Jakob kam ins Stocken. Riccardo hatte ihm recht deutlich gezeigt, dass er genau wusste, was Jakob vorhatte. Diesen Gedanken fand Jakob als äußerst unbehaglich. War er wirklich so offensichtlich gewesen? Es ärgerte ihn vor allem, da Jakob mittlerweile davon ausging, dass Riccardo dieses Gespräch auch nur geführt hatte, um herauszufinden, welche Informationen sie hatten. Und sie eventuell auf Kate anzusetzen. "Ja, ich versuche, beim nächsten Mal subtiler zu sein. Das gehört ja auch zum Informationen sammeln, oder?" Jakob hoffte, sich mit dieser Aussage doch noch aus der Affäre zu ziehen.
Riccardo schnaubte amüsiert. "Viel Erfolg dabei", erwiderte er dann an den Idioten gewandt. "Das ist nur eine Frage der Übung." Sein Blick glitt zu der Farmerin. "Die viel wichtigere Frage ist doch, weshalb sie die Karpador überhaupt nach Montu bringen", fügte er dann hinzu, bevor er letztlich aufstand. "Und die Antwort darauf ist nicht unbedingt schwer, wenn man weiß, was sie eigentlich mit den Pokémon machen." Riccardo sah erneut zum Himmel, der tatsächlich etwas mehr Wolken aufzuweisen schien, aber noch immer weit davon entfernt war, nach einem drohenden Gewitter auszusehen. Dann trat Riccardos übliches Lächeln auf sein Gesicht. "Und euch natürlich noch viel Erfolg bei eurer Arbeit bei der Polizei."
"Wenn man weiß, was sie... Wie bitte?", kam es völlig überrumpeltvon Holly. Riccardo bemerkte diese Tatsache so beiläufig, dass es sie auf dem völlig falschen Fuß erwischte. Auch Lou war überrascht. Es war, als ob Riccardo davon ausging, dass sie wussten, was mit den Pokemon passierte. Wieso das so war, konnte sie sich allerdings nicht erklären, jedenfalls nicht im Moment. Nur eins stand fest: Was auch immer mit den Pokemon passierte, war mit Sicherheit nichts Gutes.
Jakob blickte kurz zu Riccardo. Erst der Anruf bei der Organisation und jetzt das hier. Mittlerweile waren sie schon so tief in der Sache drin, dass alle davon ausgingen, dass sie mehr wussten, als sie es eigentlich taten. Jakob schüttelte den Kopf, das Ganze gefiel ihm nicht. "Und nein, wir wissen wirklich nicht, was sie mit den Pokémon anstellen." Auch wenn Jakob vermutete, dass es etwas mit Eukalypts Forschungen zu tun hatte. "Erzählst du es uns oder verweist du uns wieder an Kate?"
Riccardo hielt inne und sah einen Moment lang sichtlich überrascht in die Runde. Ethan war sich sicher, dass Riccardo nicht ohne Grund davon ausgegangen war, dass sie mehr wussten und der einzige Grund für diese Annahme war die Tatsache, dass Kate mehr wissen musste. Und das wiederum bestätigte seine Meinung von ihr. "Legale Versuche mit Pokémon brauchen eine Unmenge von Genehmigungen", erwiderte Riccardo. "Das macht es lukrativ, das Ganze in den illegalen Bereich zu verlagern." Erneut zeigte sich sein übliches Lächeln. "Aber auch dazu sollte euch Kate mehr sagen können." Er sah zu dem Nachtara, das noch immer im Schatten des Tisches lag. "Bring mich zu ihr." Das Nachtara starrte ihn an und Ethan kam nicht umhin, als sich über diesen mehr als eindeutigen Befehl zu wundern. Noch irritierender war lediglich die Tatsache, dass das Nachtara tatsächlich aufstand, wenn auch mit einem vernichtenden Blick.
Holly fehlten die Worte. Sie hatte eine Menge erwartet, aber nicht das. Sie hatte keine Ahnung, was man alles erforschen konnte, aber das musste sie auch nicht. Die unglaubliche Menge an Pokemon war im Grunde Antwort genug. Sie fragte sich einmal mehr, wer Riccardo wohl war. Er kannte Kate, kämpfte offensichtlich auf ihrem Niveau und selbst das Nachtara hörte auf ihn. An dieser Geschichte war mehr dran, als Holly erwartet hatte. Lou hätte sich einen schöneren Abschied gewünscht. Im Grunde hatte sie gehofft, dass das ganze Gespräch angenehmer werden würde, aber das hatte sich eindeutig erledigt. "... Unglaublich...", kam es nur geschockt von ihr. Das Mädchen musste unwillkürlich schlucken, als sein Hals rau wurde. Das war fast zu viel für sie. Wie konnte man Pokemon sowas nur antun? Sie warf einen Blick auf Kates Nachtara, welches wenig begeistert von dem direkten Befehl war, ihm aber dennoch zu folgen schien. Es war irgendwie erschreckend, dass Riccardo das konnte. Die Tatsache, dass er viel wusste, machte es nicht gerade besser.
Jakob schüttelte nur den Kopf. Der Informationsbrocken, den Riccardo ihnen gerade vor die Füße geworfen hatte, hatte die Aktivitäten miteinander verbunden. Den Diebstahl von möglichst vielen Pokémon mit dem Einbruch in Professor Eukalypts Labor. Das war heftig. Heftiger war nur, als Riccardo Kaisa einen direkten Befehl gab. "Und was wird das jetzt?", fragte Jakob überrascht. "Das Nachtara sollte bei uns bleiben. Du hast sie ja selber gehört, wir sollen es zu ihr zurückschicken, wenn wir fertig sind. Bestimmst du jetzt einfach so, das wir jetzt fertig sind?"
Riccardo musterte den Idioten einen Moment lang und wirkte dabei so, als fragte er sich, ob der Idiot das allen Ernstes gesagt hatte. Irgendwie konnte Ethan das sogar nachvollziehen. "Wenn ihr nicht vorhabt, doch noch einmal zu besagtem Lagerhaus zu gehen, würde ich behaupten, dass ihr sehr wohl fertig seid", antwortete Riccardo mit einem kurzen Kopfschütteln. "Und wenn ihr das doch vorhabt - wider besseren Wissens - werde ich euch darin nicht unterstützen, indem ich Kaisa mitschicke."
Holly seufzte schwer. Manchmal war Jakob mehr als nur schwer von Begriff. "Es gibt offensichtlich ein paar Dinge, die jetzt Vorrang haben", meinte Holly, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. "Also nachdem, was wir jetzt wissen, denke ich auch, dass wir vielleicht erstmal über die neuen Erkenntnisse reden sollten", fügte Lou hinzu, war aber noch immer von den Neuigkeiten etwas niedergeschlagen.
Jakob blickte zu Kaisa. Das Nachtara wirkte auf jeden Fall von dieser neuen Wendung ganz und gar nicht begeistert. Allerdings zuckte er dann nur mit den Schultern. "Gut... so betrachtet... dann wünsche ich euch viel Spaß! Wenn du jetzt zu Kate gehst... wann denkst du können wir bei ihr anrufen? Das sollten wir ja deiner Meinung auch bald tun." Danach blickte er zu Lou, Holly und Ethan und nickte. "Ja, ich denke, wir haben jetzt einiges zu besprechen." Und in Gedanken fügte der Teenager noch hinzu, dass sie wohl nicht umher kamen, jetzt einige Leute zu kontaktieren.
"Ich sage ihr, dass sie euch anrufen soll", antwortete Riccardo. "Das dürfte am einfachsten sein." Er sah zu dem Nachtara, das ihn noch immer kühl anstarrte. "Wir gehen." Das Nachtara hingegen machte keine Anstalten, zu ihm zu treten, sodass Riccardo schließlich seufzte und die Entfernung selbst überbrückte. Halb rechnete Ethan mit einem Fauchen oder zumindest damit, dass das Nachtara beiläufig ein paar Schritte beiseite machen würde, doch es blieb sitzen und ließ es sich sogar gefallen, dass Riccardo ihm mit der Hand über die Stirn strich. Dann nickte Riccardo kurz in die Runde und setzte sich in Bewegung. Kaisa folgte ihm.
"Bis... irgendwann mal", meinte Holly zur Verabschiedung, auch wenn sie sich absolut nicht sicher war, wie sie diese gesamte Begegnung aufnehmen sollte. Es hatte einiges an Informationen gebracht, aber es war dennoch verwirrend. "Ich hoffe, man sieht sich mal wieder", verabschiedete sich Lou. Sie fand es durchaus schade, aber im Moment gab es einfach zu viele wichtige Dinge. Eins davon war Riccardo natürlich selbst. Das Mädchen fand es beeindruckend und merkwürdig zugleich, wie der Mann mit Kates Pokemon umging. Sie fragte sich wirklich, was zwischen den beiden vorgefallen war. Es schien jedenfalls persönlich gewesen zu sein. Sehr persönlich.
Jakob schaute noch einmal zwischen Kaisa und Riccardo hin und her. Dass er sich Kates Pokémon nähern durfte und er es sogar noch obendrein berührte, ärgerte Jakob sehr. Kaisa hatte sich bei ihm wie eine Diva verhalten aber Riccardo durfte Dinge tun, obwohl das Nachtara ihn eindeutig nicht mochte. Er würdigte Riccardo nicht mit einer Verabschiedung, sondern wandte sich an die anderen. Er verstand einfach nicht, wieso Lou zu diesem Typen so freundlich war. Alles an ihm war zwielichtig, der Ort, an dem sie ihn zuerst getroffen hatten, die seltsame Art, wie er ihnen die Informationen gegeben hatte und jetzt nicht zuletzt, wie er mit Kaisa umging. Jakob schnaubte nur einmal kurz. Er würde nichts sagen, bis dieser Typ nicht außer Hörweite war.
Ethan sah zu, wie sich Riccardo mit dem Nachtara zusammen entfernte. Tatsächlich traute Ethan weder ihm noch Kate, aber im Hinblick auf die Informationen und die aktuellen Fragen glaubte Ethan tatsächlich eher dem, was Riccardo gesagt hatte. Kate hatte zu viel für sich behalten und abgesehen davon bezweifelte Ethan stark, dass Riccardo Informationen erwähnt hätte, wenn er nicht sicher gewesen wäre, dass Kate sie besaß. "Und was jetzt?", fragte er schließlich, als Riccardo außer Hörweite war.
"Jetzt müssen wir entscheiden, was wir mit den Infos machen wollen", meinte Holly und lehnte sich mit einem schweren Seufzen zurück. Sie fuhr sich einmal kurz über das Gesicht und blickte anschließend wieder in die Runde. "Wir wissen jetzt, was mit den gestohlenen Pokemon ist. Allein deswegen sollten wir definitiv Cordes nochmal kontaktieren. Sie und die Professorin stehen sich nahe und soweit wir wissen, ging es bei dem Einbruch ins Labor nicht in erster Linie um die Pokemon. Außerdem wird Cordes sich bestimmt selbst drum kümmern, den Tunneleingang zu verschließen." Hollys Meinung nach schien das Despotar des Chiefs dafür wie gemacht worden zu sein. "Ich denke... wir sollten auch abwarten, was Kate zu sagen hat", fügte Lou hinzu. "Die wird sich jetzt erstmal mit Riccardo auseinandersetzen. Und wer weiß, wie lange das dauern wird", gab die junge Farmerin kopfschüttelnd zurück. "Wir sollten uns überlegen, inwieweit es Sinn macht, nochmal mit Johnson zu reden." "Wieso?", hakte Lou irritiert nach. "Er hatte doch gesagt, dass er die Polizei in Montu verständigt. Da wird er nicht irgendwen angerufen haben. Ich weiß also nicht, ob es wirklich Sinn macht, nochmal zu sagen, dass es wichtig ist. Ich glaube, dass er das weiß", erklärte Holly.