Die Tatsache, dass dieses ominöse Spiel auf dem Boden gespielt wurde, ließ Ethan noch skeptischer werden, allerdings hatte der Idiot bereits den Anfang gemacht und jetzt abzulehnen, wäre vermutlich irgendwie... albern gewesen. Notfalls konnte er später immer noch unter irgendeinem Vorwand gehen. Einen Moment lang fragte sich Ethan, ob die anderen gerade dabei waren, ihn kollektiv vorzuführen, aber er bezweifelte es. "Ich weiß nicht einmal, wie es geht", kommentierte er, während er sich doch auf dem Boden niederließ. "Also werde ich sicher nicht anfangen."
"Wenn keiner was dagegen hat, dann fang ich an", meinte Lou und sah kurz zu den anderen. Holly zuckte mit den Schultern und Jakob schenkte ihr ein zustimmendes Nicken, sodass das Mädchen der Flasche einen Schubs gab und diese sich zu drehen begann. Es dauerte einen Moment, aber dann wurde die Flasche immer langsamer und zeigte schließlich mit der Öffnung auf Holly. "War ja klar", meinte diese und schnaubte kurz. "Dann nehm ich eben Pflicht." "Okay...", begann Lou und überlegte einen Moment. "Hast du einen zweiten Zopfhalter da?" "Ja?", erwiderte die junge Farmerin und klang durchaus skeptisch. "Dann ist deine Aufgabe, dass du dir zwei Zöpfe flechtest, die nach vorne über deine Schultern fallen", erläuterte die Jüngere. "Dein Ernst?", gab Holly zurück und seufzte dann schwer. So war das Spiel und sie würde sich an die Regeln halten. Wenn auch eher widerwillig, weil es doch eine ganz schöne Fummelarbeit war und auch mit etwas Hilfe von Lou, band sie sich die Haare neu zusammen. "Also ich find das sieht gut aus", kommentierte Lou das Ergebnis. "Aber gut. Das heißt, dass du dran bist." "Na gut", entgegnete Holly und griff dann nach der Flasche.
Jakob war von Lous Aufgabe an Holly zwar etwas enttäuscht, aber es war ja auch noch der Anfang vom Spiel. Noch konnte man sich steigern. Tatsächlich musste der Teenager grinsen, als er das Ergebnis von Hollys Aufgabe sah und musste zugeben, dass ihm die Frisur gefiel. "Sehr hübsch, solltest du öfter tragen", meinte Jakob dann und sah zu, wie schließlich Holly die Flasche drehte, deren Öffnung schließlich bei Ethan stehen blieb.
Ethan sah zu, wie Holly ihre Haare zu Zöpfen flocht. Irgendwie erschloss sich ihm auch weiterhin der Sinn nicht im Geringsten, aber als die Flasche letztlich auf ihn zeigte, erübrigte sich jeder Zweifel an diesem Spiel. Einen Moment lang fragte er sich, welche der beiden gleich albernen Varianten sinnvoller war, dann gab er es auf, in irgendeiner Form logisch an die Sache heranzugehen. "Wahrheit?", sagte er dann halb fragend und mit einem Schulterzucken.
"Sind bloß Zöpfe", erwiderte Holly, wirkte allerdings doch ein wenig verlegen. Zu ihrem Glück musste sie sich auch nicht weiter damit befassen, denn die Flasche kam zum Stehen und zeigte nun auf Ethan, der sich für Wahrheit entschieden hatte. "Okay, dann ein Klassiker: Was ist das Peinlichste, was dir bisher passiert ist?", stellte Holly eine Frage, die jedes Mal aufgekommen war, wo sie gezwungen war, dieses Spiel zu spielen.
Ethan sah Holly einen Moment lang irritiert an. Irgendwie hatte er mit anderen Fragen gerechnet, diese hier war... unangenehm. Da er allerdings bezweifelte, dass es so etwas wie einen Ausweg gab, sinnierte er kurz über peinliche Momente. "Ich würde sagen...", begann er dann, wobei er die Flasche musterte. "Je nach Essensgang ist es üblich, sich eine Serviette vor die Brust zu hängen. Ich war vielleicht... acht?" Er hob die Schultern, weil es keine Rolle spielte. "Wir waren auf einem Geschäftsessen von meinem Vater mit wichtigen Mitaktionären und ich war stolz, weil ich die Etikette auch selbst hinbekommen habe. Also habe ich die Serviette in den Ausschnitt des Hemdes gesteckt, wie es sich gehört. Es lief auch alles gut, bis ich dann nach dem Gang aufstehen wollte. Ich hatte nicht bemerkt, dass ich auch die Tischdecke festgesteckt hatte und als ich dann aufgestanden bin..." Er schüttelte halb amüsiert, halb peinlich berührt den Kopf. "Ich würde sagen, ich habe mehr als nur einige Weinflecken verursacht."
Als Holly ihre Frage an Ethan stellte, nickte der Teenager kurz. Das war schon eher nach seinem Geschmack. Die Geschichte, die Ethan erzählte, fand er tatsächlich lustig, schon alleine, weil ein achtjähriger Ethan darin vorkam. Eine ganze Reihe Geschäftsleute mit Wein zu bekleckern, war schon etwas nicht Alltägliches. Leicht lachend schüttelte Jakob den Kopf. "Das war auch nicht schlecht."
"Oh nein!", entwich es Lou halb amüsiert, halb betroffen. "Kann ich verstehen, dass dir das peinlich ist. Ich wäre wahrscheinlich gestorben." Natürlich war Ethan damals nur ein Kind gewesen, aber dennoch musste es ihm furchtbar unangenehm gewesen sein. Auch Holly lachte ein wenig. Immerhin war die Geschichte lange her und bei dem Spiel ging es auch darum, dass man über solche Ereignisse lachen konnte. "Gute Geschichte", gestand die junge Farmerin Ethan zu und nickte anerkennend. "Du bist übrigens dran."
Ethan musste zugeben, dass es ihn im Nachhinein zumindest ein wenig amüsierte, auch wenn es unangenehm gewesen war und sein Vater recht deutlich gemacht hatte, was er davon gehalten hatte. Mit einem halb ratlosen, halb verlegenen Räuspern griff er nach der Flasche und drehte sie, wobei sie letztlich auf Lou zeigte. Diese wählte ebenfalls Wahrheit, sodass sich Ethan vor dem nächsten Problem sah. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was man bei so einer Gelegenheit fragte. "Ich habe keine Ahnung, was man fragen soll", stellte Ethan fest und runzelte leicht die Stirn. "Darf man Fragen aufgreifen? Wenn ja, würde ich die von Holly einfach weitergeben."
"Das ist auch gar nicht so einfach", meinte Holly und winkte ab. "Ich seh da auch kein Problem", stimmte Lou zu. "Wir haben das ja nicht ausgeschlossen. "Also dann: Dein peinlichstes Erlebnis Lou", grinste die junge Farmerin. "Aaaaalso... Naja...", begann diese herumzudrucksen. "Ich hab in der Schule einmal krank gespielt, weil ich echt keine Lust auf den Unterricht hatte. Das ist jetzt so vier oder fünf Jahre her... Jedenfalls hab ich es wohl ziemlich übertrieben, denn statt mich nach Hause zu schicken, hat die Schulkrankenschwester einen Krankenwagen gerufen. Das war ziemlich unangenehm, weil die auch meine Eltern informiert haben und alles... Und am Ende der Woche wusste das irgendwie die ganze Schule..."
Jakob musste auch bei Lous Geschichte lachen. Das hätte er dem Mädchen gar nicht zugetraut, einfach so krank zu spielen, um die Schule zu schwänzen. Und sie schien eine gute Schauspielerin zu sein, wenn sie es geschafft hatte, den Krankenwagen kommen zu lassen. Jakob war irgendwie froh, dass das bei ihm nie der Fall gewesen war. Schließlich drehte Lou die Flasche und diesmal zeigte sie auf Jakob. Der Teenager legte kurz den Kopf schief und überlegte. "Pflicht", kam es schließlich aus ihm heraus.
Auch Lou lachte, wenn auch ein wenig verhalten. Irgendwo war es dennoch ziemlich peinlich. "Okay, Jakob", meinte das Mädchen schließlich grinsend und stand dann auf, um zum Fernseher zu gehen. Sie schaltete das Gerät ein und suchte schließlich den Musiksender aus. "Das Lied ist gleich zu Ende. Das nächste ist ganz deins. Zeig uns mal, wie gut du tanzen und singen kannst." Holly konnte allein bei dem Vorschlag schon nicht an sich halten und brach letztlich in schallendes Lachen aus. "Genau Jayjay! Zeig uns dein Können!"
Jakob war erst irritiert, als Lou aufstand und schließlich zum Fernseher ging und die Kanäle durchschaltete. Als sie bei dem Musiksender hängenblieb, ahnte er dann doch, was gleich passieren würde. Er fasste sich kurz an die Stirn, als er schließlich Lous Aufgabe hörte und stand dann auf. Hollys Kommentar machte es nicht besser. Den Song, der als nächstes lief, kannte Jakob nicht. Er wurde von irgendeiner Girl-Group gesungen, was die Sache nicht besser machte. Trotzdem tanzte und sang Jakob mit, so gut es ging, auch wenn ihm die höheren Töne durchaus Probleme bereiteten.
Lous Geschichte war durchaus amüsant und offenbar war sie auch deutlich kreativer, was Ideen für dieses Spiel anging, denn Ethan war sich sicher, dass er nie darauf gekommen wäre, jemanden zu irgendeinem Lied tanzen zu lassen. Und der Idiot tanzte in der Tat - er tanzte und er sang, sodass sich Ethan tatsächlich fremdschämte. Halb fragte sich Ethan, ob der Idiot ernsthaft glaubte, Lou mit dieser Darbietung beeindrucken zu können. Das Ganze war doch eher... grotesk. Grotesk, aber irgendwie auch amüsant.
Holly bekam nicht sonderlich viel von dem Lied mit. Die junge Farmerin war zu sehr damit beschäftigt, zu lachen, als dass sie auch noch der Musik zugehört hätte. Auch Lou lachte ob Jakobs Darbietung offen heraus. Natürlich gab sich der junge Mann Mühe, aber das änderte definitiv nichts an seinem Unterhaltungsfaktor. Als Jakob schließlich die Flasche drehte, blieb sie letztlich bei Lou stehen. Wie hätte es auch anders sein können? "Jetzt bekommst du wohl deine Rache, hm?", meinte sie amüsiert. "Ich nehme aber trotzdem wieder Wahrheit."