"Hey... Es ist okay", sprach Lou beruhigend auf Ethan ein und griff nach seiner Hand, um sie leicht zu drücken. "Und was du ausrichten kannst? Eine ganze Menge. Du hast uns beide vor den Hunduster beschützt und du bist unglaublich klug. Du weißt eine Menge und du kannst immer so logisch und analytisch an Sachen rangehen. Das kann keiner von uns sonst. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass du sowas wie der inoffizielle Anführer der Gruppe bist. Und das sagt einiges über dich und deine Fähigkeiten aus", meinte das Mädchen überzeugt.
Ethan sah kurz zu Lous Hand, dann schüttelte er den Kopf. "Ich hatte Privatunerricht, jede Menge, das ist alles", erwiderte er dann. "Und meine logische Herangehensweise hört sehr schnell auf, wenn es um diese Leute geht." Er atmete schwer aus. "Außerdem will ich kein Anführer sein. Ich bin höchstens ein... logischer Berater oder sowas." Ethan schnaubte. "Und bei den Hunduster... hat Bonaparte die Arbeit gemacht."
"Warum du klug bist, spielt doch keine Rolle. Fakt ist, dass du es bist", widersprach Lou dem jungen Mann. "Und auch sonst solltest du nicht herunterspielen, was du kannst. Wir alle schätzen deine Meinung und auch die Tatsache, dass du uns ernst nimmst. Und was den Kampf mit den Hunduster angeht, darfst du nicht vergessen, dass du Bonapartes Trainer bist. Und es ist doch die Aufgabe des Trainers Befehle zu geben, eine Strategie zu haben und den Kampf im Auge zu behalten, oder? Soweit ich das beurteilen kann, hast du das getan."
"Aber das alles ändert nichts", erwiderte er mit einem erneuten Kopfschütteln. "Bonaparte kann gegen die Leute genauso wenig ausrichten wie ich. Nicht einmal mein Vater scheint etwas herausfinden zu können, ich hab immer noch nichts wegen der Nummer gehört. Die sind einfach übermächtig und das macht mir Angst. Viel zu viel Angst."
Lou seufzte und sah Ethan mitleidig an. Sie verstand seine Zweifel, sie verstand sie nur zu gut. "Aber du bist immer noch hier", wies sie ihn auf das Offensichtliche hin. "Und du hast sogar dafür gesorgt, dass wir morgen mit Kate reden. Und jemanden, der etwas tun kann, dazu zu bringen, das auch zu machen, ist vielleicht nicht heroisch, aber immer noch sehr viel wert."
"Ja, ich bin noch hier", bestätigte Ethan und seufzte schwer. "Aber du siehst selbst, wie gut ich damit klarkomme." Überhaupt nicht. "Es ist doch keine Lösung, wenn ich jetzt wochenlang nicht richtig schlafe!" Er schüttelte den Kopf. "Ich... weiß nicht weiter."
Unbewusst verstärkte Lou den Druck auf Ethans Hand und suchte anschließend seinen Blick. "Ich kann dir leider nicht sagen, dass schon alles gut werden wird, denn das weiß ich nicht", meinte das Mädchen. "Aber ich kann dir sagen, dass du Vertrauen in dich haben solltest. Ich hab es jedenfalls." Lou seufzte und umarmte Ethan schließlich. "Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich tun kann, aber ich will, dass du weißt, dass du nicht allein bist. Wenigstens das kann ich dir versprechen."
Ethan war sich nicht sicher, was er erwidern sollte, aber bevor er überhaupt dazu kam, etwas zu sagen, umarmte ihn Lou. Er hatte kein Vertrauen in sich - zumindest nicht in dieser Hinsicht. Diese Leute waren zu mächtig und er bezweifelte mittlerweile stark, dass es so etwas wie ein gutes Ende überhaupt geben konnte. "An Letzteres gewöhne ich mich langsam", merkte er trotzdem an und erwiderte die Umarmung. Letztendlich hatte Lou damit wohl sogar recht.
"Das ist doch ein Anfang", erwiderte das Mädchen und versuchte zuversichtlich zu klingen. Sie hielt Ethan noch einen Moment fest, ehe sie sich soweit von ihm losmachte, dass sie ihn ansehen konnte. Ihre Hände ruhten dabei auf seinen Oberarmen und übten auch hier den leichten Druck aus, mit dem sie zuvor seine Hand gehalten hatte. "Wenn du das nicht tun willst, dann musst du das nicht", meinte sie schließlich ernst. "Und ich werde dir auch nicht zu irgendwas raten, was das angeht. Aber bevor du dich endgültig entscheidest, solltest du wirklich mit Bonaparte darüber reden, was da unten im Tunnel passiert ist."
Lou löste sich letztlich aus der Umarmung, ihre Hände lagen allerdings weiterhin auf seinen Oberarmen. "Doch, ich muss es tun", widersprach er dann und wich dabei ihrem Blick aus. "Ich könnte vermutlich noch weniger damit leben, wenn ich es jetzt einfach lasse und wieder nach Inito gehe."
Lou nickte auf Ethans Antwort hin. Sie würde seine Entscheidung nicht anzweifeln. "Dann steh zu deiner Entscheidung", meinte sie verständnisvoll. "Tu, was du kannst, damit du gut mit deiner Entscheidung leben kannst. Und wenn es etwas gibt, was ich tun kann, um dir zu helfen, dann sag es auch, okay?"
"So einfach ist es wohl nicht, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als es zu versuchen", erwiderte er mit einem halbherzigen Lächeln. "Und danke nochmal für das Angebot. Ich bin mir nicht sicher, was du tun kannst, aber... wenn ich es nicht angenommen hätte, hätte ich vermutlich nicht nachts um elf an deine Tür geklopft."
"Ich bin mir auch nicht sicher, aber ich bin überzeugt, dass es klar sein wird, wenn sich etwas ergibt", meinte das Mädchen mit einem Lächeln. "Und ich bin froh, dass du hergekommen bist. Wir sind vielleicht nicht bei deinem eigentlichen Problem weitergekommen, aber ich finde es schön, dass ich dir zeigen konnte, dass du auch nachts herkommen kannst. Dafür hat man schließlich Freunde."
"Ja, dass ich auch nachts stören kann, habe ich gemerkt", erwiderte Ethan mit dem Anflug eines Lächelns. In jedem anderen Kontext wäre diese Aussage von Lou vermutlich irgendwie... zweideutig gewesen. "Aber wie du schon sagtest, das Problem löst sich dadurch nicht in Luft auf." Er unterdrückte ein Gähnen. "Irgendwann bin ich so müde, dass ich gar nicht anders kann als zu schlafen."
"Vermutlich hast du recht", musste Lou ihm zugestehen. "Allerdings fände ich es besser, wenn du auch schlafen kannst, wenn du nicht irgendwann völlig am Ende bist." Das Mädchen seufzte und rang sich dann doch ein Lächeln ab. "Und rede wirklich mit Bonaparte. Ich bin mir sicher, dass das für euch beide wichtig ist", appellierte sie an Ethan. Zumindest in diesem Punkt war sie sich sicher, denn sie und Caleb hatten durch den Überfall auch ein gemeinsames und vor allem schlimmes Erlebnis gehabt.