"Wird schon werden", meinte Holly und klopfte Ethan kurz auf die Schulter, während sie nach draußen ging. "Eben. Es kann eigentlich nichts schief gehen", pflichtete Lou bei, ehe sie Holly folgte. Niemand hatte etwas zu befürchten. Außer vielleicht Jakob selbst. "Soll ich klopfen oder willst du selbst?", erkundigte sich die junge Farmerin bei Ethan.
Ethan nahm das Schulterklopfen hin und entschied sich dagegen, es in irgendeiner Form zu hinterfragen. Stattdessen verließ er mit den beiden sein Zimmer und hielt auf das Zimmer des Idioten zu. Als Holly ihn allen Ernstes fragte, ob sie klopfen sollte, sah er sie einen Moment lang irritiert an, dann hob er die Hand und klopfte an die Tür.
Die halbe Stunde war noch nicht ganz vorbei gewesen, Jakob war bereits fertig mit Duschen gewesen, als es an seine Zimmertür klopfte. Er stand auf und öffnete seine Zimmertür und erblickte Ethan und die anderen. "Hallo Leute", meinte er dann freundlich. "Die halbe Stunde ist doch noch nicht um, was macht ihr schon hier?"
Einen Moment lang stand Ethan lediglich da. Ihm fiel auf, dass er nicht die leiseste Ahnung hatte, was genau er jetzt sagen sollte. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich genau das im Voraus zu überlegen, aber dafür war es jetzt definitiv zu spät und er würde es sich für das nächste Mal merken müssen. "Wie du schon so treffend festgestellt hast", ergriff Ethan schließlich das Wort, "können wir alle auf schlechte Laune verzichten. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn es keinen Grund dazu gibt." Er schüttelte kurz den Kopf. "Und ich für meinen Teil kann dir versichern, dass ich auch weiterhin schlechte Laune haben werde, solange man mich wie einen Butler behandelt, der gut genug ist, um durch die Gegend zu telefonieren und ein Taxi zu organisieren, während du irgendein Nachtara anstarrst." Ethan bemerkte, dass sein Tonfall eine spur lauter geworden war als sonst. "Und in Abetracht der Tatsache, dass dir das offenbar nicht einmal aufgefallen hast", fügte er noch hinzu, "bezweifle ich es stark, dass du auch nur ansatzweise wertschätzt, was ich bisher getan habe."
Die beiden Frauen hielten sich im Hintergrund. Immerhin ging es darum, dass Ethan eigene Erfahrungen sammeln konnte. Lou fand, dass er sich sogar ganz gut schlug. Die Ansage, die er Jakob machte, war in ihren Augen ziemlich gut. Das Einzige, was man bemängeln könnte, war die Tatsache, dass Ethan doch ziemlich mit der Tür ins Haus fiel. Holly hingegen fand genau das gut. Sie war der Meinung, dass Leute wie Jakob direkte Ansagen brauchten und keine lange Vorbesprechung oder unnötig lange Erklärungen.
Jakob blickte erst einen Moment irritiert zu Ethan. Mit einem solchen Sinneswandel hatte er in so kurzer Zeit nicht gerechnet. Er blickte kurz zu Holly und Lou. Warscheinlich waren die beiden dafür verantwortlich gewesen, ansonsten würden sie auch kaum hinter Ethan stehen, während dieser sich bei Jakob beschwerte. "Genau darüber habe ich geredet! Wenn du nichts sagst, gehe ich davon aus, dass alles in Ordnung ist." Jakob schüttelte dann aber kurz den Kopf. Er war trotzdem über Ethans Wortwahl irritiert. "Aber ich behandle niemanden, wie einen Butler. Ich weiß ja gar nicht, wie man das tut. Aber OK, beim nächsten Mal rufe ich gerne ein Taxi." Das Letzte, was Jakob wollte, war, dass Ethan sich wie ein Butler fühlte. Er schnaubte trotzdem kurz. "Und doch, ich weiß, was du für uns tust... ansonsten hätte ich dir das doch wohl kaum gesagt!"
Diese Aussage verärgerte Ethan tatsächlich. Der Idiot tat so, als wäre all das völlig nichtig und vor allem schwang in dieser aussage sogar mit, dass Ethan gewissermaßen selbst schuld war. "Du weißt nicht, wie man das tut?", wiederholte Ethan mit einem düsteren Kopfschütteln. "Dann denk einfach an die letzten Tage zurück und du dürftest es wieder wissen. Die einzige, die mir überhaupt angeboten hat, mir einen Anruf abzunehmen, war Holly. Du warst zu selbst mit dir selbst beschäftigt. Mit dir, mit Charly, mit Kates Nachtara." Ethan verzichtete darauf, diese Aufzählung zu erweitern. "Also tu nicht so, als wäre das anders gewesen. Selbst ich weiß, dass es einen Unterschied zwischen Personal und anderen Leuten gibt."
"Ethan fühlt sich ausgenutzt", mischte sich Holly doch kurzzeitig ein, weil sie nicht glauben konnte, dass Jakob nicht verstanden hatte, worauf Ethan hinaus wollte. "Und ich bin mir sehr sicher, dass du weißt, wie das geht." Auch Lou sah nach Jakobs Aussage recht ungläubig drein, verkniff sich allerdings zunächst jeden Kommentar. Es erstaunte sie, dass Jakob nicht einmal auf die Idee kam, sich zu entschuldigen. Immerhin hatte die Situation Ethan deutlich zugesetzt.
Jakob schaute kurz zu Holly, als diese sich einmischte. Das war eigentlich eine Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und Ethan. Die beiden Frauen hatten da nichts zu suchen. "Gut, hey, weißt du, Ethan... es tut mir einfach Leid, dass ich mich so sehr mit dem Nachtara beschäftigt habe. Da habe ich alles andere einfach vergessen, okay?" Er schüttelte noch einmal den Kopf. "Und was soll das heißen, Unterschied zwischen Personal und anderen Leuten? Erstens bist du kein Personal und zweitens sehe ich da echt keinen Unterschied." Jakob schnaubte einmal kurz. War Personal in Ethans Augen wirklich weniger wert als andere Leute? Dann erst wandte er sich an Holly. "Und ich glaube, Ethan kann sich schon alleine beschweren. Ich nutze ihn nicht aus und ich weiß nicht, wie du darauf kommst, woher ich wissen soll, wie so etwas geht!"
Er warf einen kurzen Blick zu Holly, die sich aus irgendeinem Grund eingemischt hatte - vielleicht weil er die Sache schlechter machte als erwartet. Aebr es war ihm egal, jetzt würde er dem Idioten sagen, was er davon hielt. "Der Unterschied", entgegnete Ethan mittlerweile doch etwas wütender, "liegt darin, dass Personal für genau so etwas bezahlt wird. Es ist ihr Job. Aber es ist nicht mein Job, für dich herum zu telefonieren, dich zu finanzieren, dir ein Taxi zu rufen und mir dann anhören zu dürfen, du könntest keine schlechte Laune gebrauchen!"
Hollys Antwort an Jakob bestand aus einem Schnauben. Er sollte nicht glauben, dass sie ihm die Unschuldnummer abnahm. Statt aber etwas zu sagen, beschränkte sich die junge Farmerin darauf, schlicht ihre Arme zu verschränken. Auch Lou war nun offen skeptisch. Sie war sich nicht sicher, wo das Gespräch hinführen würde, aber ihrer Meinung nach sollte Jakob möglichst bald ein wenig einlenken. Ethans eigene Zusammenfassung quittierte sie allerdings mit einem Nicken. Er hielt sich ihrer Meinung nach wirklich gut und demonstrierte sehr eindrucksvoll, dass seine Unsicherheit eigentlich unbegründet war.
Jakob war über Ethans Anschuldigungen wütend. Holly hatte die Sache auch nicht mit ihrem Kommentar besser gemacht, aber immerhin schwieg sie jetzt. Der Teenager holte einmal tief Luft. Es brachte nichts, wenn sie sich jetzt in der Tür anschrien. Ein kurzer Blick zu den beiden Frauen zeigte auch, dass sie nicht gerade bester Laune waren. "Aber es ging mir doch gerade darum, dass ich schlechte Laune vermeiden wollte. Bei dir und bei den anderen. Du bist nicht Personal. Ich sage doch, ich kann beim nächsten Mal auch was tun, es tut mir Leid." Der Teenager seufzte einmal kurz und schüttelte dann den Kopf. Er fand, dass Ethan schwierig war. "Ich wiederhole mich gerne noch einmal. Ich finde es toll, dass du mich finanzierst, dass ich das nicht vergessen habe, wollte ich vorhin zum Ausdruck bringen, okay? Ich will ja auch, dass sich das so bald wie möglich ändert." Die Organisation hatte ihm zumindest gesagt, dass er bald wieder eine Belohnung bekommen würde. Immerhin wäre dann Jakob von Ethan wieder etwas unabhängiger. "Und es tut mir Leid, dass du dich so fühlst, als wärst du Personal. Ich ändere das, okay?" Jakob hoffte, dass dieser Kommentar dazu führte, dass sich Ethan wieder beruhigte.
Der Idiot schien letztendlich doch einzulenken, auch wenn sich Ethan nicht sicher war, wie ernst das wirklich zu nehmen war. Er bezweifelte, dass viel dahinter steckte, vermutlich ging es hier eher darum, diese Diskussion zu beenden. Trotzdem waren eine Entschuldigung und eine Zusicherung Dinge, auf die man sich in Zukunft notfalls berufen konnte - und es gab sogar Zeugen. "Okay", erwiderte Ethan schließlich mit einem knappen Nicken. "Hoffen wir einfach, dass es dieses Mal besser funktioniert."
"Das ist zumindest mal ein Anfang", meinte Lou und war durchaus erleichtert, dass die ganze Angelegenheit nicht weiter eskaliert war. "Wenn Jakob sich an seinen Vorsatz hält", fügte Holly hinzu, klopfte dann aber Ethan abermals auf die Schulter. "Super gemacht, übrigens." "Holly hat recht", stimmte die Jüngere der beiden zu.
Jakob nickte Holly zu. Er hatte ganz sicher nicht vor, seinen Vorsatz zu brechen. Vor allem nicht, da er immer noch von Ethan abhängig war. Er schüttelte dann den Kopf, als die beiden Frauen Ethan sogar dafür beglückwünschten, sich mit ihm auseinandergesetzt zu haben. "Dieses Mal", hakte Jakob dann aber mit einer hochgezogenen Augenbraue nach. "Das klingt ganz so, als hättest du einen Plan, wie wir jetzt weiter machen." Jakob grinste. Auch wenn er schwer fand, es zuzugeben, die Arbeit als Freiwilliger machte ihm sogar ein bisschen Spaß. Immerhin wusste man nie, was als nächstes passierte. Auch, wenn man dabei in Lebensgefahr schwebte.