Louthan: "Wichtiger ist doch", antwortete Riccardo, der noch immer vor ihnen herlief, "dass sie in absehbarer Zeit nichts mehr hier tun werden. Und außerdem scheinen die Nummern in etwa so gut organisiert zu sein wie der Rest." Riccardo nickte zu einer der Türen. Die Nummerierung war spontan auf C68 gesprungen und verlief ab da wieder durchgehend. Ethan fragte sich, ob es hier so etwas wie geheime Räume gab, aber selbst wenn das der Fall war, würden diese bald nicht mehr nutzbar sein - immerhin hatte Riccardo genau das angekündigt.
Als Riccardo sie auf die Nummern hinwies, schüttelte Lou ungläubig den Kopf. Das machte alles nur sehr, sehr bedingt Sinn. "Was genau hast du eigentlich vor?", wollte Lou von Riccardo wissen, auch wenn man ihrer Stimme noch immer anhörte, dass sie das alles mitnahm. "Der Tunnel geht von hier bis Inito und zum Teil unter der Stadt lang, oder? Glaub ich jedenfalls... Außerdem könnte es noch mehr Ausgänge geben." Sie bezweifelte nicht, dass das Tornupto den Tunnel mit seinem Erdbeben zum Einsturz bringen konnte, allerdings wäre das für die gesamte Umgebung vermutlich ebenfalls fatal.
Holly:
"Wir haben heute etwas rausgefunden", stimmte Holly zu. "Aber bleiben wir mal realistisch. Das Einzige, was wir getan haben, war Puzzleteile zusammenzusetzen. Die Arbeit machen Leute, deren Möglichkeiten und Fähigkeiten unsere mal eben um Längen übersteigen." Und das war in Hollys Augen durchaus frustrierend. Sie war es jedenfalls leid und sie beschloss, dass sie wesentlich mehr trainieren wollte.
Jakob verdrehte kurz die Augen. Er verstand Holly, aber er fand trotzdem, dass sie eine wichtige Aufgabe hatten. "Ja, natürlich, aber wird das immer so bleiben? Ich hoffe nicht! Ich hoffe nicht, dass ich für immer der Anfänger sein werde." Er nickte Holly kurz zu und legte ihr seine Hand auf die Schulter. "Sieh es mal so, die Leute, die jetzt die Arbeit machen, hätten diese gar nicht tun können, wenn wir nicht die Puzzelteile zusammengesetzt hätten. Das wäre nochmal viel frustrierender gewesen, als dass wir jetzt hier sitzen und das Telefon bewachen."
Louthan: "Ich würde sagen, ein starker Stromschlag legt sämtliche Elektronik lahm, die sich hier befindet", antwortete Riccardo auf Lous Frage hin. "Das führt mit Sicherheit zu Überspannung und dem einen oder anderen Brand." Er nickte zur Decke. "Und da es eine Sprinkler-Anlage gibt, wird danach sämtliche übrige Technik ebenfalls hinüber sein." Er hob kurz die Schultern und setzte dabei sein selbstsicheres Lächeln auf. "Und zumindest der hiesige Eingang und die ersten Meter des Tunnels lassen sich problemlos einebnen." Das klang definitiv nach einem Plan, so viel musste Ethan zugeben. Riccardo schien in der Tat zu wissen, was er da tat und das wiederum warf erneut die Frage auf, warum er das Ganze nicht deutlich früher in Angriff genommen hatte. Allerdings bezweifelte Ethan stark, dass er darauf eine Antwort erhalten würde.
"Das könnte wahrscheinlich alles hier unten in Brand setzen", erwiderte Lou, nachdem sie ihr Physikwissen ein wenig zusammengekratzt hatte. In diesem Moment war sie tatsächlich froh, dass ihre Prüfungen noch nicht so lange her waren. "Das dürfte auch ziemlich nachhaltig sein. Allein die Elektronik zu tauschen, ist vermutlich ein Aufwand, den keiner betreiben will. Ganz zu schweigen von den Brandschäden." Zumindest nicht in naher Zukunft. Immerhin durften sie nicht vergessen, dass irgendwer sich die Mühe gemacht hatte, diesen Tunnel überhaupt zu bauen und das auch noch unbemerkt. Außerdem könnten Teile eventuell sogar als provisorisches Lager benutzt werden, auch wenn Lou annahm, dass dieser Gedanke dann doch zu paranoid war. Sie seufzte kurz und sah anschließend zu den Raumnummern. Hoffentlich waren sie bald da.
Holly:
"Vermutlich hast du recht", stimmte Holly zu. Sie sah kurz zu ihm, als er ihr die Hand auf die Schulter legte. Jakobs Behauptung war nicht ganz aus der Luft gegriffen. Es wäre definitiv frustrierender gewesen, wenn ihnen Johnsons Verschwinden nicht aufgefallen wäre. Was hatte es also für eine Relevanz, dass sie nun herumsaßen und hofften, dass das Telefon klingelte? Die Antwort war tatsächlich: Gar keine. Es spielte keine Rolle. Es waren andere Dinge in Gang gekommen und das allein zählte wohl. "Das mit dem Anfänger musst du wohl Annie fragen. Die scheint das ja ganz gut beurteilen zu können", stichelte Holly letztlich, um die Situation etwas aufzulockern.
Als Holly das Thema auf Annie wechselte, nahm er seine Hand wieder von ihrer Schulter. Er ginste Holly kurz an und nickte. "Du meinst also, dass sie dafür verantwortlich ist, zu sagen, wer Anfänger ist und wer nicht?" Der Teenager grinste für einen Moment. Es würde ihm schon ein Gefühl von Genugtuung geben, wenn ihn Annie nicht mehr als Anfänger bezeichnen würde. Allerdings musste er auch zugeben, dass ihm Anfänger besser gefiel als ein gewisser anderer Spitznahme. Jakob seufzte einmal kurz und merkte, dass er unwillkürlich zu grinsen angefangen hatte. "Entschuldigung, ich glaube, ich war kurz in Gedanken. Aber ja, um nicht mehr Anfänger genannt zu werden, müssen wir eben trainieren."
Louthan: "Richtig", bestätigte Riccardo mit einem Nicken, dann blieb er letztlich vor einer der Türen stehen. Ethans Blick fiel auf die Beschriftung, die den Raum tatsächlich als C93 auswies und er bemerkte einen Anflug von Nervosität. Wer konnte ihnen schon sagen, was sie in diesem Raum vorfinden würden? Riccardo hingegen sah sie kurz in dem Gang um, dann sah er kurz zu dem Tornupto, welches sich daraufhin mittig im Gang platzierte. Auf eine kurze Geste hin widmete sich Sengo der Tür und rammte anschließend seine Klauen zwischen Tür und Rahmen. Laut protestierend gab das Metall nach.
Riccardos Antwort fiel recht knapp aus, aber das machte nichts, denn sie erreichten letztlich ihr Ziel. Lou bemerkte wie ihre Nervosität und Anspannung zurückkehrten. Sie fürchtete sich durchaus davor, dass sie doch zu spät waren. Mittlerweile traute sie diesen Leuten alles zu und das beinhaltete auch, dass sie jemanden schwer verletzten und sich dann nicht darum scherten, ob dieser jemand überlebte oder nicht. Sie atmete tief durch und versuchte ruhig zu bleiben. Unbewusst drückte sie Ethans Hand, während sie sich bemühte, auf alles gefasst zu sein, was da kommen würde.
Holly:
"Nein, das denke ich nicht. Aber die Vorlage war für den Scherz einfach zu gut", erwiderte die junge Farmerin und hob kurz die Schultern. "Mir ist es eigentlich egal, ob mich jemand als Anfänger bezeichnet oder nicht. Immerhin ist es ziemlich offensichtlich. Was soll ich mich also darüber ärgern? Wichtig ist doch nur, dass ich an mir arbeite und versuche meine Defizite auszugleichen. Ob ich dann immer noch ein Anfänger bin? Keine Ahnung. Im Grunde spielt es doch keine Rolle, oder?", meinte sie letztlich Jakob gegenüber.
Jakob schnaubte kurz belustigt und schüttelte dann den Kopf. "Klar ist es wichtig, was man leistet, aber ich bin auch der Meinung, dass es wichtig ist, wie andere einen sehen." Jakob wollte Anerkennung. Ob das jetzt von Holly und den anderen oder von Annie war, war ihm prinzipiell fast egal. "Ich glaube, das ist auch der Grund, warum ich die Arenen herausfordern will. Dann kann man wenigstens auch im Notfall beweisen, dass man etwas drauf hat."
Louthan: Knirschend öffnete sich letztlich die Tür und das Sengo sprang sofort vor in den Raum, vermutlich um potentielle Angreifer auszuschalten, doch jeglicher Angriff blieb aus, sodass letztlich Riccardo den Raum betrat. Ethan war sich nicht sicher, ob es ein gutes Zeichen war, dass man keine Stimmen hörte - es konnte letztlich auch ein schlechtes sein. Dann zwang er sich dazu, zumindest zu der Tür zu treten, um in den Raum hineinsehen zu können. Es handelte sich um ein kleines Zimmer, in dem sich ein einzelner Stuhl befand. Darauf saß eine in sich zusammengesunkene Gestalt, die eindeutig an dem Stuhl festgebunden war. Die Person trug normale Kleidung, aber vermutlich wäre eine Polizeiuniform zu auffällig gewesen, so viel leuchtete Ethan ein. Deutlich skeptischer stimmte ihn die durchaus beträchtliche Menge an Blut, die die komplette rechte Seite des Hemdes rot gefärbt hatte. Abgesehen davon reagierte der Gefangene nicht einmal ansatzweise darauf, dass die Tür geöffnet worden war. Selbst Riccardo schien einen Moment lang innezuhalten und Ethan wusste nicht, was er in dieser Situation überhaupt tun sollte.
Lou hatte eigentlich auf irgendeine Reaktion gehofft. Ein Lebenszeichen von Johnson. Aber es kam nichts. Fast schon widerwillig folgte sie Riccardo und Ethan letztlich in den Raum, aber der Anblick des Captains verschlug dem Mädchen die Sprache. Lou blieb einen Augenblick lang wie erstarrt stehen. Es sah furchtbar aus. Er sah furchtbar aus. Sie wollte etwas sagen, aber sie brachte keinen Ton über die Lippen. Waren sie doch zu spät? Wieso gab es Leute, die so etwas Schreckliches taten? Lou verstand es nicht. Sie wollte es nicht verstehen, denn sie war überzeugt, dass es keinen Grund gab, der sowas rechtfertigen würde. Das Mädchen schüttelte den Kopf. Erst leicht, dann immer deutlicher. "Das ist doch nicht wahr!", stieß sie aus und kämpfte zum ersten Mal wirklich mit den Tränen. Sie wischte sich eher verzweifelt als zielgerichtet über die Augen und tat anschließend ein paar Schritte in den Raum hinein. Theoretisch wusste sie, was zu tun war, aber der Anblick des Captain überforderte sie in diesem Moment.
Holly:
"Wieso?", hakte Holly nach. "Was interessiert es mich, was andere von mir denken? Ich muss doch mit mir zufrieden sein. Warum sollte es mich interessieren, ob mich andere für stark oder schwach, klug oder dumm, hässlich oder hübsch halten? Die Meinung dieser Leute hat null Einfluss auf mein Leben oder meine Zukunft und viele werde ich höchstens einmal in meinem Leben treffen. Und der Rest kann mich ganz dezent mal gern haben. Ich werd mich nicht verbiegen, um irgendwem zu gefallen. Das wäre mir auf Dauer auch zu anstrengend." Holly schüttelte den Kopf. "Entweder mögen mich die Leute, wie ich bin, oder eben nicht."
Jakob schaute Holly kurz an und schüttelte dann den Kopf. "Ich rede ja auch nicht von den einmaligen Begegnungen. Die sind mir relativ egal. Aber der Rest..." Er schüttelte den Kopf. "Ich könnte, glaube ich, nicht mit mir zufrieden sein, wenn das nicht auch andere wären. Im Leben hängt immer so viel davon ab, wie einen andere aufnehmen, das ist schon wichtig." Er seufzte kurz, weil ihn das an die Einstellung seines Vaters erinnerte. Es wäre schön, für das, was er tat, von ihm Anerkennung zu bekommen, aber er würde sich nicht für ihn verbiegen. "Ich bin ja auch nicht der Meinung, dass man sich für jedem verbiegen muss, aber es ist einfach ein sehr gutes Gefühl, für das gemocht zu werden, was man ist oder Anerkennung für das zu bekommen, was einem Spaß macht."
Louthan: Lous Äußerung bewirkte letztlich, dass zumindest Riccardo nicht mehr nur dastand, sondern zu dem Verletzten trat und anschließend dessen Puls zu fühlen schien. "Er lebt auf jeden Fall noch", merkte er dann an, bevor er das Sengo zu sich winkte. Das Pokémon durchtrennte die Fesseln, die den Verletzten an seinen Stuhl hielten und bevor er nach vorne kippen konnte, griff Riccardo nach der linken, unblutigen Schulter, woraufhin Ethan zumindest kurz das Gesicht des Verletzten sah und ihn damit eindeutig als Johnson identifizierte - auch wenn sein Gesicht so aussah, als hätte er mehr als nur einen Schlag abbekommen. Ein leises Stöhnen entwich dem halb bewusstlosen Captain. "Wir müssen ihn hier rausbringen und wir brauchen einen Krankenwagen", deklarierte Riccardo und sah anschließend Ethan an. "Hast du hier unten Empfang?" Eilig griff Ethan nach seinem AC-Phone, doch das vermeldete wie zu erwarten, dass es hier kein Signal empfing, sodass er kurz den Kopf schüttelte. Dann heftete sich sein Blick wieder auf Johnson, der ohne Riccardos Zutun mit Sicherheit längst zu Boden gegangen wäre.
Die Nachricht, dass der Captain lebte, ließ Lou zumindest ein bisschen ihrer Fassung zurückgewinnen. Sie musste sich zusammennehmen. Immerhin war Johnson noch nicht in Sicherheit. Danach hatte sie Zeit, um über die Ereignisse nachzudenken. Letztlich gab sie sich endlich einen Ruck und trat ebenfalls zu dem Polizisten. Überall schien Blut zu sein und Lou hoffte, dass es nicht zu viel war. Sie zögerte noch einen winzigen Augenblick, dann griff sie nach der anderen Schulter, damit Riccardo Johnson nicht allein stützen musste. "Soll einer von uns vorlaufen und den Krankenwagen schon rufen oder sollen wir den Captain erst nach vorne bringen?", wollte sie von dem jungen Mann wissen. Sie fühlte sich unglaublich unbehaglich in dieser Situation, aber letztlich führte kein Weg daran vorbei.
Holly:
"So meinte ich das nicht", erwiderte Holly mit einem Seufzen. "Klar ist es schön, wenn andere einen mögen und alles. Ich glaub das mag doch jeder, oder? Aber ich finde, dass man sich nicht davon abhängig machen darf. Man muss seinen eigenen Ansprüchen genügen und nicht die anderer erfüllen. Wenn man die aber nebenbei gleich mit erfüllt ist das super, aber wenn man das nicht tut, geht die Welt auch nicht unter." Die junge Farmerin pausierte kurz und sah dann direkt zu Jakob. "Nimm doch das Turnier als Beispiel. So als theoretisches. Was nützt es dir, wenn du der Liebling des Publikums gewesen wärst, aber deine Pokemon dafür wesentlich schlimmer verletzt gewesen wären? Wärst du dann wirklich zufrieden mit dir?"
Jakob dachte einen Moment nach und musterte Holly dabei. "Ich weiß es nicht, vielleicht", meinte er und zuckte mit den Schultern. "Dann... dann wäre ich nicht wie der letzte Depp beim Turnier dagestanden. Aber was hättet dann ihr von mir gedacht? Oder wie hätte ich der Professorin erklären sollen, dass Pachira eine bleibende Verletzung hat oder so etwas? An sowas denke ich. Klar, Publikumsliebling ist eine Sache, aber das Publikum ist nunmal sowas wie eine einmalige Begegnung." Der Teenager seufzte kurz, er war sich nicht wirklich sicher bei dieser Sache. "Aber ja, ich würde schon einmal gerne wissen, wie es ist, bejubelt zu werden. Oder Fans zu haben. Aber ich glaube kaum, dass man Fans hat, wenn nach jedem Kampf die eigenen Pokémon operiert werden müssen. Das kommt nicht gut an." Jakob grübelte noch einen Moment, aber schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, was ihn wirklich zufrieden machen würde. Er hoffte einfach, dass er bei seinem Weg mal über etwas Derartiges stolpern würde.