten im Gras, dann ließ sie ihren Blick über die Pokémon hier draußen gleiten. Es gab fast nur Plusle und Minun hier, doch wenn man genauer guckte, sah man ein Sleima durch das Gras kriechen und nach Nahrung suchen. Hier und dort huschte ein Schwalbini durch die Luft oder man konnte ein Pichu mit einem Sheinux spielen sehen. Ein Frizelbliz döste zudem in der Sonne und ein Raichu trug stolz einen Donnerstein im Maul vor sich her. „Wow, so viele Pokémon…“, murmelte Mira ehrfurchtsvoll, dann wollte sie schon zu Hundusters Pokéball greifen, doch der Kampf zwischen Itsukis Evoli und einem Pikachu lenkte sie ab. Vorsichtig spähte sie zu Itsuki herüber. Itsukis Evoli war stark und vor allem ein Starrkopf, deshalb wollte es sich dem wilden Pikachu auf gar keinen Fall geschlagen geben. Der Kampf war hart und unerbittlich, doch schließlich ging Itsukis Evoli als Sieger hervor und trottete geschwächt, aber dennoch mit erhobenem Haupt zu dem Jungen mit den Eisaugen. „Das hast du gut gemacht, du bist stark geworden.“ Itsukis Lob fiel knapp aus, aber er tätschelte zufrieden Evolis Kopf, dann hob er einen Stein vom Boden aus und drehte ihn ein paar Mal in der Hand. Mira musste genauer hinsehen, damit sie erkannte, dass es sich um einen grüngelben Donnerstein handelte, der hier ab und an auf dem Boden lag. Scheinbar trugen die Elektropokémon die Donnersteine aus der Gegend hier her, weil sie hier lebten und sich wohl fühlten. „Ich denke, es ist an der Zeit, dass du eine neue Stufe erreichst.“ Itsukis Hand stoppte und der Donnerstein lag ruhig in seiner Hand, dann hockte er sich vor Evoli hin und strich ihm noch einmal durch das weiche, flauschige, braune Fell. „Ich denke, das hier wird am besten zu dir passen, nicht wahr?“ „Evo!“, meinte sein Evolimädchen stolz, setzte sich hin und legte mit leuchtenden Augen den Kopf schief. Itsuki zögerte nicht lange und drückte den Stein gegen Evolis Rumpf, bis das Normalpokémon weiß zu leuchten begann und mit dem Stein zu verschmelzen schien. Es entwickelte sich zu Blitza und das gelbe Elektropokémon sträubte sofort bewundernd das stachelige Fell. „Du siehst hübsch aus.“ Itsuki grinste, dann strich er über Blitzas Kopf und zog es zurück in den Pokéball. Sein Blick fiel zu Mira, deren neugieriges Auftreten ihm nicht entgangen war. „Hast du ein Pokémon gefunden?“ „Was? Oh, eh, nein. Noch nicht, ich gucke gleich.“ „Ist gut. Ich bin drüben bei Faith.“ „Mhm.“ Mira nickte und sah ihm mit stechendem Herzen nach, dann drückte sie ihre Handflächen gegen ihre geröteten Wangen und zog einen leeren Pokéball von ihrem Gürtel. Sie wollte unbedingt auch so ein starkes, anmutiges Elektropokémon haben wie Itsuki nun sein Blitza hatte. Vor ihr im Gras würden mit Sicherheit einige Pokémon in der Sonne dösen oder schlafen. Sie atmete tief durch, dann warf sie ihren Pokéball einfach ins Gras und sah zu, wie der Strahl irgendein Pokémon einsaugte. Der Pokéball wackelte einige quälende Momente lang, doch Mira hatte Glück und schlussendlich blieb der Ball seelenruhig liegen. „Ich habe eins gefangen.“ Sie schluckte, hatte eigentlich nur einen halbherzigen Versuch gestartet, doch hob den Ball nun auf und drückte auf den Knopf, der das gefangene Pokémon offenbarte. „Sheinux!“ Das kleine Elektropokémon sah sie mit großen Augen an, schüttelte dann sein Fell und rieb schnurrend seinen Kopf an ihrem Bein. „Du bist aber niedlich.“ Mira hob Sheinux grinsend auf den Arm und hielt es in die Richtung von Faith und Itsuki, die ihr beide anerkennend zuwinkten. Dann holte Mira ihr neues Teammitglied zurück in den Pokéball und gesellte sich zu ihren beiden Freunden. „Ich denke, wir sind nun bereit für die Weiterreise, nicht wahr?“ „Oh ja!“ Faith grinste breit und sprang einmal jauchzend in die Luft. „Ich kann es kaum noch erwarten, mein nächster Arenakampf wartet schon auf mich!“
Regentropfen hingen noch immer wie Spinnennetze aus Wasser an den Fenstern des Pokémoncenters, als Faith und ihre beiden Begleiter sich am nächsten Morgen den Proviant für die Weiterreise nach Bad Puvicia einpackten. Schwester Joy hatte ihnen erlaubt, dass sie sich Lunchpakete für die nächsten beiden Tage machten, sodass sie nicht so viel Frischware mitnehmen mussten. Bei der Hitze draußen würden die Tomaten und das Obst zu schnell ihre Frische verlieren. „Das Wetter ist scheiße“, murrte Faith zum wiederholten Male, strich sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr und zog den Reißverschluss ihres Rucksacks zu. „Es ist Sommer, warum regnet es außerdem genau heute, wenn wir weiterreisen wollen? Das ist doch zum Verrücktwerden!“ „Lass dich nicht verrückt machen, es regnet doch gar nicht mehr, außerdem haben wir Regencapes.“ Mira strahlte wie eh und je, selbst wenn man die grauen, schweren Regenwolken draußen bedachte. „Hört endlich auf zu diskutieren, sonst kommen wir hier nie weg.“ Itsuki hatte bereits seinen Rucksack geschultert, seine Pokémon ruhten nach dem ausgiebigen Frühstück in ihren Pokébällen und seine Augenbrauen waren zu einem genervten Strich verzogen. Faith äffte Itsuki nach, schulterte jedoch ebenfalls ihren Rucksack und verließ mit Mira und Itsuki das Pokémoncenter. Sie selbst hatte ihrem Taubsi Freiflug versprochen, wusste aber, dass sie ihr Pokémon zurückholen musste, sobald es zu regnen anfangen würde – was quasi jeden Moment wieder eintreten konnte. Mira, die ihr Evoli nicht mehr wie anfangs auf dem Arm trug, sondern es neben sich laufen ließ, schloss schnell zu Itsuki und Faith auf und warf ein stolzes Lächeln in Richtung der Wettbewerbshalle, an der sie gerade vorbeiliefen. „Bad Puvicia hat auch einen Wettbewerb. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob ich zweimal in so kurzer Zeit an einem Wettbewerb teilnehmen soll. Wahrscheinlich hatte ich dieses Mal nur Anfängerglück…“ „Du hast das Glück gepachtet“, erwiderte Faith trocken und auch ein wenig neidisch, wenn sie daran dachte, dass sie in ihrem ersten Arenakampf in Eichwald City nicht gerade eine Glanzleistung vollbracht hatte. „Selbst Sheinux hast du ohne Kampf gefangen.“ Sie schloss diese kleine Tatsachenfeststellung mit einem gedehnten Seufzer ab. Die Route, die sie aus Lapidia hinausführte, war um einiges leichter zu passieren als die von Eichwald City nach Lapidia. Der Weg war selbst für Fuhrwerke breit genug im Fels angelegt und immer wieder sah man kleine Blüten und Grünflächen die Berghänge entlangwachsen. „Es ist so schön idyllisch hier, findet ihr nicht auch? Itsuki, wie sieht es bei dir Zuhause auf dem Mount Ni aus?“, fragte Mira, damit die leicht bedrückte Schlechtwetterstimmung verschwand. „Kalt. Eisig. Immer Schnee.“ „Ah…“ Die junge Koordinatorin rümpfte die Nase und schwieg, trottete einfach zwischen Faith und Itsuki, die beide ihren eigenen Gedanken nachhingen. Auf diese Weise ging die erste volle Stunde ihres Fußmarsches vorbei, bis der Regen wieder einsetzte und die drei hektisch ihre Regencapes überstreiften. Taubsi, das bis dahin freudig große Bahnen durch das Gebirge geflogen war, kehrte klitschnass und mit einem genervten Gurren zu Faith zurück, die es ohne Zögern zurück in den Pokéball zog. Auch Miras Evoli, dessen Fell dunkelbraun und triefendnass an dem kleinen Körper herunterhing, kam zurück in den Pokéball. „So ein Mistwetter“, machte Faith ihrer Laune sofort Luft und zog die Kapuze tiefer in ihr Gesicht. „Es reicht, wir können bei diesem starken Regenschauer sowieso nicht die Tagesroute schaffen. Gibt es hier nicht irgendwo eine Berghütte? Zurück nach Lapidia will ich nicht.“ „Wir müssten bald an eine Kreuzung kommen, aber wenn wir zur Berghütte gehen, dann entfernen wir uns ganz schön von unserer normalen Route. Das kann uns morgen, wenn das Wetter besser ist, einige Stunden Zeit kosten.“ „Mir macht der Regen nichts aus“, sprach Itsuki leise, doch sein grimmiger Blick ließ eher das genaue Gegenteil vermuten. „Ich würde jetzt auch lieber ein Dach über dem Kopf haben“, klagte Mira jammernd und blickte auf den völlig durchgeweichten Boden. „Das hier hat keinen Sinn bei dem Regen. Seht ihr, dort hinten ist die Kreuzung.“ „Wir gehen zur Berghütte.“ Itsuki rieb unter dem Regencape seine Hände an den Oberarmen und blickte gen Himmel. „Es sieht nicht so aus, als würde der Regen in den nächsten Stunden abbrechen. Schaut, die grauen Wolken sind wie eine Wand bis zum Horizont.“ „Beeilen wir uns besser.“ Faith legte einen Schritt zu, dicht gefolgt von Mira und Itsuki. Nach einer knappen Stunde erreichten sie eine abgelegene Waldhütte auf einem Plateau, von dem aus man deutlich sehen konnte, dass sich ein Sommergewitter vom allerfeinsten zusammengebraut hatte. In der Ferne zuckten bereits die ganze Zeit Blitze durch den Himmel, während der Regen nun nicht mehr abzureißen schien und schwer gegen die drei Jungtrainer knallte. Faith ließ sich völlig erschöpft gegen die Tür fallen, drückte die Klinke, riss sie auf und konnte kaum fassen, wen sie dort erblickte. „Na sieh mal einer an, Eismann, Arenaverliererin und Hundustertrainerin sind hier. Joel, wir haben Gäste, wie es aussieht.“ Trixi Light erhob sich grazil wie eine Gazelle und mit dem Todesblick eines Killers aus einem weichen Sessel und verschränkte die Arme vor dem Körper, während ihr Zwillingsbruder frisch geduscht und mit einem dunkelblauen Trainingsanzug bekleidet aus dem Badezimmer kam. Seine Haare hingen ihm in kupferroten Strähnen noch nass ins Gesicht und er rubbelte seinen Kopf mit einem Handtuch ab. „Kommt rein oder bleibt draußen, ist mir egal, aber schließt die Tür, sonst können wir hier gleich ein Indoorschwimmbad eröffnen.“ „Du… Du!“ Faith fehlten schlichtweg die Worte, doch Itsuki schob sie einfach in die Hütte hinein und schloss dann hinter Mira die Tür. „Wir wussten nicht, dass ihr hier seid“, piepste Mira und blickte verlegen von Trixi weg. Sie konnte sich bestens vorstellen, was Trixi – eindeutig die begabtere Koordinatorin von ihnen – von ihr halten musste. Trixi gab ein schnippisches „Tse“ von sich und strich einem edlen Vulpix über den Rücken. Ihr Starter? „Du hast ein Vulpix.“ Faith zog ihr Regencape aus und hängte es über den Garderobenständer an der Heizung. „Ich nehme nicht an, dass du es hier in den Bergen gefangen hast?“ „Vulpix ist mein Starter.“ Trixi lächelte schmal und blickte zu ihrem Bruder, der Itsuki und schließlich kurz darauf einen bohrenden Blick zuwarf. „Es gibt hier zwei Schlafzimmer und eine Schlafcouch. Mir egal, wie ihr euch das einteilt, aber Trixi und ich waren zuerst hier. Wir nehmen das größere Schlafzimmer mit den getrennten Betten.“ „Ich schlafe sicher nicht mit dem da in einem Doppelbett.“ Faith deutete mit der Hand auf Itsuki und bekam Herzklopfen bei dem Gedanken daran, wie es wohl sein würde, tatsächlich neben Itsuki zu schlafen. Schnell verdrängte sie den Gedanken, weil ihr sofort heiß wurde. „Schon okay, ich nehme mir einfach die Couch, dann teilt ihr euch das Bett.“ Itsuki, der sein Cape genau wie Mira nun auch über die Heizung hängte, stellte seinen Rucksack neben der Couch ab und ließ sich auf dieser nieder. „Das Unwetter wird bald auch hier sein, wir hatten Glück.“ „Die Hütte hat keinen Strom, aber es gibt Kerzen. Wir werden nicht im Dunkeln sitzen.“ Gerade, als Trixi dies sagte, brach ein ohrenbetäubendes Donnern über der Berghütte herein, das Mira und Faith zusammenzucken ließ. „Das heißt, wir haben so oder so keine andere Möglichkeit, als den ganzen restlichen Tag mit euch beiden hier zu hocken?“ „Du kannst jederzeit gehen, Faith. Ich werde dich sicherlich nicht aufhalten.“ Joel grinste und lehnte sich lässig neben dem Kamin, in dem Holzscheite im Feuer prasselten, an die Wand. „Na toll“, murmelte Faith Mira zu und kniff die Augen leicht zusammen. Der Tag wurde wirklich immer schlimmer.
Tick tock tick tock tick tock tick tock… Die Wanduhr ging unaufhörlich ihrem Takt nach, während Joel und Trixi auf der einen Seite und Itsuki, Mira und Faith auf der anderen Seite des Wohnzimmers saßen und sich anstarrten. Das Kaminfeuer prasselte angenehm und das Unwetter über ihnen tobte unerbittert und schlug den Regen gegen die Fenster der kleinen Berghütte.
Schließlich erhob Itsuki sich und räusperte sich kurz, ehe er aus seinem Rucksack ein Handtuch hervorzog und sich an Joel wandte. „Du sagtest, der Boiler läuft die ganze Zeit, nicht wahr?“
„Ja.“
„Schön, dann werde ich jetzt ein Bad nehmen.“
Faith funkelte Itsuki an, als dieser sich aus dem Raum stahl, doch dadurch wurde ihr nur wieder bewusst, dass sie diejenige war, die das größte Problem mit Joel hatte. Mittlerweile war es Mittag und sie hatten kaum mehr als zwei Sätze gewechselt, dafür wuchs die Spannung zwischen ihnen mit jeder erbitterten, verdammten Sekunde, die sie hier festsaßen.
„E-es ist schon längst Zeit für das Mittagessen gewesen…“ Mira nestelte nervös an ihren langen, lavendelfarbenen Haaren herum und warf einen Blick zu der kleinen Essküche, die an das Wohnzimmer angrenzte. „V-vielleicht soll ich einfach eine Kleinigkeit kochen?“
„Es sind Tütensuppen im Schrank und Nudeln.“ Trixi fuhr sich durch die Haare und hatte die Beine elegant übereinander geschlagen. Sie sah, obwohl sie grimmig und hochnäsig schaute, einfach umwerfend aus und man würde keine Sekunde daran zweifeln, dass sie viele Fans hatte, obwohl sie noch am Anfang ihrer Karriere als Koordinatorin stand.
„D-dann mache ich Nudeln mit Soße…“ Mira zögerte noch einen Moment, doch schließlich erhob sie sich und marschierte in die Küche, aus der man bald schon das Klappern von Töpfen und Geschirr hören konnte.
Faith blickte zwischen Trixi und Joel hin und her, konnte aber bald das Schweigen zwischen ihnen nicht mehr ertragen und verschränkte die Arme vor dem Körper, während sie sich tiefer in das Sofa fallen ließ. „Die Niederlage gegen Mira muss hart für dich gewesen sein, Trixi.“
„Deine Sticheleien sind hier vollkommen fehl am Platz, Faith Loraire. Du bist nicht meine Gegnerin, ich werde nicht mit dir streiten. Das ist unter meiner Würde.“ Um dem gerade Gesagten noch mehr Stärke zu geben, erhob Trixi sich und trat mit einem schmalen Lächeln im Gesicht an die Küchentür. „Brauchst du noch Hilfe?“
„M-meinetwegen“, hörte man Miras gemurmelte Antwort, woraufhin Trixi ebenfalls aus dem Wohnzimmer ging und Joel und Faith sich nun gegenübersaßen. Sie mit verschränkten Armen und er mit einer offenen Körpersprache und einem leichten Grinsen.
„Du hast also den Sichelorden gewonnen.“ Es war Joel, der zuerst sprach und die Stille zwischen ihnen brach.
„Natürlich, hast du daran gezweifelt?“ Faith klang ziemlich giftig und zickig. „Ich werde alle acht Orden und die Liga meistern, daran kannst du glauben.“
„Sicher, wieso auch nicht. Nur wirst du es frühestens zehn Jahre nach mir schaffen, weil meine Pokémon einfach mehr Klasse haben als dein verkorkster Käferstarter.“
„Was?!“ Faiths Stimme geriet zwei Oktaven höher und sie war aufgesprungen ohne es zu merken. „Bibor könnte dein blödes Sniebel jederzeit fertig machen! Ich habe trainiert, Joel, noch einmal werde ich nicht gegen dich verlieren!“
Joels Grinsen wurde nur noch breiter, als er Faiths Reaktion beobachtete. „Dir scheint deine Niederlage ja ziemlich an die Nieren gegangen zu sein, wenn du noch immer so wahnsinnig angegriffen darauf reagierst. Wie ein getroffener Hund.“
„Du…!“ Empört plusterte Faith sich auf und fuchtelte wild mit den Armen vor ihm herum. „Wir werden ja sehen, wer von uns zuerst den Lavaorden gewinnt!“
„Soll das eine Herausforderung sein?“ Provozierend hob Joel eine Augenbraue an und stand auf. „Sollen wir darum wetten, Faith?“
Faith, die nun vollkommen in Rage war und ihm am liebsten den nächstbesten Fluch gegen den Kopf geknallt hätte, lachte trocken auf. „Bitte, wenn du unbedingt verlieren willst!“
„Schön, dann brauchen wir einen Wetteinsatz.“ Joels Grinsen nahm nun eine diabolische Nuance an und er deutete nach draußen. „Lass uns draußen die Wette besiegeln, wo wir ungestört sind.“
Faith schnaubte und strich sich eine türkisene Haarsträhne zurück hinter das Ohr, als Mira besorgt und Trixi interessiert aus der Küche zu ihnen schauten. „Du. Ich. Vor die Tür.“
Joel folgte ihr leichtfüßig nach draußen, wo ihnen der Regen entgegen peitschte und sie innerhalb weniger Sekunden vollkommen durchnässt hatte. „Also schön, wenn du vor mir den Lavaorden gewinnst, dann bekommst du mein Smettbo.“ Er legte eine kurze Pause ein und betrachtete Faith, deren Augen sich überrascht weiteten, so wie er es geplant hatte, denn er wusste, wie sehr sie ihn um sein starkes Smettbo beneidete. „Und falls ich vor dir den Lavaorden haben, dann gibst du mir dein Taubsi. Einverstanden?“ Er hielt ihr die Hand hin.
Faith zögerte. Sie fand sein Smettbo faszinierend, doch hing sie auch an ihrem Taubsi, das sie mit viel Mühe im Eichwald gefangen hatte. Aber Joels Auftreten hatte sie wie so oft stark in Rage gebracht und so war sie felsenfest davon überzeugt, dass sie gewinnen würde. „Einverstanden. Smettbo und Taubsi, der Gewinner bekommt beide.“ Sie schlug ein und erwiderte seinen festen Händedruck.
Im nächsten Moment schien sich die Regenwolke über ihren Köpfen für einen kurzen Augenblick zu teilen und irritiert blickten die beiden Trainer nach oben in den Regen, wo ein rotweißer Schatten über sie hinweg huschte.
„Laa!“
„Oh mein Gott, das ist…“ Es verschlug Faith den Atem und sie krallte sich an Joels Arm fest, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor, weil sie ihren Kopf so weit nach oben neigte.
„Latias.“ Auch Joel sprach leise und ehrfurchtsvoll, doch nur wenige Sekunden später war das Legendäre wieder in den Regenwolken verschwunden. Joel blinzelte und schmunzelte Faith an, als er ihre Hand auf seinem Oberarm bemerkte.
Faith riss sofort ihre Hand von ihm fort, schnitt eine Grimasse und riss die Tür der Hütte auf.
„Faith“, ertönte Miras Stimme sofort anklagend, als sie die beiden wieder reinkommen sah. Sie hatte sich eine blaue Kochschürze umgebunden und hielt einen Löffel mit brauner Pilzsoße, die sie aus einer Pilzsuppe gemacht hatte. „Sag mir nicht, dass du gewettet hast.“ Diesmal sprach sie leiser, sodass nur Faith sie hören konnte.
„Ich werde nicht verlieren.“
„Faith, du weißt, dass Joels Pokémon stärker sind als deine. Worum habt ihr gewettet?“
„Ich werde schon nicht verlieren“, wiederholte Faith aufgebracht, noch immer völlig durch den Wind. Einmal, weil ihr gerade bewusst wurde, dass es doch durchaus möglich war, dass sie verlor. Und dann auch, weil sie gerade Latias, ein legendäres Pokémon, gesehen hatte.
„Was ist dort draußen geschehen?“ Nun war Miras Blick besorgt und auch Trixi erschien im Wohnzimmer, um ihren Bruder zu mustern.
„Dort draußen war Latias. Wir haben es in den Regenwolken verschwinden sehen.“
„Latias?“ Trixi zog überrascht die Augenbrauen hoch und blickte aus dem Fenster, wo schon lange nichts mehr von dem Pokémon zu sehen war. „Das ist interessant. Du hast wirklich Glück, Bruderherz.“
„Stimmt das?“
„Ja, wir haben es kurz gesehen“, meinte nun auch Faith auf Miras Nachfrage hin und lehnte sich gegen die Wand. Aber das war nicht der Hauptgrund, warum sie so durch den Wind war. Vielmehr beunruhigte es sie, dass sie in dem winzigen Moment, als sie Joels Arm berührt hatte, ein angenehmer Schauer durch ihren Körper gewandert war. Sollte es tatsächlich passieren, dass dieser arrogante Kerl etwas an sich hatte, was sie anziehend fand?
„Bad Puvicia ist wirklich ein einziger Traum!“ Faith lehnte sich weit über den Balkon ihres Zimmers im Pokémoncenter und konnte von hier aus sogar die Spitze des Vulkans sehen, der von einer Schneeschicht bedeckt zu sein schien, doch Schwester Joy hatte ihnen erklärt, dass dort oben die Felsen zum großen Teil aus Kreide bestanden und sich mit der Asche des Vulkans gemischt hatten.
„Pass auf, dass du nicht runterfällst.“
Faith drehte sich zu Itsuki um und schnitt eine Grimasse, während sie Bibor und Taubsi aus ihren Pokébällen befreite und die beiden vom Balkon aus fliegen ließ. „Sieh dir nur die ganzen Häuser an, sind sie nicht niedlich?“
„Wie können Häuser bitte niedlich sein?“ Itsuki runzelte die Stirn. „Das ist kein passendes Adjektiv für Häuser.“ Dennoch trat er zu Faith auf den Balkon und lehnte sich gegen das Geländer, über das Faith sich immer noch wie ein kleines Kind beugte. Er war froh, dass sie die Berghütte am nächsten Morgen früh verlassen hatten, Joel und Faith wären sich seiner Meinung nach noch an die Gurgel gegangen, wenn sie nach dem schnellen Frühstück auch nur eine Minute länger zusammengesessen hätten.
Faith schüttelte den Kopf wegen Itsukis Antwort und deutete auf die Straße unter ihnen, die aus einem aufwändigen Kopfsteinpflaster bestand und immer wieder Bilder des Vulkans zeigte. „Die Straße erzählt die Geschichte des Ausbruchs, hat jedenfalls Schwester Joy gesagt. Es heißt, dass die Pokémon und Menschen hier am Vulkan immer in Frieden gelebt haben, doch eines Tages wollten die Menschen die Ruhe des Berggeistes stören, um ihre Stadt auszubauen und die Hänge des Vulkans zu bebauen. Der Berggeist war darüber so erzürnt, dass er den Vulkan zum Beben gebracht hat. Als die Lava auf die Stadt zukam, gerieten die Menschen in Panik. Sie flüchteten sich zum Schrein des Berggeistes, doch statt des Wächters des Vulkans tauchten die wilden Pokémon der Gegend auf. Sie haben gesehen, dass die Menschen ihr egoistisches Verhalten bereuen und standen ihnen zur Seite. Als der Berggeist das gesehen hat, hat er die Lava in Erdspalten verschwinden lassen und das Dorf geschützt.“
„Ich kenne die Legende“, warf Itsuki ein und ließ seinen Blick zum Horizont gleiten. „Es heißt, dass Finera von drei Wächtern beschützt wird. Dem Vulkanwächter, dem Waldwächter und dem Bergwächter. Meine Familie hütet den Nebeltempel, der dem Bergwächter geweiht ist.“
Schweigend blickte Faith den Blonden an und nickte dann knapp. „Bibor, Taubsi, wir treffen uns unten.“
Die beiden Pokémon nickten und flogen um das Pokémoncenter herum, während Itsuki und Faith nach unten gingen und dort auf Mira trafen.
„Seid ihr fertig?“, erkundigte Mira sich lächelnd und hielt drei Karten in die Höhe. „Das sind die Eintrittskarten für die heißen Quellen, die Schwester Joy uns versprochen hat. Wir können den ganzen Tag dort bleiben, wenn wir wollen, nur Essen und Trinken müssen wir dann selbst bezahlen. Unsere Pokémon haben freien Eintritt, da die heißen Quellen vom Vulkan geheizt werden.“
„Das ist gut, Bibor und Taubsi werden sich bestimmt freuen.“
„Ich weiß nicht, ob das etwas für Schneppke ist, als Eispokémon mag es die Hitze nicht so“, meinte Itsuki stirnrunzelnd und entließ seinen Starter aus dem Pokéball. „Willst du auch zu den heißen Quellen?“
„Schnepp, ke.“ Schneppke machte ein fröhliches Gesicht und gesellte sich zu Bibor und Taubsi, die draußen vor der Tür schon warteten.
„Na schön, dann können wir jetzt gehen.“ Itsuki steckte Schneppkes Pokéball zurück an seinen Gürtel und gab nun auch Blitza und Igelavar Freigang.
Zur gleichen Zeit holte auch Mira ihre drei Pokémon aus den Bällen und erzählte ihnen auf den Weg zu den Quellen gut gelaunt, wo ihr Tagesausflug hingehen würde. Schließlich wandte sie sich aber an Faith, als sie das Backsteingebäude der Arena von Bad Puvicia am Straßenrand stehen sahen. „Du musstest dich auch unbedingt auf diese Wette mit Joel einlassen, nicht wahr? Die Arena hier hat Feuertypen, du besitzt aber kein Pokémon, was dagegen einen Vorteil hat. Wie willst du das anstellen?“
„Keine Ahnung“, murrte Faith und zuckte mit den Schultern. „Bibor kann vergiften und Taubsi ist ein cleveres Kerlchen, ich kann ihm bis zum Arenakampf bestimmt noch eine neue Attacke beibringen. Ansonsten schaue ich mich einfach bei den Quellen nach einem wilden Pokémon um oder mache einen Spaziergang zum Vulkan. Es gibt hier sehr viele Feuerpokémon in der Gegend, aber alle Pokémon mögen die Quellen. Vielleicht finde ich sogar ein gutes Pokémon, das ich fangen kann.“
„Du gehst diese Sache zu lasch an.“ Itsuki schüttelte den Kopf und erinnerte sich an seinen Kampf in der Arena hier. „Wie du weißt, besitze ich den Lavaorden schon. Anja ist eine erfahrene Trainerin mit einem starken Willen. Sie trainiert ihre Pokémon gut, du wirst es nicht einfach gegen sie haben. Außerdem ist sie die Cousine von Flavia, der Arenaleiterin aus Bad Lavastadt in Hoenn. Sie kommt aus einer Familie mit Feuerpokémontradition.“
„Joel besitzt nur Smettbo und Sniebel, beide sind gegen Anjas Pokémon aufgeschmissen. Ich kann die Wette gewinnen. Beziehungsweise was heißt können, ich werde die Wette gewinnen!“ Sie schnitt eine Grimasse und bog auf den Weg zu dem Wellnesshotel ab, das auch die heißen Quellen verwaltete.
Faith, Mira und Itsuki gaben ihre Sachen am Schalter im Eingangsbereich ab und erhielten im Gegenzug weite Bademäntel und traditionelle Holzschuhe, mit denen sie in den hinteren Bereich gehen konnten, der vollständig mit Holz ausgekleidet war. Zur Begrüßung erhielt jeder von ihnen zudem eine Fruchtschorle, die sie auf den Weg zu den Umkleidekabinen tranken.
Mira und Faith zogen sich ihre Badeanzüge über, Itsuki verschwand in der Jungenumkleide. Draußen im Flur trafen sie sich wieder, wieder mit Schlappen und Bademänteln bekleidet, und gingen gemeinsam zu dem Bereich hinter dem Hotel.
Idyllisch schlängelten sich mehrere kleine Thermalquellen zwischen einem kunstvollen Gartenteich und Sonnenliegen, die Quellen waren allesamt überdacht und so im Winter vor Schnee und sonst vor Regen und zu starker Sonneneinstrahlung geschützt.
„Ah, das sieht wunderbar aus!“ Grinsend legte Faith ihren Bademantel auf einen Steintisch neben der Quelle, auf dem bereits Handtücher bereit standen. Ihre Holzschuhe fanden unter dem Tisch Platz, dann winkte sie Taubsi und Bibor zu sich heran. Bibor stieg sofort mit ihr ins Wasser und machte es sich auf einer Stufe im Wasser bequem, während Taubsi eine seichtere Stelle suchte und dort gurrend und zufrieden saß.
„Evo!“ Begeistert sprang Miras Evoli in die Quelle und wartete dort auf Mira, die sich neben ihr Pokémon setzte. Sheinux und Hunduster nahmen etwas abseits im Wasser Platz, ebenso Itsukis Blitza.
Itsuki selbst setzte sich den beiden Mädchen gegenüber und lehnte den Kopf in den Nacken, als er das warme Wasser genoss. Schneppke saß gemeinsam mit Taubsi eher am Rand, hatte aber auch seinen sichtlichen Spaß, und Igelavar streckte sich neben Itsuki lang.
Ein Mädchen mit langen, roten Haaren trat kurz darauf zu ihnen an die Quelle, strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und musterte die bunte Truppe. „Ist bei euch vielleicht noch ein Platz frei? Die Saisongäste haben die anderen Quellen alle in Beschlag genommen. Uh, sag mal, kennen wir uns nicht? Ah, doch, Itsuki, nicht wahr? Ich erinnere mich an dich.“
Itsuki öffnete die Augen, als er angesprochen wurde, und drehte sich unter wachsamen und interessierten Blicken seitens Mira und Faith zu dem Mädchen um. Seine Augen weiteten sich ein wenig überrascht, dann lächelte er und rückte zur Seite. „Natürlich, komm rein. Darf ich vorstellen? Das ist Anja, die Arenaleiterin hier in Bad Puvicia.“
Faith blieb beinahe der Mund offen stehen, als sie sah, wie sich die gut aussehende Arenaleiterin lächelnd neben Itsuki setzte und im nächsten Moment ein Arkani ihr treu ins Wasser folgte. Das konnte doch nicht wahr sein! Niemand hatte ihr gesagt, dass ihre Gegnerin eine Femme fatale sein würde!
„Heute werde ich mir die Arena ansehen gehen.“ Faith streckte sich am nächsten Morgen genüsslich im Bett und warf dann die Bettdecke auf den Boden. „Ein drittes Pokémon brauche ich allerdings auf jeden Fall, damit ich überhaupt gegen Anja kämpfen darf. Mira, würdest du mir Sheinux leihen? Mira? Miraaaa!“
„Hn“, machte die Reisebegleitung müde, rieb sich über die Augen und öffnete diese anschließend blinzelnd. „Faith, ich schlafe noch…“
„Los, komm, steh auf. Itsuki trainiert sicherlich auch schon, seine Zimmertür ging vor zehn Minuten.“
Mira stöhnte und wollte sich die Bettdecke über das Gesicht ziehen, doch Faith war schneller und hatte sie ihr aus den Händen gerissen, ehe Mira etwas dagegen tun konnte. Brummelnd stieg sie aus dem Bett und warf einen Blick zu der Uhr an der Wand. „Halb neun? Ist das dein ernst?“
„Ich bin hier doch diejenige, die nicht zum relaxen in Bad Puvicia ist. Also los, husch, husch! Ich bin nur eben schnell im Badezimmer.“ Gut gelaunt sammelte Faith ihre Sachen zusammen und trottete ins Badezimmer, wo sie in Rekordgeschwindigkeit unter die Dusche sprang, sich anschließend wieder abtrocknete und anzog. Auch das Zähneputzen ging schnell und so war die energiegeladene Jungtrainerin innerhalb von zehn Minuten im Bad fertig.
Mira stand bereits mit ihren Sachen vor der Badezimmertür und schlenderte noch immer mehr schlafend als wach hinein, als Faith putzmunter herausstürmte.
„Beeil dich, ja? Ich bin schon unten beim Frühstück“, gab Faith ihre heutige Portion Anweisung durch, schnappte sich die Pokébälle von Bibor und Taubsi und eilte zwei Treppenstufen auf einmal nehmend nach unten.
Itsuki war gerade fertig mit seinem Frühstück und stellte die leere Müslischale auf den Geschirrwagen, als er Faith kommen sah und sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. „Schon so agil am frühen Morgen?“
„Sonst bin ich um die Zeit auch schon wach.“ Faith streckte ihm neckend die Zunge heraus und holte sich eine Portion frischen Obstsalat mit Banane, Apfel, Mango und Trauben, den sie zu dem Tisch brachte, an dem bis gerade eben auch Itsuki gesessen hatte. „Setz dich doch noch zu mir.“
Er zuckte teilnahmslos mit den Schultern, nahm aber wieder Platz und lehnte sich langsam in seinem Stuhl zurück. „Klar bist du sonst auch schon wach, aber gestern ist es doch ziemlich spät geworden, hm?“
„Ein Uhr“, kicherte Faith und dachte daran, dass sie gestern nach den heißen Quellen noch bei der Massage waren und dann später in einem traditionellen Restaurant mit Sushi und Ramen wieder Anja getroffen hatten, mit der sie bis ein Uhr nachts noch Mensch ärgere dich nicht spielten. „Und Anja wollte partout nicht einsehen, dass sie am Verlieren war. Dreimal hintereinander.“
„Sie kann eben nicht gut verlieren, das macht sie zu einer starken Gegnerin für dich, denk daran.“
„Morgen“, brummelte Mira mit einem Teller in der Hand, auf dem sich eine kleine Schale Schokoladencreme und zwei Brötchen befanden. Scheppernd ließ sie den Teller auf dem Tisch nieder und setzte sich neben Itsuki. „Hast du eine Ahnung, wie sie mich geweckt hat? Einfach die Bettdecke weggezogen…“ Tadelnd schüttelte sie den Kopf und begann ihre Brötchen mit der Creme zu bestreichen.
„Ach, jetzt fällt mir auch wieder ein, was ich von dir wollte. Kannst du mir dein Sheinux für den Arenakampf leihen, wenn ich bis dahin kein neues Pokémon gefangen habe?“
Mira brummte etwas Unverständliches und biss in ihr Brötchen, nickte aber schließlich und legte den Kopf dabei schief. „Kann ich machen.“
„Nein, von mir bekommst du kein Pokémon“, fuhr Itsuki Faith sofort von der Seite an, als diese sich mit einem Hundeblick zu ihm drehte. Stattdessen verengte Itsuki lediglich seine Augen und verschränkte die Arme vor dem Körper. „Ich meine es so, wie ich es gerade gesagt habe. Du bist selbst Trainerin, tu mal was für deine Siege. Immerhin willst du irgendwann gegen die Top Vier kämpfen.“
„Bitte…“
„Nein.“ Er schüttelte stur seinen Blondschopf und stand auf, um weiteren Charmeoffensiven seitens Faith zu entgehen. „Ich bin jetzt bei Anja.“
„Anja?“ Fragend runzelte Mira die Stirn. „Wieso?“
Er lächelte schmal und steckte sich die Pokébälle am Gürtel fest. „Sie hat mich heute zu sich eingeladen, immerhin kennen wir uns noch von meinem Kampf gegen sie. Sie möchte ein wenig plaudern und dann essen wir zusammen Mittag. Unser Training müssen wir also auf heute Nachmittag verschieben, Faith.“
„Ihr esst zusammen“, presste diese durch fast geschlossene Lippen hervor und hatte plötzlich gar nicht mehr so gute Laune. „Na dann, bis später.“ Schweigend sah sie ihm nach, wie er aus dem Pokémoncenter ging, dann stopfte sie wortlos den Rest ihres Obstsalats in sich rein und brachte die leere Schale weg.
„Bist du jetzt sauer?“, erkundigte Mira sich und band sich die lavendelfarbenen Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz. „Die beiden verstehen sich gut, da kannst du nichts gegen machen.“
„Will ich auch nicht, ist mir doch egal. Er kann rumhängen mit wem er will.“ Faith drehte sich schnippisch weg und wartete, bis auch Mira fertig war, dann verließen auch sie das Pokémoncenter und traten hinaus in die Hitze des Hochsommers.
Suchend blickte Mira such um und entdeckte bald schon die Arena wieder, deutete in die Richtung und ging voran, Faith noch immer sauer direkt hinter ihr. „Du magst Itsuki, nicht wahr?“, tastete Mira sich schließlich an das Gefühlsleben ihrer Freundin heran und verspürte dabei selbst ein leichtes Ziehen in ihrer Brust.
„Klar, er reist mit uns. Er ist ein Freund.“
„Nicht mehr?“
„Warum sollte er denn mehr für mich sein? Er ist gefühlskalt, arrogant und macht sich gerne über mich lustig. Er kann froh sein, dass ich überhaupt mit ihm rede.“ Faith schmollte vor sich hin und betrat das Grundstück der nicht sonderlich weit entfernten Arena.
„Das beruhigt mich.“ Mit einem Anflug von Erleichterung schloss Mira zu ihr auf und setzte sich auf die Veranda der Arena.
„Wieso?“ Argwöhnisch trat Faith an sie heran und runzelte die Stirn, als Miras Wangen einen leichten Rotstich annahmen.
„Na ja, weißt du, ich-“
„Faith, sieh einer an!“ Joel stieß just in diesem Moment die Eingangstür der Arena auf, ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. „Du bist auch hier, wunderbar. Nein ehrlich, das freut mich.“
„Ach nein, wie schön für dich. Back dir ‘nen Keks.“ Faith lehnte sich sofort trotzig gegen die Wand und betrachtete ihren Erzrivalen.
„Du erinnerst dich noch an unsere kleine Wette, die wir bei der Berghütte ausgemacht hatten, nicht wahr?“ Joels Grinsen wurde nur noch breiter, als er das Kopfnicken von Faith vernahm. „Gut, ich habe nämlich gestern ein starkes Glutexo gefangen, während ihr euch beim Planschen in den heißen Quellen amüsiert habt. Und das hier ist das Ergebnis meines Fleißes.“ Stolz streckte er Faith den Lavaorden entgegen.
„Das… Nein!“ Faiths Gesichtszüge entglitten ihr vollständig, als sie den Orden in seiner Hand sah und hinter ihm nun Anja aus der Arena kam. „Nein!“, stieß Faith noch einmal aus, ihre Hand ging wie ferngesteuert zu Taubsis Pokéball und umklammerte ihn. Sie hatte ihre Wette verloren.
„Nein“, stammelte Faith noch einmal und begann zu zittern, weil sich ihre Finger so stark um den Pokéball ihres ersten selbstgefangenen Pokémon ballten. Ihr Herz stolperte immer wieder und Adrenalin beschleunigte es nur noch weiter. Erst, als die Wand ihr gegen den Rücken knallte, merkte sie, dass sie rückwärts gestolpert war.
„So war es abgemacht.“ Seelenruhig steckte Joel den Lavaorden in eine Metallbox. Beim Öffnen konnte man bereits den Sichelorden aufblitzen sehen. Anschließend fuhr der Braunhaarige sich durch die Haare, grinste schmal und legte den Kopf schief. „Komm schon, Faith, du benimmst dich kindisch. Eine Wette ist eine Wette und wenn du gewonnen hättest, würdest du Smettbo doch auch haben wollen. Also? Ich warte. Und ich habe ganz sicher nicht ewig Zeit.“
Sie schnaubte, verschluckte sich dabei und blinzelte die Tränen in ihren Augen weg.
„Faith…“ Besorgt blickte Mira zu ihr und wollte gerade auf sie zugehen, da hob Faith die freie Hand und schüttelte den Kopf.
„Nein, schon gut, Mira. Er hat recht, es war so abgemacht.“
Anja blinzelte neugierig zwischen den versammelten Jungtrainern hin und her, zuckte schließlich mit den Schultern und ging wortlos zurück in die Arena, wo sie immerhin noch Itsuki sitzen hatte, weil sie sich mit ihm treffen wollte.
Joels Kopf kam wieder in die Senkrechte, dann ließ er seine Mundwinkel wieder nach unten gleiten und blickte Faith einfach nur noch ausdruckslos an. „Du gibst mir Taubsi?“
Faith schluchzte, setzte sich in Bewegung, rammte ihm den Pokéball in die Hand und stolperte die Treppen der Veranda runter. Tränen liefen ihr die Wangen runter. Sie kam sich wie ein totaler Idiot vor, wie hatte sie sich nur auf diese bescheuerte Wette einlassen können? Plötzlich blieb sie stehen, drehte sich zu ihm um und ballte die Fäuste. „Und wenn du Taubsi nicht gut behandelst, dann komme ich persönlich zu dir und sorge dafür, dass dein Arsch auf Grundeis geht und du nie wieder auch nur einen Pokéball anrühren wirst, verstanden?“
Joel lachte auf, drehte den Pokéball geschickt in den Fingern und schlenderte die Treppe runter, bis er direkt vor Faith stand. „Das willst du also tun?“
„Das schwöre ich dir!“, zischte sie zurück, verengte die Augen und begann im nächsten Moment wieder zu weinen, sodass sie die Hände vor ihr Gesicht hob und ihr ein paar türkisene Haarsträhnen über diese fielen.
Belustigt schaute Joel auf sie herab und legte im nächsten Moment die Arme um sie, was sie zusammenzucken ließ. „Das ist ja wirklich nett von dir, aber warum hast du diese heroische Ader nicht schon bei der Berghütte raushängen lassen? Kein Trainer, der wirklich erfolgreich sein will, würde sein Pokémon bei so einer bescheuerten Wette verhökern. Du bist naiv, temperamentvoll und dumm, Faith Loraire. Betrachte deine Lektion als gelernt, hm?“
Sie hatte aufgehört zu schluchzen, starrte einfach geradeaus zwischen ihren Fingern hindurch auf sein Shirt, das frisch gewaschen roch. Irritiert blickte sie zu ihm hoch und wusste nicht, was sie auf einmal von ihm halten sollte, da schob er sie auch schon von sich und klopfte sich die Hände ab, als würde er es bereuen sie auch nur angefasst zu haben.
„Außerdem kann ich mit so einem schwachen Pokémon, wie es deine sind, sowieso nichts anfangen.“ Er warf ihr den Pokéball von Taubsi zu, drehte sich um und winkte beim Gehen. „Man sieht sich.“
Noch immer war Faith sprachlos, drückte jedoch den Pokéball an sich und sah noch einige Minuten lang zu der Stelle, an der sie ihren Rivalen aus den Augen verloren hatte.
„Da hattest du ja noch einmal richtiges Glück“, bemerkte Mira ebenfalls erstaunt von der Veranda aus und ging dann zu ihrer Freundin. „Ich denke, du solltest jetzt nicht gegen Anja kämpfen.“
„Er ist ein Idiot…“
„Was?“ Mira hob die Augenbrauen und musterte Faith lange. „Meinst du Joel?“
„Er ist so ein Idiot, wie konnte er mir das antun! Er spielt mit mir, dieses Arschloch!“ Wütend stampfte sie auf den Boden, schüttelte vehement den Kopf, steckte den Pokéball zurück an ihren Gürtel und ignorierte das Brennen ihrer Augen, als sie wie eine Naturgewalt durch die Straßen von Bad Puvicia rannte. Sie wollte einfach nur noch raus aus der Stadt. Weg von Mira, weg von Itsuki, weg von der Arena – und vor allem weg von Joel, der so gut gerochen hatte und einen so beruhigenden Herzschlag gehabt hatte.
Irgendwo außerhalb der Stadt auf dem Weg zum Vulkan blieb sie stehen, guckte in den Himmel und stellte sich vor, dass eine der Wolken Joels Gesicht war. „Ich hasse dich!“ Von Zorn und undefinierbaren Gefühlen übermannt schloss sie die Augen. „Ich hasse dich…“
„Vol?“
Erschrocken drehte Faith sich zu dem Geräusch um und blickte direkt zu einem Voltilamm, das in ihrer Nähe graste und ihren kleinen Gefühlsausbruch mit regem Interesse verfolg zu haben schien.
„Was glotzt du so?“
„Voltilamm!“ Das Elektropokémon sprang pikiert auf und begann kleine Stromstöße in seinem flauschigen Fell aufzuladen. „Lamm!“
„Ach sei doch still.“ Faith betätigte Bibors Pokéball und entließ ihren Starter, der sich sofort kampfbereit in die Luft erhob und auf Faiths Befehl hin eine Ladung Giftstachel auf das Schaf abschoss.
Voltilamm wurde hart getroffen, purzelte vergiftet zurück und konterte mit einem Donnerschock, der Bibor ziemlich zusammenzucken ließ.
Daraufhin setzte Bibor mit einer schnellen Kombination aus Tackle und einem weiteren Giftstachel nach, bis Voltilamm besiegt liegen blieb und Faith ihren Starter zurück in den Pokéball holte.
Einen Moment zögerte Faith, schüttelte dann den Kopf und angelte nach einem leeren Pokéball, den sie auf Voltilamm schmiss. Sie sah zu, wie der Ball das Schaf einsog, wackelte und schlussendlich ruhig liegen blieb. Wie ferngesteuert hob sie den Ball auf, hängte ihn zurück an ihren Gürtel und spürte, dass die Wut und der Zorn auf Joel durch den schnellen Kampf gerade eben verpufft waren.
Mit dem Fuß kickte sie einen Stein vor sich her, schlug jedoch weiterhin den Weg zum Vulkan ein und suchte sich eine freie Stelle etwas abseits des Weges, wo sie sich hinsetzte und einfach nur das Sommerwetter genoss, bis ihr die Idee nach einem Training kam. Sie würde sich nicht noch einmal so von Joel vorführen lassen, denn immerhin war sie Faith Loraire, der zukünftige Pokémonchampion!
Finera - Kapitel 24 - Wer A sagt, muss auch B sagen
Es wurde Abend und die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen, wodurch bereits ein leichter Orangeschimmer über die Berge ragte und den Vulkan von Bad Lapidia in ein romantisches Licht tauchte. Nur schade, dass Faith so eine romantische Szenerie momentan gar nicht sehen wollte und deshalb mürrisch auf einem breiten Stein saß.
Taubsi hatte auf ihrer Schulter Platz genommen und zupfte sich die vom Training zerzausten Federn zurecht, weshalb immer wieder einzelne Federn gegen Faiths Wange knallten, was die Trainerin jedoch nicht zu stören schien. Bibor lag auf dem Rücken im schaute hinauf in den Himmel, wo es den vorbeiziehen Wolken Formen gab und sie allesamt mit Pokémonfutter assoziierte, weil es mittlerweile doch recht hungrig war. Und Voltilamm, der Neuzugang in Faiths Team, schmiegte sich an die Beine der Trainerin, mähte leise vor sich hin und kaute auf einem Grashalm herum.
Plötzlich vernahm Faith Schritte und dachte schon, dass Mira oder Itsuki – womöglich sogar Joel – nach ihr suchten, doch bereits im nächsten Moment machte sich Enttäuschung in ihr breit, als eine ihr unbekannte Trainerin den Weg entlangging und anhielt, als sie Faith sah.
„Huch, wieso sitzt du denn hier? Es wird bald dunkel.“ Das Mädchen schien nur ein wenig jünger zu sein als Faith und auf ihrer Schulter saß ebenfalls ein Taubsi, das neugierig gurrte, als es Faiths Taubsi sah. Sogleich erhoben sich beide Vogelpokémon in die Luft und flogen einige Runden zusammen, ehe sie zu ihrer jeweiligen Trainerin zurückkehrten.
„Ich habe hier trainiert“, meinte Faith schließlich gedehnt, stand auf und klopfte sich den Schmutz von der Hose. „Aber eigentlich wollte ich jetzt auch langsam zurück nach Bad Lapidia.“
„Das trifft sich gut, da muss ich auch hin.“ Die Kleine mit den hüftlangen, rosa Haaren und ebenso rosa Augen lächelte freundlich und wartete, bis Faith ihre drei Pokémon zurück in die Pokébälle geholt hatte. „Ich muss zur Arena, Anya heißt die Leiterin, glaube ich.“
„Ja. Anya.“ Faith nickte und schlenderte neben der Unbekannten den steinigen Pfad entlang, den sie früher am Tag erst hinauf gestampft war. „Willst du gegen sie antreten und den Lavaorden gewinnen?“
„Ich und in der Arena kämpfen? Nee, sicher nicht.“ Die Rosahaarige kicherte und schien über den Gedanken sichtlich amüsiert zu sein, zupfte dann aber an ihrem Fischernetzärmel und grinste breit. „Ich bin Janinas Schülerin – ein Ninja. Kennst du Janina?“
Faith schüttelte den Kopf, dachte dann erst nach und bemerkte bald, dass es ihr doch ein wenig dämmerte. „Warte mal, gibt es in Kanto nicht eine Arenaleiterin, die so heißt? Janina, meine ich?“
„Ganz genau. Janina musste hier in Bad Lapidia etwas erledigen und hat das mit einem Treffen mit Anya verbunden. Ich bin nur mitgekommen, weil Janina darauf bestanden hat. Den Tag über habe ich oben am Vulkan trainiert – schon komisch, dass ich mittlerweile so viel Spaß am Pokémontraining habe.“
„Pokémon zu trainieren macht doch auch Spaß“, entgegnete Faith irritiert und konnte sich nicht vorstellen, wie jemand das nicht mögen könnte, wenn sie Mira wegen ihrer Schüchternheit einmal außen vor ließ. „Erklär mir das mal.“
„Also gut. Aber bevor ich es vergesse, ich bin Anzu.“ Freundlich lächelnd streckte Anzu ihr die Hand hin und erwiderte gut gelaunt Faiths festen Händedruck. „Ich wollte nie eine Pokémontrainerin sein, nie. Ich mochte Pokémon nicht wirklich, aber Janina hat mich nach Alabastia zu Professor Eich geschleppt und er hat mir ein Taubsi gegeben.“ An der passenden Stelle gurrte ihr Taubsi und plusterte stolz sein Gefieder auf. „Du kannst dir sicher denken, dass ich am Boden zerstört war, aber es kam noch schlimmer.“
Faith hob abwartend eine Augenbraue in die Höhe.
„Als ich im Labor war, ist ein männliches Nidoran aus einem Ei geschlüpft und es sah mich. Irgendwie muss es mich für seine Mama gehalten haben, jedenfalls ist es mir hinterhergelaufen und dann hat der Professor es mir einfach so anvertraut. Das war der schlimmste Tag in meinem Leben – jedenfalls habe ich das damals gedacht.“ Grinsend zuckte Anzu mit den Schultern. „Heute bin ich richtig froh, dass ich mein Team habe. Taubsi ist immer für mich da und Nidoran ist mittlerweile ein stattliches Nidoking geworden. Dann wären da auch noch mein Arkani, Lapras und ein Shiny Knofensa, das ich mehr durch Zufall gefunden habe.“
„Wow, das klingt ziemlich beeindruckend. Dagegen ist meine Vita kurz und schmerzlos. Das bedeutet dann, dass du niemals aufgegeben hast und immer trainiert hast, bis du mit deinen Pokémon so ein gutes geworden bist, nicht wahr?“
Anzu nickte und streichelte Taubsi am Kopf. „Genau. Janina hat immer gesagt, dass sie nichts Anderes von mir erwartet hätte. Oh, da vorne ist auch schon die Stadt. Wir müssen heute Abend noch abreisen, viel Zeit bleibt mir gar nicht mehr. Schade eigentlich, dabei wollte ich noch die heißen Quellen ausprobieren. Wie heißt du eigentlich?“
„Faith. Entschuldige meine schlechten Manieren, ich bin heute ein wenig durch den Wind. Faith Loraire ist mein Name, ich bin auch Pokémontrainerin. Mein Team hast du vorhin ja schon gesehen.“
„Du wirkst etwas niedergeschlagen, Faith. Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?“
Faith lachte in sich hinein und schüttelte den Kopf. „Nein, ist schon gut. Ich habe einen Rivalen und der setzt mir irgendwie immer dann zu, wenn ich am verletzlichsten bin.“ Die Wut über Joel kehrte in einer tosenden Welle zurück und brach über Faith zusammen. „Ich hasse ihn, er macht sich ständig über mich lustig und meint mich aufziehen zu müssen. Er hält sich für den nächsten Pokémonchampion und erkennt mich nicht einmal als Konkurrenz an, womit er momentan sogar recht haben könnte, weil ich mich total blöd anstelle und auf der Stelle trete!“
„Es geht mich zwar nichts an, aber ich bin immer so neugierig. Erzähl mir mehr, bitte!“ In Anzus Augen blitzte reges Interesse auf, was Faiths machtlos seufzen ließ.
„Na schön. Wir haben einmal gegeneinander gekämpft und da hat er meine Pokémon regelrecht in den Boden gestampft. Er ist ein wahnsinnig guter Trainer, das muss ich zugeben, aber das darf er natürlich nie aus meinem Mund hören. Mein Traum ist es schon immer Pokémonchampion zu werden, aber auf einmal ist jemand wie Joel da und bedroht diesen Traum.“
„Und davon lässt du dich unterkriegen? Ich sage dir jetzt mal was, Faith. Ein Ninja gibt niemals auf, ein Ninja weiß jedoch, wann es strategisch besser ist sich zurückzuziehen. Du darfst dich niemals von ihm unterbuttern lassen, niemals unterkriegen lassen, verstanden? Wenn es dein Traum ist, dann halte an ihm fest. Wer A sagt, muss auch B sagen. Gib niemals auf und sei wie ein Fluss, verstanden? Immer in Bewegung sein, niemals still stehen und mit der Zeit können selbst riesige Felsen gebrochen werden.“
„Anzu, da bist du ja! Wir wollen fahren, kommst du?“
Anzu blickte Faith energisch in die Augen, drehte sich dann zu der Stimme um und winkte einer jungen Frau. „Ich bin gleich da, Janina!“ Schnell wandte sie sich wieder Faith zu. „Verstanden?“
„Niemals aufgeben, wie ein Fluss sein. Ja, ich glaube, das habe ich verstanden. Danke, Anzu.“ Sie nickte dem Mädchen zu und lächelte es freundlich an. „Vielen Dank.“
„Keine Ursache.“ Anzu zuckte kurz mit den Schultern, dann drehte sie sich um und lief wie ein kleiner Wirbelwind zu Janina, mit der sie hinter der nächsten Straßenbiegung verschwand.
„Wie ein Fluss“, murmelte Faith leise vor sich hin, ballte die Hände zu Fäusten und entspannte sie kurz darauf wieder. „Ich bin wie ein Fluss und ich werde Joel brechen.“ Aber zuerst musste sie sich bei Mira entschuldigen, dass sie einfach fortgerannt war und sie stehen gelassen hatte. Mit neuem Mut und neuem Tatendrang kehrte Faith ins Pokémoncenter zurück und wusste, dass ein Teil von ihr sich verändert hatte. Sie war auf dem besten Weg, eine ganz neue Faith zu werden.