Das Glumanda starrte lediglich zurück, aber Ethan bemerkte, dass das Ohrdoch das Glumanda mittlerweile losgelassen hatte und sichtlich vorsichtig den Inkubator wieder schloss. Das Feuer-Pokémon reagierte nicht darauf, sondern lag immer noch sichtlich angespannt da.
Gut, also keine wirklich andere Reaktion. Es war zumindest ein Versuch wert gewesen. Wenigstens wusste das Kleine, dass es nur den Blickkontakt unterbrechen musste, wenn es wollte, dass sie es in Ruhe ließ. "Okay... Du darfst jetzt aussuchen, wie es weitergeht", bestimmte Lou letztlich. "Wenn du dich ausruhen und noch etwas schlafen möchtest, dann mach einfach die Augen zu. Wenn du das möchtest gehen wir auch aus dem Zimmer und kommen später wieder zu Besuch. Wenn ich noch etwas erzählen soll, dann guck einfach weiter in meine Richtung und wir überlegen uns zusammen ein Thema."
Lou musste dem Glumanda zugestehen, dass das natürlich die dritte Variante war und sie hatte ihm gesagt, dass es das Gespräch immer beenden konnte, wenn es das wollte. Auch wenn die ganze Situation schwierig war und sie gerne mehr für es getan hätte, musste sie sich an ihr Wort halten. Dementsprechend zog sich Lou auf ihren Stuhl zurück, nachdem sie dem Glumanda noch einen kurzen Blick zugeworfen hatte. Lou nickte Ethan kurz zu, fuhr sich dann aber eher ratlos durch das Haar. Sie hoffte wirklich inständig, dass sie das Richtige tat, aber so lange sich das Kleine nicht aufregte, war ihre Entscheidung wohl zumindest nicht komplett falsch.
Als sich Lou setzte, nahm auch Ethan wieder Platz und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Er war sich nicht sicher, ob und was sie nun wirklich bei dem Glumanda erreicht hatte, aber in jedem Fall war das eine mehr als unangenehme Situation. Immerhin schien das Glumanda auch weiterhin keine Reaktion zu zeigen, denn es lag weiterhin reglos da - und auch das Ohrdoch wirkte in keinster Weise alarmiert, sondern blieb schlicht neben dem Inkubator stehen.
Lou fühlte sich ziemlich hilflos. Ja, sie tat das, was sie dem Glumanda zugesagt hatte, was sie tun würde, aber gleichzeitig wirkte das kleine Pokémon so, als ob es irgendwie... katatonisch war. Natürlich konnte es auch sein, dass es einfach nur versuchte, die neue Situation zu verarbeiten und wenn Lou ehrlich war, dann hatte das Glumanda einiges, das es wert war, sich darüber Gedanken zu machen. Lou rieb sich kurz über das Gesicht, sah dann kurz zu Ethan und dann wieder zu dem Glumanda. Sie hätte gerne mehr für es getan, aber dafür hatte es zu große Angst und sie konnte im Augenblick nur hoffen, dass es sich nach und nach an ihre Gegenwart gewöhnen würde. Für den Moment hoffte Lou einfach, dass das Glumanda wirklich begriff, dass sie ihr Wort gehalten hatte und dass es nicht einfach nur ins Nichts starrte, auch wenn es danach aussah.
Es verging einige Zeit, aber das kleine Pokémon tat nichts, außer die Zimmerdecke anzustarren. Lou hatte zumindest gehofft, dass es einschlafen würde, immerhin musste es noch immer erschöpft sein, aber auch das war nicht der Fall gewesen und je länger es andauerte desto mehr war Lou von diesem Verhalten beunruhigt. Es gab nicht viel, was sie tun konnte und sie hatte auch vor, ihr Versprechen zu halten. Kein Gespräch ohne Augenkontakt. Letztlich griff sie nach ihrem Stuhl und rutschte einfach ein Stück dichter an das Glumanda heran. Das Mädchen kommentierte seine Handlung dabei nicht, es gab keinen Grund. Lou wollte dem kleinen Pokémon näher sein, es durchaus wissen lassen, dass sie da war, aber eben auch in einer neutralen Art. Und das ging irgendwie nicht, wenn es die ganze Zeit die Decke anstarrte. Und vielleicht würde sie so zumindest ein wenig Interesse wecken können.
Ethan ließ Lous Verhalten unkommentiert. Das Glumanda hingegen richtete seinen Blick sofort auf Lou, als diese näherrückte. Eine ganze Weile lang starrte das Feuer-Pokémon sie an, schien regelrecht zu erwarten, dass irgendetwas Schlimmes passieren würde. Als allerdings nichts weiter geschah, richtete es seinen Blick wieder gen Zimmerdecke.
Als das Glumanda seinen Blick wieder abwandte, atmete Lou einmal vorsichtig aus. Es war gut gewesen, dass das kleine Pokémon reagiert hatte. Das sprach immerhin dagegen, dass es sich ganz in seinen Gedanken verloren hatte. Allerdings hatte Lou auch die aufflammende Angst gesehen und auch wenn es verständlich war, ließ das ihre Sorge nicht kleiner werden. Allerdings hatte das Glumanda sich wieder beruhigt und das gab Lou zumindest für den Moment einen Funken Hoffnung. Das Mädchen wartete ein paar Augenblicke, dann rutsche es erneut dichter. Entweder war es dem Glumanda dieses Mal egal und es würde weiter nach oben sehen oder aber es würde den Blick wieder auf sie richten und Lou war durchaus bereit, sich dem kleinen Feuerpokémon dann auch zu erklären.
Lou musste sich eingestehen, dass sie nicht wusste, auf welche Reaktion sie gehofft hatte. Hätte das Glumanda sie ignoriert, hätte das dafür gesprochen, dass es in ihr keine all zu große Bedrohung sah, aber der alarmierte Blick, mit dem es sie nun ansah, sprach eine eigene Sprache. "Ich will dir keine Angst machen. Ich möchte nur dichter zu dir und habe versucht, es langsam zu machen", gab Lou dem kleinen Pokémon gegenüber zu. Sie atmete kurz aus, ließ dabei die Schultern etwas hängen. Sie wusste, dass eine ausführlichere Erklärung gewagt war und sie war bereit, sich auch direkt wieder zurück zu ziehen, aber sie war dennoch ein wenig nervös. "Ich mache mir Sorgen um dich, darum bin ich näher gekommen. Als du noch nicht wach warst, habe ich viel mit dir gesprochen, aber das ist jetzt anders, darum wollte ich das versuchen. Du hast jeden Grund, vorsichtig zu sein. Bitte verzeih, dass ich dir Angst gemacht habe."
Ethan bewunderte Lous Geduld - er war sich sicher, dass er mit dieser Situation nicht so hätte umgehen können. Das Glumanda starrte Lou derweil weiterhin an und wirkte noch immer wachsam, aber vielleicht etwas weniger alarmiert.
Es schien funktioniert zu haben, das war definitiv eine Überraschung, allerdings eine gute. Lou hatte sich jedenfalls auf mehr Ablehnung eingestellt gehabt. Dass diese nun ausgeblieben war, nahm sie zum Anlass, zu bleiben, wo sie war und auch ihre Erklärung weiter auszuführen. Ein wenig jedenfalls. "Als ich mit dir gesprochen habe, da habe ich dich gebeten, durchzuhalten. Ich glaube, da habe ich auch angefangen, dich ab und zu kleiner Kämpfer zu nennen. Du hast es bestimmt nicht mitbekommen, immerhin hast du geschlafen, aber ich habe immer mal wieder mit dir geredet. Auch auf dem Weg hier her. Da hatte ich dich auf dem Arm und wir mussten uns beeilen. Ich hab mir da auch schon Sorgen gemacht und darum hab ich wohl damit angefangen, zu dir zu sprechen", erzählte Lou dem Glumanda schließlich von ihrer ersten Begegnung. Ihr war klar, dass es für das kleine Pokémon nur eine Geschichte war, aber vielleicht half es ihm trotzdem, Lous Verhalten zu verstehen. Jedenfalls war das ihr Wunsch.
Das Glumanda reagierte nicht weiter, aber Lou hatte zumindest noch seine Aufmerksamkeit und das war definitiv besser, als würde es zur Decke starren. Immerhin bedeutete das auch, dass es ihr zuhörte. "Auch wenn es wohl keinen Unterschied gemacht hat, freu ich mich trotzdem, dass du wach geworden bist. Das heißt immerhin, dass du durchgehalten hast, nicht wahr?", meinte Lou daraufhin, wenn auch ein wenig vorsichtig. Sie wollte weiterhin Ruhe zeigen und nicht zu überschwänglich werden. "Die haben dich aufgegeben, aber du bist noch da. Das heißt, dass du gewonnen hast, kleiner Kämpfer. Und das kann dir niemand mehr wegnehmen", fügte anschließend doch noch an und versuchte sich an einem vorsichtigen Lächeln. Sie wollte dieses Mal nicht zu aufdringlich mit dieser Geste sein.
Das Glumanda wirkte auf Ethan zwar noch immer alles andere als entspannt, aber es schien zumindest nicht ernsthaft zu glauben, dass Lou es im nächsten Moment attackieren würde. Und das war bei diesem Pokémon vielleicht sogar ein großer Fortschritt. In diesem Moment bemerkte er, dass der Arzt auf das Zimmer zukam, die Tür öffnete und eintrat. "Laut Monitor ist es wach?", merkte er an und trat dann zu dem Inkubator. Sobald er im Sichtfeld des Glumanda auftauchte, begann dieses erneut zu zappeln und schien zu versuchen, sich irgendwie aus seiner Lage zu befreien - selbstverständlich ohne Erfolg.