Jakob trank die Tasse leer. Der Kaffee zeigte allmählich Wirkung, immerhin fühlte sich Jakob nicht mehr so müde. Die anderen hatten es sogar geschafft, dass sich seine Laune hob, obwohl er tatsächlich mit mehr Spott gerechnet hatte. Sogar Ethan taute bei diesem Thema auf und gab Preis, dass es mit seiner Familie auch nicht so schön lief. "Mit meinem Vater kann man auch kaum reden. Er hat seine Meinung und man kann ihn kaum vom Gegenteil überzeugen. Außerdem ist er sehr wortkarg." Dann schaute er zu Lou und lächelte diese an. "Ach, ich werde einfach versuchen, demnächst nochmal mit meiner Mutter zu telefonieren. Mit meinem Vater kann ich mich dann immer noch auseinander setzen, wenn ich wieder in Inito bin." Er schüttelte kurz den Kopf. "Aber genug davon, gibt es was Neues?"
"Ich muss heute noch meinen Vater anrufen", antwortete Ethan wenig begeistert. "Außerdem Johnson wegen des Tunnels. Und dann irgendwann Kate, wenn wir hingehen." Er aß den letzten Bissen seines Croissants. "Und abgesehen davon muss ich die Hotelzimmer verlängern." Er runzelte die Stirn. "Ich denke, das dürfte alles gewesen sein. Wie du siehst, wird es ein besonders großartiger Tag."
Jakob nickte dem reichen Jungen zu. "Ich verstehe schon. Viele Anrufe, auf die du keinen Bock hast? Okay, ich hoffe nur, dass der Tunnel was bringen wird." Er schüttelte kurz den Kopf und nahm einen Bissen von dem Brötchen, das er sich geholt hatte. "Das heißt, wir bleiben hier und melden uns nicht bei der Polizei wegen einer Unterkunft? Okay, dann sind wir dir ja echt was schuldig."
"Das mit dem Hotel ist wirklich klasse von dir. Danke dafür", stimmte Lou zu und nahm noch einen Bissen von ihrem Brötchen. "Kann man dir bei der Telefoniererei irgendwie helfen? Ich meine... Johnson könnte auch einer von uns anrufen. Du musst ja nicht alles machen." "Lou hat recht. Um Johnson anzurufen, kann man auch ein normales Telefon nehmen. Du müsstest nur einem von uns die Nummer geben", pflichtete Holly ihrer Begleiterin bei. Hinzu kam, dass sie auch den restlichen Tag irgendwie planen mussten und es wäre tatsächlich ein guter Anfang, wenn sie Ethan unter die Arme greifen würden.
"Eine echte Alternative gibt es nicht", antwortete Ethan mit einem Schulterzucken, bevor ein amüsiertes Lächeln auf sein Gesicht trat. "Und es ist nicht das First Row. Das First Row hat Suites, die ich mir auch nicht für mehr als ein paar Nächte gönnen würde." Er winkte ab und sah stattdessen zu der Farmerin, die tatsächlich angeboten hatte, ihm einen Anruf abzunehmen. Das waren gute Nachrichten, auch wenn es wohl der Anruf war, der am wenigsten anstrengend geworden wäre. Dennoch... ein Anruf weniger war ein Anruf weniger. "Ja, es dürfte sicher sein, wenn ihr Johnson aus einem der Zimmer anruft, ich gebe euch nachher die Nummer mit", erwiderte er dann mit einem Nicken. "Danke."
Jakob blickte zu Ethan. Ihm war nicht der Hinweis entgangen, dass Ethan auf Kates Suite gewesen sein musste. Jakob war schon eifersüchtig auf Ethan. Er hatte Kates Nummer, war in ihrer Suite gewesen und dort hatten sie... Jakob wollte es sich nicht ausmalen, was sie dort hätten machen können. Und das Schlimmste war: Ethan konnte es nicht wertschätzen, so nahe mit ihr befreundet zu sein. Jakob wollte ja eigentlich anbieten, ihm den Anruf bei Kate abzunehmen, aber er bezweifelte, dass Ethan ihre Nummer herausrücken würde. Jakob ärgerte sich, hätte er das vorher gewusst, hätte er einen Nummer gegen Nummer Deal vorschlagen können. "Ich glaube kaum, dass du mir den Anruf bei deinem Vater abgeben kannst", sprach Jakob schließlich zu Ethan. "Aber ich hoffe, du kannst etwas erreichen." Jakob hoffte außerdem, dass er neue Informationen zu der Organisationsnummer bekam.
"Kein Problem", erwiderte Holly und lächelte sogar. Sie fand es nur fair, Ethan die Aufgaben abzunehmen, die er nicht zwangsweise selbst tun musste. Immerhin bezahlte er ihnen die Unterkunft und die war alles andere als übel. "Wann wollen wir dann eigentlich unsere Beobachtung starten?", erkundigte sich Lou. "Tagsüber oder doch lieber heute Abend, wenn es schon dunkel ist? Ich glaube, dass beides Vor- und Nachteile hat."
"Ich halte es für keine gute Idee, nachts dorthin zu gehen", antwortete Ethan. "Zumindest wenn wir die Gegend nicht kennen. Wir können uns tagsüber umsehen und können notfalls heute oder morgen Abend immer noch weitersehen." Er konnte auf weitere Zwischenfälle wie den am anderen Ende des Tunnels verzichten und das Risiko war nachts deutlich größer. "Nach dem Frühstück rufe ich meinen Vater an und ihr kümmert euch um Johnson", fügte er dann hinzu. "Und sobald wir anschließend einen Plan haben, informieren wir Kate."
Jakob nickte und wollte noch einen Schluck Kaffee trinken. Leider war die Tasse bereits leer. "Ja, das klingt gut. Ich bin auch dagegen, dort nachts aufzutauchen, ohne dass wir wissen, wie es dort genau aussieht. Und falls tagsüber dort nichts passiert, können wir uns immer noch einmal nachts umschauen." Jakob blickte zu Holly. Er hatte keine große Lust, sich mit Johnson auseinanderzusetzen. Er glaubte, die Farmerin wäre dafür besser geeignet. "Übernimmst du dann den Anruf, Holly? Du hast dich ja im Prinzip schon freiwillig gemeldet."
"Ich hab mich nicht nur im Grunde freiwillig gemeldet", erwiderte Holly mit einem Schulterzucken und leerte schließlich ihre Tasse. "Mir macht das nichts aus. Wichtig ist nur, dass wir am Ende wissen, wo wir hin müssen." "Stimmt schon. Aber es stimmt auch, dass wir uns erst umschauen sollten. Vor allem um auch einen geeigneten Platz zum Beobachten zu finden. Weil wenn man uns zu leicht bemerkt, dann können wir uns das Ganze auch schenken", bemerkte das Mädchen und aß den letzten Rest ihres Brötchens. "Kann man wohl so sagen. Aber soweit sind wir noch nicht. Eins nach dem anderen. Wenn wir mit dem Frühstück fertig sind, dann sollten wir uns auf den Weg machen", meinte die junge Farmerin.
Ethan nickte, weil er dem soweit nichts hinzuzufügen hatte und musterte stattdessen den Tisch. "Ich gehe schonmal zu der Rezeption und verlängere die Zimmer", sagte er dann. "Bei der Gelegenheit schreibe ich Johnsons Nummer auf, an der Rezeption sollten sie Papier und Kugelschreiber haben." Er warf dem Idioten einen kurzen Blick zu, dann sah sah er zu den anderen. "Ihr wartet hier?"
Jakob unterdrückte ein Gähnen und schaute auf seine leere Kaffeetasse. "Ja, wir warten. Ich glaube, ich trinke sowieso noch einen Kaffee." Der Teenager streckte sich und stand auf. Hatte er sich das gerade eingebildet, oder hatte Ethan ihn gerade explizit angesehen? Egal, wenn etwas war, würde es ihm der reiche Junge auf dem Weg zum Kaffee sagen.
"Ich würde auch hier warten", erwiderte Lou. "Ich bin noch nicht fertig und hab auch überlegt, mir noch einen weiteren Tee zu holen." Sie war nicht unbedingt müde, sondern mochte schlicht Schwarztee. "Ich würde mitkommen. Dann kannst du mir die Nummer gleich geben und ich kann mich auf direktem Weg zu den Zimmern machen, um zu telefonieren", entgegnete Holly und stand auch prompt auf. Sie sah keinen Grund darin, unnötig Zeit zu verschwenden. Und Aufgaben aufzuschieben lag ihr ohnehin nicht.
Ethan unterdrückte das Bedürfnis, genervt zu seufzen. Er hatte den Idioten eigentlich auf den offensichtlichen Gesprächsbedarf hinweisen wollen, aber das schied jetzt eindeutig aus. "Das klingt sinnvoll", wandte er sich stattdessen an die Farmerin und nickte. "Ich werde dann im Anschluss direkt meinen Vater anrufen - von meinem Zimmer aus. Ich kann mir vorstellen, dass das länger dauert und anstrengend wird, also mache ich das besser in Ruhe." Er war sich nicht sicher, ob der Idiot diesen Wink mit dem Zaunpfahl verstehen würde, aber einen Versuch war es schließlich wert gewesen. Ethan sah zu der Farmerin. "Gehen wir zur Rezeption."
Jakob blickte kurz zu Ethan und nickte. Er hatte den Blick doch richtig interpretiert, allerdings waren jetzt Holly und Lou den beiden dazwischengekommen. Glücklicherweise hatte Ethan noch eine Notlösung parat. Zumindest dachte Jakob das und wenn nicht, wollte er sich sowieso noch mit dem Courtenay unterhalten. "Ich weiß, was du meinst", fing Jakob an und hoffte, dass Ethan seinen Wink verstand. "Wie wir schon festgestellt haben, können Eltern echt anstrengend sein. Wir sehen uns dann auf jeden Fall später." Mit diesen Worten machte sich Jakob auf den Weg, sich seine zweite Kaffeetasse zu holen.