"Ich hab Zeit", erwiderte Lou und wirkte ebenfalls ein wenig amüsiert. Es tat ihr gut, zu wissen, dass es bei Ethan nun eindeutig bergauf ging. "Außerdem kann ich so aufpassen, dass du auch wirklich etwas isst. Nicht, dass du das doch irgendwie vergisst oder so." Lous Belustigung verschwand in dem Moment, als Ethan die offiziellen Kämpfe erwähnte. Natürlich hatte sie auch daran gedacht, es war immerhin ziemlich offensichtlich. "Ich bin eine Niete, was Kämpfe angeht", erwiderte sie ihm. "Allerdings liegt es nicht an der Theorie. Ich hab da bei der Trainerlizenz ganz gut abgeschnitten. Das Problem ist, dass ich da stehe und meinem Pokemon befehle sich Schmerzen zufügen zu lassen... Das gefällt mir nicht. So gar nicht. Ich weiß, dass das die Norm ist und ich gucke mir ja auch offizielle Turniere und sowas im Fernsehen an... Aber ich kann es nicht selber. Wenn ich dann da stehe... Dann kann ich nicht mehr denken."
Louthan: Die Tatsache, dass Lou Zeit hatte, hatte eigentlich gar nicht erst zur Debatte gestanden, aber gut, im Endeffekt bedeutete das vermutlich, dass sie vorhatte, eine ganze Weile lang zu bleiben. Ethan war sich nicht sicher, ob er das wirklich gut finden sollte. Er bezweifelte es. Vor allem fragte er sich, weshalb sie zu glauben schien, dass es ihre Angelegenheit war, ob er nun etwas aß oder nicht. "Die meisten Pokémon-Arten kämpfen auch dann, wenn sie keinen Trainer haben", merkte Ethan an, weil das Thema deutlich unproblematischer war. Zumindest für ihn. "Es ist für manche sogar eine Art Instinkt. Und wenn Caleb es möchte, wirst du irgendeine Form suchen müssen, in der das funktioniert." Er hob die Schulter. "Außerdem gibt es auch noch Wettbewerbe, da gibt es noch striktere Regeln für Kämpfe und ich glaube ich habe noch nie von einem Fall gehört, bei dem ein Pokémon während eines Wettbewerbs wirklich schwerwiegend zu Schaden gekommen ist."
Lou seufzte schwer. Ethan hatte recht, aber das tröstete sie nur bedingt. Eigentlich sollte es doch selbstverständlich sein, gerade weil die Pokemon es ohnehin von sich aus taten, aber dem Mädchen widerstrebte der Gedanke nichtsdestotrotz. "Wettbewerbe sind ziemlich cool. Ich mag sie. Und auch das, was du gesagt hast, stimmt schon...", meinte Lou und warf einen kurzen Blick zu Ethan. "Es wäre theoretisch eine Idee... Allerdings müsste ich dann erst einmal testen, ob Caleb es hinbekommt sich auf... Kunststücke trainieren zu lassen. Wenn ihm das ausreichen sollte, dann... naja... dann kann ich mir zumindest vorstellen, dass ich es vielleicht auf einen Versuch ankommen lasse." Vorausgesetzt es ergab sich eine Gelegenheit. Lou wusste nicht einmal, ob in der Gegend überhaupt ein lokaler Wettbewerb stattfand. Zumindest würde sie sich keine Gedanken wegen ihres Alters machen müssen, denn soweit sie wusste, sah die Vorschrift nur den Besitz der Trainerlizenz vor.
Louthan: Lou wirkte nicht sonderlich begeistert, aber das war schließlich ihre Angelegenheit. Aber immerhin schien sie die doch eher spontane Idee seinerseits nicht unbedingt schlecht zu finden. Ethan selbst hatte zwar ein oder zwei Wettbewerbe gesehen, als er noch jünger gewesen war, aber viel mehr konnte er diesbezüglich nicht sagen. Er wusste, dass sie durchaus eine Menge Geld einbrachten, dass sie lukrativ waren und dass die AC sich darum kümmerte, dass jährlich das Große Festival stattfand, aber er bezweifelte, dass Lou ein wirtschaftliches Interesse an den Wettbewerben hatte. "Er müsste auch kämpfen", merkte Ethan mit einem Schulterzucken an. "Die zweite Runde besteht schließlich aus reglementierten Kämpfen." Zumindest war das früher der Fall gewesen. "Also wirst du ihn vermutlich motivieren können - es ist für ihn auf jeden Fall besser als gar kein Kampf." Ethan sah zu Bonaparte. Ob das Plinfa jemals wieder kämpfen wollte, war eine ganz andere Frage.
"Vermutlich müsste ich dann sogar über ein zweites Pokemon nachdenken", überlegte Lou laut. Es wäre kein Muss, aber sie wusste, dass manche Wettbewerbe den Einsatz von zwei Pokemon vorsahen, zumindest einige wenige. Dazu kam, dass sie ohnehin erst einmal mit dem offiziellen Regelwerk befassen müsste, wobei sie annahm, dass es nicht schwierig sein sollte, an eines heranzukommen. "Und ich muss wohl strenger... also disziplinierter mit Caleb sein. Ich..." Lou stockte in ihrem Satz, als sie Ethans Blick bemerkte. Natürlich... Er machte sie Sorgen und das auch zu Recht. Das Mädchen seufzte leicht und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Das allerwichtigste ist, dass er gesund wird", meinte sie dem jungen Mann gegenüber. "Was macht es also für einen Unterschied, was er dann tun möchte? Er kommt wieder auf die Beine, das ist alles was zählt."
Louthan: Ethan setzte zu einer Antwort an, aber Lou schien seinen Blick zu Bonaparte nicht nur bemerkt, sondern auch richtig interpretiert zu haben. Er fragte sie, woher sie gewusst hatte, woran er gedacht hatte, aber vermutlich was es irgendwie offensichtlich gewesen. "Du hast recht", erwiderte Ethan, aber aus irgendeinem Grund war er sich da nicht sicher. Es war nicht egal, was Bonaparte tun wollte - schon alleine, weil das Plinfa die Wahl hatte, ganz im Gegensatz zu ihm. Er hatte keine Wahl und abgesehen davon wusste er ohnehin nicht, was er getan hätte, wenn er eine Wahl gehabt hätte. Irgendwie war es merkwürdig, dass ein Pokémon eine größere Auswahl hatte als er. "Es wird ohnehin alles so weitergehen wie bisher", fügte Ethan schließlich hinzu.
Lou sah Ethan einen Augenblick lang irritiert an. Eigentlich hatte sie noch etwas hinzufügen wollen, aber die letzte Bemerkung des jungen Mannes hatte sie aus der Bahn geworfen. Ethan wirkte recht nachdenklich und vielleicht auch... unzufrieden, aber Letzteres war mehr geraten. "Das verstehe ich nicht. Was meinst du damit?", hakte sie also nach. "Wieso sollte alles so bleiben wie bisher?" Das Mädchen war sich nicht sicher, worauf er das bezog. Für Bonaparte würde vermutlich nichts so bleiben, wie es bisher gewesen war und auch Ethan hatte gezeigt, dass er sich erst mit seinem Pokemon und dessen Wünschen auseinander setzen musste. Aber gerade deshalb machte es in ihren Augen noch weniger Sinn, etwas Derartiges zu sagen.
Louthan: Ethan stellte fest, dass seine Bemerkung nur für ihn eindeutig gewesen war. Wie hätte Lou es auch verstehen können? Sie wusste vermutlich ebenso wenig, wie sich sein Tagesablauf normalerweise gestaltete. "Ich werde weiterhin Privatunterricht haben", erklärte er mit doch eher gemischten Gefühlen. "Dieselben Stunden zu den gleichen Zeiten. Und wenn Bonaparte nicht kämpfen möchte, wird mein Vater ein anderes Pokemon für den Kampfunterricht auftreiben." Ethan schüttelte den Kopf. "Für Bonaparte mag sich einiges ändern, aber im Endeffekt..." Er hob die Schultern. "Im Endeffekt bleibt alles genauso, wie es war."
Lou lauschte Ethans Erklärung und schwieg erst einmal einen Moment, denn das, was der junge Mann ihr gerade erklärte, klang in ihren Ohren wenig erbaulich. Ethan wirkte auch nicht sonderlich glücklich über diese Aussicht. Normalerweise fanden es Leute angenehm, wenn sie nach so einer Aufregung zur Normalität zurückkehren konnten, Lou bildete da auch keine Ausnahme. Der junge Mann vor ihr allerdings schien sich genau daran zu stören. In dem Mädchen keimte der Verdacht, dass dieser Tag, so schlimm er auch gewesen sein mochte, Ethan gezeigt hatte, dass es mehr gab als nur irgendwelche Pläne, die andere für einen aufstellten. Sicher war sich Lou allerdings nicht. "Du klingst nicht so, als ob dir das sonderlich zusagt", wagte sie einen kleinen Vorstoß.
Louthan: Ethan hatte nicht den Eindruck, als ob Lou sonderlich überrascht darüber war, dass er einen derartig genauen Tagesplan hatte. Und trotzdem schien sie nach seiner Antwort einen Moment lang zu schweigen und das irritierte ihn, weil es dafür eigentlich keinen echten Grund gab. "Ein komplett vorgeplanter Tagesablauf ist bequem, keine Frage", räumte er ein, schüttelte dann allerdings den Kopf. "Aber ich bezweifle, dass es irgendwen gibt, der das dauerhaft als angenehm empfindet. Es ist monoton."
Lou hörte Ethan zu, ohne ihn zu unterbrechen. Erst als er fertig war, nickte sie leicht. "Es ist nett, weil man sich um nichts kümmern muss", stimmte sie ihm zu. "Allerdings darf man dann auch nichts selbst entscheiden und das ist ziemlich bescheiden." Sie hätte das nicht so lange mitgemacht, allerding unter der Voraussetzung, dass sie von ihren Eltern ausging. So wie es klang, waren Ethans nämlich ein ganz anderes Kaliber. "Gibt es denn etwas, was du lieber machen würdest?"
Louthan: Ethan nahm an, dass 'bescheiden' eine nette Umschreibung für irgendein unschönes Wort war und Lou hatte damit definitv recht. Es war in jedem Fall unbefriedigend. Ihre Frage stellte ihn allerdings vor ein Problem und dieses wiederum bestand darin, dass er tatsächlich keine Antwort hatte. Er wusste es nicht und er war sich nicht sicher, ob er das einfach zugeben wollte. Die Alternative bestand allerdings darin, irgendetwas vorzuschieben und das wiederum erschien ihm auch nicht sonderlich angebracht. "Mit Sicherheit", erwiderte er vage und hob anschließend die Schultern, ohne Lou anzusehen. "Ich weiß nur nicht, was."
"Du bist also so eingespannt, dass du gar keine Zeit hattest, irgendetwas zu machen, das dir gefällt?", fragte Lou nach und klang durchaus etwas ungläubig. Das Mädchen wog den Kopf leicht hin und her, während es nachdachte. Das war ein ziemliches Dilemma, so viel musste sie Ethan lassen. "Und bei deinem ganzen Unterricht und all dem Kram war nichts dabei, das dich angesprochen hat? Nichts, das mehr gewesen wäre als Pflichterfüllung?", wollte sie dann von ihm wissen. Dummerweise waren Ethans Optionen auch noch äußerst begrenzt.
Louthan: "Richtig. Zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden bleibt kaum Zeit für irgendetwas anderes", bestätigte Ethan. Und die wenige Zeit, die er hatte, nutzte er meist, um sich auf den nächsten Unterricht vorzubereiten, denn das wurde schließlich von ihm erwartet. Auf ihre Frage hin, ging er seine Unterrichtsstunden druch und versuchte, irgendeine auszumachen, die nicht mehr als eine Pflicht war, aber das stellte sich als schwierig heraus. Nach einigen Stunden Wirtschaftsunterricht, waren seine Tennisstunden eine willkommene Abwechslung, aber er vermutete, dass es schlicht an der Bewegung lag, denn Tennis an sich war nicht unbedingt unterhaltsam. Das Gleiche galt gewissermaßen für den Kampfunterricht - vor allem weil Ethan seit heute wusste, wie weit dieser eigentlich von der Realität entfernt gewesen war. "Ich weiß es nicht", antwortete er erneut und hob die Schultern. "Es ist alles Routine, da ist es schwer, etwas anderes darin zu sehen."
Irgendwie tat Ethan ihr leid. Im Grunde hatte er kein eigenes Leben, wusste offensichtlich nicht, was er wirklich mochte und wenn er Leuten begegnete, wurde er viel zu oft auf seinen Nachnamen reduziert. Lou musste zugeben, dass sie nicht mit ihm tauschen wollen würde. "Hast du denn mal darüber nachgedacht, was du gerne mal machen würdest? Oder erstmal ausprobieren. Normalerweise probiert man Dinge, bevor man sich entscheidet...", meinte das Mädchen und hoffte, dass es vielleicht dieses Mal eine positive Antwort geben würde, weil es andersfalls wirklich schlecht aussah.