"Passt schon", erwiderte Lou Jakob und wandte sich dann lieber zu Ethan. Sie wollte nicht mehr an Alois denken und was alles schief gegangen war. Das lag zurück und war vorbei. Endgültig. Allerdings war es keine schlechte Idee, wenn sie sich mal wieder bei ihren Freundinnen melden würde. Durch die ganzen Ereignisse der letzten Zeit waren die beiden etwas unter den Tisch gefallen. "Gibt es noch andere bemerkenswerte Geschichten von den Geschäftsessen?", wollte Lou letztlich von Ethan wissen. Sie nahm an, dass das eine der wenigen Gelegenheiten war, wo Ethan auch Kontakt zu anderen gehabt hatte und sie konnte sich nicht vorstellen, dass da absolut nichts Interessantes geschehen war. "Muss nichts Peinliches sein, aber irgendwas, was dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?"
Ethan runzelte leicht die Stirn, während er die Geschäftsessen Revue passieren ließ. "Die meisten waren relativ unspektakulär", merkte er dann an, während er sie gedanklich durchging. " Politische Diskussionen, Aktienverkäufe, der ein oder andere, steuerfreie Handel..." Er hob die Schultern. Das waren Dinge, die dazu gehörten. "Nach der Geschichte mit der Tischdecke war ich sehr vorsichtig." Zugegebenermaßen war er ratlos. Ihm fiel nichts ernsthaft Spektakuläres ein, also versuchte er, so zu denken, wie jemand, der noch nie auf einem Geschäftsessen gewesen war. Was wäre aus diesem Blickwinkel wohl als Spektakulär zu betiteln? "Seit ich achtzehn bin, gab es hin und wieder irgendeine Verlobungsanfrage seitens irgendwelcher Großaktionäre mit Töchtern", merkte er dann an. "Aber das ist streng genommen auch Alltag bei solchen Essen."
"Verlobungsanfragen? Ernsthaft?", kam es doch recht überrascht von Lou. "Und das ist auch noch normal? Wie normal ist es dann, das sowas angenommen wird?" "Die viel wichtigere Frage ist doch, wer da bestimmt", gab Holly zu bedenken. Auch die junge Farmerin wirkte ziemlich überrascht von dieser Information. "Und ich hab immer geglaubt, sowas gibt es seit dem Mittelalter nicht mehr", gestand die jüngere der beiden. "Ist sowas nicht peinlich? Oder zumindest unangenehm?", wollte Holly von Ethan wissen.
Nach Lous Aussage war Jakob ersteinmal ruhig geblieben. Er wollte sich einfach für den Moment ein wenig zurücknehmen und lauschte dann Ethans Erzählungen. Bei den Kommentaren der beiden Mädels musste er kurz belustigt schnauben. "Ja, ich hätte auch nicht gedacht, dass es da so zugeht mit dem Verkuppeln... andererseits... wenn ich mich so erinnere, was meine Ma so aus ihren Klatschmagazinen erzählte... Ethan scheint ja eine gute Partie zu sein und die Presse hätte sicherlich gerne so ein Geschäfts-Pärchen gesehen." Dann schütelte Jakob aber kurz den Kopf. "Steuerfreier handel? Ernsthaft? Das klingt mir so nach Schmuggel... oder Schwarzmarkt. Hätte nicht gedacht, dass sich sowas bis nach oben durchzieht." Mit Schwarzmarkt hatte Jakob gewissermaßen Erfahrung. Antonio war sein Ansprechpartner in diese Richtung gewesen. Er fragte sich, was aus ihm geworden war, nachdem er versucht hatte, Caleb zu stehlen. Und wenn er sich richtig erinnerte, hatte er von dem Typen, der ihm Siggis Ei verkauft hatte, auch nie eine richtige Züchterlizenz gesehen.
"Ja, ernsthaft", erwiderte Ethan mit einem Anflug von Amüsement. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass das für die anderen nicht unbedingt normal war, aber dass sie das derartig spektakulär fanden, hatte er nicht erwartet. "Und was das Bestimmen angeht... Im Normalfall das Geld." Er hob die Schultern. "Ich habe wenig Lust auf so etwas und glücklicherweise war bisher keine Anfrage dabei, die mein Vater als passend betrachtet hätte. Wenn doch, hätte das vermutlich eine Menge Diskussionen zur Folge gehabt. Und das wiederum wäre vermutlich deutlich unangenehmer geworden als irgendeine Anfrage." Erneut hob er die Schultern. Glücklicherweise gab es wenig Aktionäre, die ein Kapital besaßen, das überhaupt mit dem seines Vaters vergleichbar war und das schränkte zumindest für Ethans Vater die Auswahl beträchtlich ein. Streng genommen annullierte es sie sogar gewissermaßen. "Und ja", wandte er sich dann an den Idioten, "bis nach oben. Ehrliche Geschäfte sind schön und gut und wenn man es richtig macht, sind sie auch lukrativ, aber für viele ist es einfacher, wenn man das Ganze direkt ohne Steuern berechnen kann."
"Das klingt ungefähr wie das, was wir mit den Voltilamm machen, wenn wieder Zucht ansteht", meinte Holly, während sie kurz missbilligend schnaubte. "Klingt nicht so, als ob du viel Auswahl hättest." "Kann man da überhaupt von Auswahl reden?", wollte Lou wissen, wobei sie eher skeptisch klang. "Immerhin ist dein Vater doch gefühlt der Großaktionär schlechthin. Gibt es da überhaupt irgendwen, der eine Tochter hat, die in Frage kommen könnte?" "Ich bezweifle das ehrlich gesagt", erwiderte Holly, die von dieser Prozedur alles andere als angetan war. "Vielleicht der Kerl, der letztens seine Pressekonferenz da gehalten hat. Wie hieß er gleich? Arkwright?" "Sehr witzig Holly", gab Lou mit einem ähnlichen Tonfall zurück. "Hat der überhaupt eine Tochter?" "Woher soll ich das wissen? Frag Ethan", gab die Angesprochene zurück. Lou zuckte mit den Schultern und sah dann auffordernd zu dem jungen Mann.
Jakob musste sich das Grinsen verkneifen, als das Thema recht zielsicher auf Arkwright und dessen Tochter ging. Jakob wusste ganz genau, dass dieser eine Tochter hatte und wer das war. Allerdings war es erstens schwer, sich Kate mit Ethan zusammen vorzustellen, und zweitens wollte sie sehr eindeutig ihre Identität geheim halten. "Sehr, sehr witzig", kommentierte dann Jakob. "Ja... bin mir nichtmal sicher, ob Arkwright überhaupt Kinder hat... ich erinnere mich zumindest nicht, dass meine Ma da mal was erzählt hätte" Er hoffte, dass diese Lüge nicht auffallen würde, auch wenn er mittlerweile wieder bei dem Gedanken an Kate grinsen musste.
Als Holly zielsicher eine potentielle Tochter von Arkwright ansprach, bereute Ethan das Thema sofort. Und ein kurzer Blick zu dem Idioten zeigte ihm, dass dieser seine Lüge mit einem halbherzig kaschierten Grinsen verriet. Am liebsten hätte Ethan ihn an Ort und Stelle erdrosselt. "Er hat tatsächlich eine Tochter", erwiderte Ethan mit einem Schulterzucken. "Sie ist aber selten bei solchen Essen dabei - streng genommen fast nie. Ich habe sie höchstens zwei- oder dreimal gesehen. Außerdem bezweifle ich, dass Arkwright ein Interesse daran hätte, in irgendeiner Form Verbindungen mit einem Großaktionär einzugehen. Vermutlich spekuliert er eher darauf, dass sie gar nicht heiratet und das Vermögen erstmal in der Familie bleibt."
Lou sah sehr skeptisch zu Jakob. Seine Aussage machte zwar Sinn, aber irgendetwas machte sie misstrauisch. Er schien irgendwie zu grinsen, aber warum konnte Lou beim besten Willen nicht sagen. "Aber muss sie nicht irgendwann doch heiraten, damit das Unternehmen dann in die Generation nach ihr weitergegeben werden kann? Klingt alles ziemlich kompliziert, wenn du mich fragst", meinte Holly kopfschüttelnd. "Ich kann mir auch vorstellen, dass ab irgendeinem Punkt auch wichtige Personen aus dem Ausland interessant werden. Oder andere VIPs, die nichts mit der Wirtschaft zu tun haben", gab Lou zu bedenken.
Jakob merkte Ethans kurzen Blick und versuchte, wieder eine neutralere Miene aufzusetzen. Trotzdem war der Gedanke, dass sie über Kate redeten, ohne dass Holly und Lou das wussten, sehr erheiternd. "Keine Ahnung", meinte Jakob dann schließlich. "Ich weiß nicht, wie Arkwright vorgehen will, um sich die Zukunft zu sichern. Allerdings scheint er ja mit der Polizei-Aktion auch keine Probleme damit zu haben, den Karren gegen eine Wand zu fahren, wenn ihr mich fragt." Er schüttelte dann kurz den Kopf. "Auch wenn die Vorstellung, Ethan mit einer Unbekannten zu verkuppeln, recht amüsant ist, ist es nicht ganz so schön, wenn wir sie nicht kennen. Ich meine, wie stellt ihr euch Arkwrights Tochter schon vor?"
Ethan stellte fest, dass weder Holly noch Lou die großartige Reaktion des Idioten zu bemerken schienen. Und dann sinnierte der Idiot sogar glücklicherweise über Arkwright und die Polizeigeschichte. Vielleicht hatte der Idiot doch einen Funken von Verstand bewiesen, so erstaunlich das auch war. Zu Ethans Leidwesen stellte es sich allerdings als zu erstaunlich heraus, denn im Nachhinein lenkte der Idiot das Thema doch wieder auf Kate. Ethan hätte ihn am liebsten mit einem Tennisschläger erschlagen. Oder mit irgendeinem anderen, beliebigen Gegenstand. "Wahrscheinlich wäre es sogar sinnvoller, sie an irgendwen zu verheiraten, der kein Vermögen hat - und das Ganze dann mit Gütertrennung und selbstverständlich nur, damit daraus Erben entstehen", antwortete Ethan noch immer eher desinteressiert. Allerdings begann er langsam daran zu zweifeln, dass er die Idiotie des Idioten irgendwie wieder wettmachen konnte. "Und was Arkwrights Tochter angeht", fügte er dann hinzu, "ich habe sie schon seit..." Er machte eine Pause, als müsste er nachrechnen. "Seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gesehen. Also fürchte ich, dass ich dazu auch keine nennenswerten Informationen liefern kann."
"Ich hab keine Ahnung, aber du hast eben geguckt, als ob du dir jemanden vorstellen kannst", meinte Lou zu Jakob. "Also? Was ging gerade in deinem Kopf vor?" "Der Gedanke mit der Gütertrennung macht Sinn", antwortete Holly unterdessen auf Ethans Aussage. "Aber wie sollten die zwei sich dann kennenlernen? Und gäbe es nicht sowas wie einen Skandal, wenn das wirklich eintreten sollte?" Holly hatte natürlich keine Ahnung, wie solche Dinge wirklich abliefen und normalerweise interessierte es sie auch nicht sonderlich, aber in diesem Moment war das Thema aus irgendeinem Grund doch interessant geworden.
Jakob überlegte einen kurzen Moment, wie er wieder aus dieser Situation herauskam. Lou hatte wohl sein Grinsen entdeckt, als er an Kate denken musste. Glücklicherweise fiel ihm ein rettender Gedanke ein, bei dem er tatsächlich wieder grinsen musste. Die geeignete Kandidatin war so weit von der Realität entfernt, dass es absurd genug werden würde. Außerdem war er sich sicher, dass danach das Gespräch sicher nicht weitergeführt werden würde. "Charly", meinte Jakob nach kurzer Pause. "Ich fand den Gedanken sehr lustig. Verwöhntes Gör, sitzt in Litora und tut den ganzen Tag nichts, will aber sooo gerne bei der Polizei sein, dass Papi sich schließlich dazu gezwungen sieht, den Laden dicht zu machen, um der Schande ein Ende zu bereiten."
Ethan konnte sich nur sehr bedingt auf Hollys Frage konzentrieren, immerhin hatte Lou genau das getan, was er befürchtet hatte, nämlich nachgehakt. "Wahrscheinlich würde Arkwright dann den großen Gönner spielen, weil er seiner Tochter so etwas erlaubt", antwortete Ethan dennoch an Holly gewandt und hoffte inständig, dass der Idiot doch ein wenig Mitdachte. Nur ein kleines, winziges bisschen. "Und dann wäre es ihm wohl sogar recht, wenn es in der Presse ist." Als der Idiot dann nach einer kurzen Pause den Mund aufmachte, bis Ethan die Zähne aufeinander. Zu Ethans Erleichterung tat er dann allerdnigs das, was er ohnehin gut konnte - absoluten Mist erzählen. Und das Ganze war sogar so weit hergeholt, dass Ethan belustigt schnaubte. "Und du hältst dich jetzt für den Fast-Erben der AC?", hakte er dann amüsiert nach.
"Okay, ich bereue die Frage schon", erwiderte Lou und schlug sich eine Hand vor die Stirn. "Im Ernst? Du hast dir Charly als Arkwrights Tochter vorgestellt?" "Mich würde es ja nicht mal überraschen, wenn er sie enterben würde. Also unter der Annahme, dass das stimmen würde", fügte Holly hinzu und rollte kurz mit den Augen. Sie würde Jakob jedenfalls nie verstehen und in Momenten wie diesen wollte sie das auch gar nicht.