"Ist eigentlich wie immer bisher", bemerkte Holly, als sie schließlich die Intensivstation erreicht hatten. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie nicht vermutet, dass es einen Überfall gegeben hatte. "Das ist schonmal was Gutes", erwiderte Lou und sah dann zu den anderen. "Sollen wir dann klingeln?" "Wir sollten erst klären, wer von uns hingeht. Bisher durften immer nur zwei Besucher pro Patient rein", erklärte Holly. "Mir persönlich ist es egal. Ich würde euch den Vortritt überlassen, wenn einer von euch möchte. Ich kann auch beim nächsten Mal mit rein." Vielleicht war Johnson beim nächsten Mal sogar schon auf einer normalen Station, sodass die Frage nicht einmal aufkommen würde. "Ich würde tatsächlich gerne", meinte Lou, wenn auch ein wenig kleinlaut. "Nach dem Tunnel... würd ich gerne sehen, dass es ihm soweit gut geht." "Okay. Und wie sieht's bei euch aus, Jungs?", wandte Holly sich anschließend an ihre männlichen Begleiter.
Jakob zuckte mit den Schultern und sah von Holly zu Ethan. "Also mir ist es egal", meinte der Teenager. "Ich war zwar bisher noch nicht bei ihm, aber da er jedes Mal bewusstlos war, finde ich das nicht so tragisch. Wenn du willst, kannst du, wenn nicht, gehe ich." Jakob wollte einfach nett zu Ethan sein. Lou hatte es angesprochen, dass sie sich nach dem Tunnel vergewissern wollte, ob es dem Captain gut ging. Wenn Ethan das ebenfalls wollte, würde Jakob ihm nicht im Weg stehen, wenn Ethan das allerdings nicht wollte, so konnte er es jetzt sagen.
"Dann würde ich mitgehen", antwortete Ethan mit einem kurzen Nicken. Immerhin hatte er Johnson mit Riccardo aus dem Tunnel geschafft. Er atmete tief durch, dann trat er zu der Klingel und betätigte sie. "Ja bitte?", ertönte eine männliche Stimme. "Wir möchten zu Captain Johnson." "Und Sie sind?" "Die Freiwilligen der Polizei", antwortete Ethan. Der Summer wurde betätigt und Ethan öffnete daraufhin die Tür. Dahinter lagen eine Art Wartebereich und eine Theke, hinter der ein Krankenpfleger mittleren Alters stand. Der Mann sah prüfend zu der Tür, sodass Ethan sicherheitshalber direkt seinen Freiwilligenausweis hervorholte, während er Lou die Tür aufhielt und anschließend selbst den Vorraum betrat.
"Dann bis später", verabschiedete sich Holly von den beiden anderen. woraufhin Lou kurz nickte und Ethan schließlich folgte. "Danke", meinte sie zu dem jungen Mann, als er ihr die Tür aufhielt. Das Mädchen hoffte, dass es dem Captain gut ging und dass sie auch als inoffizielle Freiwillige zu ihm konnte. Allerdings wusste sie nicht, wie streng Krankenhäuser in dieser Hinsicht waren. Vor allem nicht nach dem aktuellen Vorfall.
Ethan nickte kurz, als sich Lou bei ihm bedankte, auch wenn es für ihn irgendwie selbstverständlich gewesen war. Dann trat er zu dem Mann hinter der Theke und gab ihm seinen Freiwilligenausweis. Der Mann musterte ihn und schien dabei kurz zu stutzen. Ethan ging davon aus, dass sein Name der Grund dafür gewesen war. "Sie wollen zu Johnson?", hakte der Krankenpfleger nach, während er Ethan den Ausweis zurückgab. "Ja." Der Krankenpfleger nickte und nannte ihnen das entsprechende Zimmer. Nach einem kurzen Dank wandte sich Ethan ab und sah kurz zu Lou. Es war albern, aber dieser Besuch im Krankenhaus war ihm unangenehm.
Lou bedankte sich ebenfalls bei dem Krankenpfleger und folgte Ethan dann in die angegebene Richtung. "Alles okay?", fragte das Mädchen nach, als es Ethans Blick bemerkte. Lou hatte den Eindruck, dass Ethan irgendetwas beschäftigte, allerdings konnte sie spontan nicht genau sagen, was es war. Sie nahm aber an, dass es an der aktuellen Situation lag. Immerhin wussten sie nicht, was sie erwarten würde, wenn sie Johnsons Zimmer betraten und Lou konnte nur zu gut verstehen, dass es Ethan nervös machte. Ihr selbst ging es ähnlich, obwohl sie eigentlich wusste, dass es keinen Grund dafür gab. Das Mädchen vermutete allerdings, dass die Umgebung bei Ethan noch zusätzlich negative Assoziationen hervorrief.
"Ja, alles okay", erwiderte Ethan, wenn auch vielleicht etwas zu schnell. Er hielt es für einen schlechten Zeitpunkt, irgendwelche irrationalen Ängste zu besprechen. Und der Ort war auch nicht besser geeignet. Immerhin war der Weg zu Johnsons Zimmer nicht sonderlich weit, sodass Ethan letztlich tief durchatmete und die Tür öffnete. Das erste, was er wahrnahm, war ein lautes Summen, das er spontan keinem Gerät hätte zuordnen können - und nur einen Moment später fiel ihm das Bibor auf, das in sein Blickfeld geflogen war und ihn drohend ansah.
Lou hatte Ethan eigentlich noch erwidern wollen, dass sie gerne später darüber reden konnten, falls er das wollte. Immerhin konnte sie sich denken, dass das alles für ihn ziemlich schwer war. Allerdings kam sie nicht dazu, weil Ethan die Tür zu Johnsons Zimmer öffnete und sie direkt von einem Bibor begrüßt wurden. Lou schaffte es gerade so, nicht erschrocken aufzuschreien, sondern ruhig zu bleiben. Das Bibor musste Conchua gehören. Sie wussten von Holly und Jakob, dass die Arenaleiterin hier gewesen war und in Anbetracht der aktuellen Ereignisse war es denkbar, dass Conchua auf Nummer Sicher gegangen war. "Hallo", begrüßte Lou das Pokémon schließlich, auch wenn sie ihre Unsicherheit nicht völlig aus ihrer Stimme verbannen konnte. "Du gehörst zu Conchua, richtig? Dann sind wir auf einer Seite, auch wenn du uns nicht kennst. Wir waren mit dabei, als der Captain gerettet wurde und wollen ihn nun besuchen." Das Mädchen dachte fieberhaft nach, auf der Suche nach einem Argument, welches für das Bibor eindeutig genug war, dass sie die Wahrheit sprach. "Vielleicht hat Conchua dir gesagt, dass es noch anderen Besuch geben könnte. Unsere Freunde waren auch schon einmal hier. Hat sie uns dabei vielleicht als Freiwillige bezeichnet?"
Das Bibor schwebte weiterhin in unmittelbarer Nähe zu der Tür und wirkte alles andere als überzeugt - Lous Versuch war zwar lobenswert gewesen, aber in Ethans Augen waren das zu viele Informationen und Fragen auf einmal gewesen. Mit einem kurzen Blick zu den gewaltigen Nadeln des Pokémon suchte Ethan nach irgendeiner Lösung und holte letztlich den Orden hervor, den Conchua ihm gegeben hatte. Natürlich war das Ding an sich einfach nur Zierde, aber vielleicht brachte es das Bibor dazu, überhaupt zuzuhören, sodass Ethan dem Käfer-Pokémon letztlich den Orden hinhielt. "Ich habe gegen Conchua gekämpft", sagte er dann eilig, "gegen ein Smettbo und ein Bluzuk." Das Bibor zeigte sich unbeeindruckt und hob seine Arme leicht an. Ethan unterdrückte das Bedürfnis, einen Schritt zurück zu machen. "Lass sie rein", ertönte letztlich eine Stimme, die fast von dem Brummen des Käfer-Pokémons übertönt worden war. Immerhin hielt das Bibor daraufhin inne.
Lou kam zu dem Schluss, dass sie es wohl ein wenig zu sehr probiert hatte. Sie würde sich für die Zukunft merken müssen, dass weniger reden wohl eher helfen konnte. Ethans Idee fand das Mädchen hingegen wirklich gut. Ihm wäre auf die Schnelle jedenfalls nichts anderes eingefallen, außer nochmal nach vorne zum Krankenpfleger zu gehen. Eigentlich wollte Lou auch gerade genau das vorschlagen, weil das Bibor offensichtlich nicht überzeugt war, als sie tatsächlich eine Stimme hörte. Sie war kaum wahrzunehmen und dank dem Bibor konnte Lou auch nicht nachsehen, ob es nicht doch der Captain war, sodass sie zu Ethan sah und ihn fragend anblickte. Wenn er es auch gehört hatte, würde sie versuchen das Zimmer zu betreten.
Ethan bemerkte Lous Blick, auch er hatte die Anweisung gehört und auch das Bibor wirkte in jedem Fall nicht so, als würde es sie weiterhin bedrohen. Er zögerte einen Moment, dann betrat er das Zimmer, ignorierte dabei, so gut es ging, die direkte Nähe zu dem Käfer-Pokémon und sah anschließend zu dem Bett. Johnson war definitiv wach, sah allerdings auch weiterhin furchtbar aus. Medizin war definitiv etwas, wovon Ethan wenig Ahnung hatte, sodass er mit den diversen Geräten, an die Johnson offenbar angeschlossen war, wenig anfangen konnte. Er erkannte einen Tropf und irgendeine Art Schlauch zu Johnsons Nase, der vermutlich für Sauerstoff sorgte. "Captain Johnson", begrüßte Ethan ihn, ohne wirklich zu wissen, was er anschließend sagen sollte.
Ethan hatte es also auch gehört und er betrat auch anschließend direkt das Zimmer. Lou zögerte noch einen winzigen Moment, bevor sie ihm schließlich folgte. Ein wenig unangenehm war es ihr schon, sich so dicht an dem Bibor vorbei zu bewegen, aber das vergaß sie schnell, als sie schließlich den Captain sah. Johnson wirkte noch immer unglaublich angeschlagen und alles andere als fit auf sie, aber er war wach, was Lou definitiv erleichterte. Der erste wichtige Schritt war endlich getan. "Es ist schön Sie wiederzusehen", begrüßte Lou den Polizisten. Auch wenn sie annahm, dass man ihr ihre Erleichterung anhörte, verzichtete Lou dieses Mal bewusst auf ein Lächeln. Dafür war ihr die Situation dann doch zu ernst. "Darf ich fragen, wie es Ihnen geht?"
"Ist das eine ernstgemeinte Frage?", hakte Johnson nach und deutete ein Kopfschütteln an. "Und 'Captain' können wir uns vermutlich in absehbarer Zeit sparen." Ethan bemerkte, dass er keinerlei Ahnung hatte, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Es war ihm unangenehm und er fühlte sich mehr als fehl am Platz. Natürlich ging es Johnson alles andere als gut und offenbar wusste er auch bereits, was Rodriguez plante, aber Ethan wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Nicht einmal ansatzweise.
Dass die Stimmung unterkühlt sein würde, damit hatte Lou gerechnet. Dass es deratig frostig werden würde, überforderte sie durchaus ein wenig. Dennoch... Nach allem, was passiert war, wollte sie sich nicht einschüchtern lassen. Jedenfalls nicht einfach so. "Ja... Ja, die Frage war ernst gemeint", erwiderte Lou schließlich, auch wenn sie sich dafür ein wenig überwinden musste. "Wissen Sie... Wissen Sie, Ethan und ich waren mit da unten. Aber ich verstehe, dass das... ein schlechter Anfang war. Es tut mir leid."
"Ihr wart das", stellte er dann fest und schloss für einen kurzen Moment die Augen. "Danke." Ethan schüttelte den Kopf. "Alleine hätten wir rein gar nichts erreicht", erwiderte er dann. "Wir waren dabei, aber die eigentliche Arbeit hat jemand anders verrichtet." Da er nicht wusste, wie er das am verständlichsten erklären sollte, sah er kurz zu Lou. Mittlerweile bereute er es, nicht vor der Intensivstation gewartet zu haben.