Lou vergrub ihr Gesicht für einen Moment in ihren Händen. Die Situation war tatsächlich noch peinlicher geworden. "Du machst dich gerade lustig über mich!", warf sie Ethan vor, wirkte allerdings alles andere als überzeugend. Sie atmete einmal tief durch, um sich wenigstens ein bisschen zu sammeln. "Ich hab grad unbeabsichtigt mit dir geflirtet, oder?", fragte Lou anschließend nach, noch immer hochrot. "Verdammt! Da ist sogar deine Bemerkung gerechtfertigt!"
"Ich mache mich nicht über dich lustig, ich habe lediglich nicht mit dieser Reaktion gerechnet", erwiderte Ethan mit einem kurzen Kopfschütteln, nachdem Lou die Hände wieder von ihrem Gesicht genommen hatte. "Und was unbeabsichtigtes Flirten angeht..." Er hob die Schultern, weil er sich streng genommen nicht einmal sicher war, ob man überhaupt unbeabsichtigt flirten konnte. "Ich kann mir Schlimmeres vorstellen."
"Was ist denn deiner Meinung nach schlimmer als unbeabsichtigtes Flirten?", wollte Lou dann von Ethan wissen. Ihr war die ganze Situation noch immer peinlich, vor allem, da ihr jetzt erst bewusst wurde, wie viel von dem, was sie gesagt hatte, eigentlich zweideutig gewesen war. "Das ist mir gerade voll peinlich. Mir ist überhaupt nicht klar gewesen, was ich da geredet hab! Also nicht, dass es nicht gestimmt hat. Nur halt anders als man es normalerweise verstehen kann... Ach verdammt!", meinte das Mädchen und schaffte es definitiv nicht, Ethan anzusehen.
"Ich frage mich eher, was an unbeabsichtigtem Flirten so schlimm ist", erwiderte er mit einem Schulterzucken. "Es ist ja nicht so, als wäre jetzt irgendetwas Dramatisches passiert." Oder doch - denn Lou schien ihn aus irgendeinem Grund nicht ansehen zu wollen. "Alles okay, Lou?", hakte er sicherheitshalber nach, weil er nicht wollte, dass das Ganze irgendwie ausuferte.
"Weil flirten bedeutet, dass man ein... spezielles Interesse an jemandem hat", erklärte Lou. "Und wenn man sich so benimmt, als wäre das Fall, obwohl er das nicht ist, dann nennt man das unabsichtliches Flirten. Allerdings gibt es keine Möglichkeit, um festzustellen, ob es nun Absicht oder keine Absicht gibt, außer meiner Aussage. Und dadurch ist das Ganze gerade furchtbar unangenehm geworden. Das ist voll peinlich! Vor allem, weil du ja voll berechtigt dann einen Kommentar zurückgegeben hast..." Lou bemerkte, dass ihr Sprechtempo zugenommen hatte, sodass sie sich lieber für den Moment unterbrach und sich eher frustriert die Haare raufte.
Ethan war reichlich überfordert mit dieser Situation. Er war sich nicht einmal sicher, wie es überhaupt dazu gekommen war. In jedem Fall wirkte Lou regelrecht aufgelöst, sodass er letztlich nach ihren Schultern griff. "Beruhig dich erstmal", sagte er dann betont ruhig, weil Lou sonst nicht so... aufgelöst war. "Ich verstehe höchstens die Hälfte, von dem, was du mir gerade an den Kopf wirfst und ganz abgesehen davon gibt es keinen Grund, sich da reinzusteigern."
Warum zum Nocryph musste er sie jetzt auch noch so festhalten? Lou spürte wie ihre Gesichtsfarbe wieder intensiver wurde und das half ihr keineswegs dabei, sich zu beruhigen. "Ich... ich...", begann sie schließlich, brach dann aber ab, um ein paar Mal tief durchzuatmen. Lou war klar, dass sie sonst vermutlich nicht reden konnte. "Ich hab grade was gemacht, was absolut peinlich ist. Mir jedenfalls", erklärte sie letztlich, allerdings hatte Lou noch immer Probleme damit, ihn anzusehen. "Und meine Reaktion ist auch voll peinlich und jetzt hältst du mich wahrscheinlich für absolut hysterisch und ich kann es dir nicht mal übelnehmen."
Ethan bemerkte, dass es alles andere als hilfreich war, sie festzuhalten, sie er sie wieder losließ und schwer seufzte. "Ich halte dich nicht für hysterisch", erwiderte er dann mit einem Kopfschütteln, obwohl sie ihn immer noch nicht ansah. "Ich wollte nicht, dass mein Kommentar sowas auslöst." Er seufzte erneut. "Soll ich gehen?"
Lou seufzte tief, schaffte es aber zumindest ihren Blick zu heben und Ethan anzusehen. "Es war nicht dein Kommentar... Das war ich schon selber", erwiderte sie dem jungen Mann. "Bei deinem Kommentar hab ich nur gemerkt, was ich gemacht habe." Das Mädchen rieb sich noch immer verlegen über die Oberarme. "Ich... ich wollte nicht flirten", erklärte Lou schließlich. "Ich wollte nett sein, ja... Aber halt auf freundschaftlicher Ebene. Und Freunde flirten nicht miteinander... Sollten sie jedenfalls nicht. Das gibt nur Missverständnisse..." Sie seufzte abermals und sah Ethan letztlich sogar richtig an. "Das Ganze tut mir sehr leid... Aber du musst deswegen nicht gehen. Du hast ja nichts falsch gemacht."
"Wofür entschuldigst du dich jetzt?", hakte Ethan irritiert nach. "Im Ernst, Lou, es ist alles okay, zumindest für mich." Ob das auch für sie galt, war allerdings fraglich. Ihm fiel auf, dass er sich Sorgen machte, dass diese Aktion die Freundschaft gefährdete, aber ob und wie er das zum Ausdruck bringen sollte, wusste er nicht.
"Dafür, dass ich mich blöd benommen habe und Dinge signalisiert habe, die ich nicht signalisieren wollte", rechtfertigte Lou ihre Entschuldigung. "Ich will nicht, dass du womöglich irgendwann glaubst, dass ich die Freundschaft benutze, um mehr von dir zu wollen... Also um dir näher zu sein." Das Mädchen seufzte abermals. "Ich find es schön, dass wir so gute Freunde geworden sind und das will ich nicht riskieren, nur weil ich mich blöd benehme", erklärte Lou dann noch. "Und ich bin wirklich, wirklich dankbar, wenn es dir echt nichts ausmacht, dass ich mir so einen Fehltritt geleistet habe."
Ethan schwieg einen Moment lang. Wenigstens schien Lou die Freundschaft ebenso wenig gefährden zu wollen wie er. Allerdings hatte Ethan bisher keinen Gedanken daran verschwendet, dass aus einer Freundschaft überhaupt mehr entstehen konnte. Und er musste zuzugeben, dass er diese Vorstellung deutlich weniger schlimm fand, als Lou sie darstellte. Er räusperte sich kurz. "Wie gesagt, es ist okay", wiederholte er seine Aussage. "Ich nehme die das nicht übel. Wieso sollte ich auch?"
Ethan schwieg und Lou wusste nicht, was sie davon halten sollte. Das war eigentlich ein schlechtes Zeichen, oder? "Weil sowas nervig und anstrengend ist?", beantwortete sie seine Frage. Da wäre er nicht der Erste und vermutlich auch nicht der Letzte, der das anmerken würde. "Wie gesagt, ich könnte dir das nicht einmal übelnehmen, weil ich weiß, dass es stimmt." Und vermutlich hatte er gerade genau darüber nachgedacht, sprach es aber nicht aus, weil er höflich war. Lou nahm an, dass er einfach nach einem Weg suchte, die Sache... nett anzusprechen.
"Punkt eins", erwiderte Ethan, als Lou noch immer darauf beharrte, dass das Ganze nervig war. "Ich fand es nicht anstrengend oder nervig, sondern eher überraschend, einfach weil ich nicht mit so einer Reaktion gerechnet habe." Er schnaubte. "Und Punkt zwei", fuhr er dann fort, "auch ohne Erfahrung mit Freundschaften zu haben, erscheint es mir relativ sinnfrei, eine Freundschaft wegen so etwas anzuzweifeln."
Lou war tatsächlich positiv überrascht, als sie feststellen musste, dass Ethans Gedanken wirklich in eine völlig andere Richtung gingen. Das war wirklich eine Erleichterung für sie und Lou merkte, dass ihr durchaus ein Stein vom Herzen fiel. "Das find ich auch...", erwiderte sie dem jungen Mann. "Aber ich weiß, dass ich diese Seite an mir habe und auch, dass es durchaus Ärger mit sich bringt... Nicht jeder sieht das so... neutral wie du."