Ethan setzte zu einem Kommentar an, allerdings machte Lou ihre angedrohte Masage wahr, denn er spürte letztlich ihre Finger an seinen Schläfen. Eigentlich hatten sie bis eben gescherzt und gelacht, aber trotzdem war er sich nicht sicher, ob diese Situation immer noch unverfänglich war - für Lou war sie es offenbar, denn sie machte schlicht da weiter, wo sie aufgehört hatte. Und etwas anderes blieb ihm streng genommen auch nicht übrig. "Ich habe deine zarten Finger vermisst, mein Feliloulein", sagte er betont schmachtend. "Du weißt immer so genau, was ich gerade brauche, um mich wohl zu fühlen."
Bei Ethans Kommentar musste Lou wieder lachen. "Wie schaffst du es immer, so ernst dabei zu bleiben?", wollte sie anschließend von dem jungen Mann wissen, während sie aber ihre Tätigkeit aufrecht erhielt. Aus Prinzip. Lou schüttelte den Kopf. Es war einfach albern, wenn auch lustig. "Hat das überhaupt einen Effekt, was ich grad mache? Ich hab nämlich keine Ahnung, was genau ich machen müsste und rate deshalb", erklärte sie Ethan.
Ethan kam nicht umhin, ebenfalls zu lachen - obwohl er sich eigentlich darüber wunderte, dass Lou ihre Massage nicht einstellte. "Ich würde sagen, Selbstbeherrschung war meinem Vater immer recht wichtig", merkte Ethan an. "Alles eine Sache der Übung." Er schnaubte halb missbilligend, halb amüsiert. "Und ob es was bringt - keine Ahnung." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Es ist zumindest angenehm."
"Selbstbeherrschung ist ja auch nicht verkehrt", musste Lou zugeben, während sie ihre Tätigkeit auch weiterhin fortführte. "Aber ab und zu muss man sich auch mal gehen lassen dürfen. Und dann macht man sowas wie wir heute. Sowas braucht man einfach, weil nicht immer alles ernst sein kann." Zumindest war das Lous Meinung und sie merkte an Ethan, dass sie recht hatte. Er hatte viel gelacht und sie hatten sich definitiv gut unterhalten. Albern, aber trotzdem gut. "Ich hatte gehofft, dass es angenehm ist. Ich kenn das nämlich vom Friseur und finde das selber auch jedes Mal wieder angenehm", erzählte Lou Ethan schließlich.
"Stimmt", bestätigte Ethan. "Selbstbeherrschung hat Vorteile, aber sie ist gleichzeitig anstrengend." Er schnaubte amüsiert. "Gespäche wie dieses hier sind da durchaus eine willkommene Abwechslung." Ethan fragte sich, weshalb Lou weitermachte, aber in Anbetracht der Tatsache, dass die spontane Massage angenehm war, würde er sich nicht darüber beschweren. Auch wenn er amüsante Kontext weg war und die Massage dadurch irgendwie... seltsam war. "Wie gesagt, angenehm ist es auf jeden Fall", bestätigte er dann, um anschließend amüsiert hinzuzufügen: "Es ist auf jeden Fall eine akzeptable Siegesprämie."
"Du hast fair gewonnen, also steht dir auch ein ordentlicher Preis zu", witzelte Lou, ehe sie wieder kurz lachte. "Und nach all dem Mist, der passiert ist, darf doch auch mal etwas angenehm sein, oder nicht?" Lou fand, dass Ethan sich das wirklich verdient hatte. Gerade nach allem, was im Tunnel vorgefallen war. "Wie lief das bei dir? Da du deine Haare nicht lang trägst, geh ich davon aus, dass du auch einen Spezialisten für Haarkürzung an der Hand hast", wollte Lou anschließend wissen.
Ethan lächelte amüsiert, auch wenn Lou das vermutlich nicht sehen oder höchstens erahnen konnte. Es war irgendwie nett von ihr, so etwas zu sagen. "Danke", erwiderte er dann und meinte es definitiv ernst. "Und ja, es ist definitiv eine positive Abwechslung." Als sie den Spezialisten für Haarkürzungen ansprach, lachte er. "Ja, der Coiffeur kommt in regelmäßigen Abständen ins Anwesen. Mein Vater schwört auf ihn."
"Gerngeschehen", erwiderte Lou und lächelte ebenfalls. Ethan fand es angenehm und ihr machte es tatsächlich nichts aus, sodass definitiv nichts dagegen sprach, dass sie ihre Handlung fortführte. Hinzu kam, dass sie sich trotzdem noch immer gut unterhielten. "Es ist unheimlich praktisch so jemand zu haben", stimmte Lou anschließend zu. "Meine Freundin Nicolette wird professionelle Stylistin, aber sie hat mir noch nie die Haare geschnitten, aber es war ihre Idee mit den bunten Strähnen. Dass dein Friseur gute Arbeit macht, sieht man daran, dass du nicht mit einem Alte-Männer-Haarschnitt durch die Welt läufst, aber auch keinen nullachtfünfzehn Kurzhaarschnitt hast. Ich für meinen Teil, muss ja gestehen, dass ich schon ein kleines bisschen neidisch auf dich bin. Du hast nämlich eine echt gute Naturhaarfarbe."
"Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, gebe ich das Kompliment weiter", erwiderte Ethan amüsiert und schloss letztlich die Augen. Er sah ohnehin kaum etwas in der Dunkelheit. "Ich glaube, er ist schwul. Sollte mein Vater das bemerken, wird er sich unter Garantie einen anderen Coiffeur suchen." Er schnaubte missbilligend. "Wie auch immer", fuhr er dann fort. "Was ist eigentlich deine natürliche Haarfarbe?"
"Tu das ruhig", meinte Lou. Wenn jemand gut arbeitete, dann verdiente er es auch, das hin und wieder zu hören. "Das ist eine ziemlich mittelalterliche Einstellung, die dein Vater da an den Tag legt. Es geht schließlich niemanden etwas an, ob dein Friseur nun schwul ist oder nicht. Es hat nichts mit seiner Arbeit zu tun." Lou rollte kurz mit den Augen. Sie wusste, dass ihre Einstellung kitschig und vielleicht auch etwas naiv war, aber sie fand, dass Liebe nicht falsch sein konnte. Wenn sich zwei Leute liebten, dann war es doch völlig egal, ob beide Männer oder Frauen oder Mann und Frau waren. "Meine Haare sind eigentlich rotbraun. Die Farbe habe ich von Tim geerbt", beantwortete sie schließlich seine Frage, während ihre Finger weiter über seine Schläfen glitten. "Wie kommst du eigentlich darauf, dass dein Friseur schwul ist?"
"Ich weiß", erwiderte Ethan, ohne die Augen zu öffnen. "Mein Vater übernimmt die Einstellung, die von der AC vorgegeben wird. Das ist sicher und für ihn vermutlich auch bequem. Mir persönlich ist es egal. Ich könnte mir zwar nicht vorstellen, selbst jemals irgendetwas von einem Mann zu wollen, aber wenn andere das tun, ist das deren Sache, nicht meine. Und wenn es sich dann auch noch um talentierte Coiffeure handelt, umso besser." Er atmete tief durch und ertappte sich dabei, dass er die Massage tatsächlich genoss. "Warum färbst du sie dir eigentlich?", fragte er dann. "Was spricht gegen rotbraune Haare?"
"Ich könnte mir auch nicht vorstellen, etwas von einer Frau zu wollen", pflichtete Lou Ethan bei. "Aber das muss ich ja auch nicht. Ich bin ohnehin der Meinung, dass man die, die es betrifft, in Ruhe lassen sollte. Man muss es nicht gut finden, aber es geht niemanden etwas an. Wobei ich ja noch die idealistische Variante vertrete, dass Liebe nicht falsch sein kann, wenn sie auf Gegenseitigkeit beruht." Als Ethan durchatmete, konnte Lou sich nicht des Eindrucks erwehren, dass er sich gerade entspannte. Das war definitiv ein Fortschritt und zwar ein großer. "Es hat keinen tieferen Grund, warum ich mir die Haare färbe", begann sie schließlich mit ihrer Erklärung. "Ich trag sie seit letztem Jahr so. Nicolette hat es sogar vorgeschlagen. Für sie war es eine Übung und ich hatte nichts dagegen, mal etwas Neues auszuprobieren. Und bisher gefällt es mir noch."
"Ja", bestätigte Ethan. "Mir ist es egal, aber es ist und bleibt riskant. Die AC hält nicht viel davon und ich bezweifle, dass homosexuelle Beziehungen in absehbarer Zeit geduldet werden. Jeder, der mit der AC zu tun hat, sollte es tunlichst vermeiden und die meisten haben mit der AC zu tun." Er schnaubte. "Und ändern lässt es sich ohnehin nicht, dafür hat die AC zu viel Macht." Er winkte ab und schloss letztlich die Augen. Lous Massage war definitiv entspannend - von einem Frisör geklaut oder nicht, sie war angenehm. "Ich finde es schwer, mir vorzustellen, wie du mit rotbraunen Haaren aussiehst", erwiderte Ethan dann auf ihre kurze Erklärung hin. "Gibt es Fotos?"
"Klar ist es riskant", pflichtete Lou Ethan bei. "Aber es ist auch ziemlich beschissen, wenn man die Wahl hat, sich zu verstellen und damit zu verleugnen oder das Risiko einzugehen, womöglich irgendwann erwischt zu werden. Das wünscht man echt niemandem." Lou konnte sich durchaus vorstellen, dass man paranoid werden konnte, sollte man sich dafür entscheiden, mit seinem Partner zusammenzuleben. Die Belastung für die Beziehung war mit Sicherheit enorm. "Klar gibt es Fotos davon", beantwortete sie anschließend Ethans Frage. "Die meisten sind allerdings in Grital. Aber ein paar ältere müssten auch noch in Inito sein und da müsste ich sie auch erst suchen."
"Ich gehe davon aus, dass es einige versuchen", erwiderte Ethan. "Aber ich befürchte, dass die AC den Großteil enttarnt." Es war kein angenehmes Thema und er hatte wenig Lust, es zu vertiefen. Manche Dinge ließen sich nicht ändern und diese Sache gehörte zweifelsohne dazu. "Falls es sich jemals anbietet", fuhr er stattdessen fort, "kannst du mir ja das eine oder andere Foto zeigen."