"Oh, ich verbinde den Nebenjob und die Reise", antwortete er in einem Tonfall, der deutlich machte, dass Lou auch selbst darauf hätte kommen müssen. "Das ist ja der Vorteil daran. Ich verdiene gut - und ich komme rum." Er zwinkerte ihr zu. "Und dir dürfte es doch gefallen, dass ich mich mehr mit meinen Pokémon beschäftige." Sie kamen vor einem kleinen Restaurant an. "Da wären wir", deklarierte Alois und trat durch die Tür. "Ich habe extra einen Tisch reserviert."
"Das macht die Frage, was das für ein Job ist, nur noch interessanter", erwiderte Lou, ehe sie kurz stockte. Alois hatte von seinen Pokémon gesprochen. Plural. Das war neu. "Seit wann hast du mehrere Pokémon?" Es überraschte sie mehr, als es vermutlich sollte. Immerhin hatte Alois gesagt, dass er jetzt reiste und vielleicht hatte er auf dem Weg nach Montu oder sogar noch in Grital, sein Team ausgebaut.
Nachdem ein Kellner ihnen einen Tisch zugewiesen hatte, setzte sich Alois und wartete kurz, bis auch Lou Platz genommen hatte. "Ja, ich habe mittlerweile eine kleine Sammlung", beantwortete er Lous Frage. "Wenn du willst, zeige ich sie dir natürlich nach dem Essen noch." Er griff nach der Karte. "Du bleibst bei Fanta, nehme ich an?"
"Tatsächlich nein. Ich hätte gerne ein Wasser", entgegnete das Mädchen. Seitdem sie in Inito war, hatte sie sich auf Leitungswasser beschränkt, weil sie keine Lust gehabt hatte, die Getränke durch das Dorf zu tragen. "Aber jetzt erzähl doch mal von deinem Job. Du hast mich wirklich neugierig gemacht." Vor allem nachdem er nun gesagt hatte, dass er mehrere Pokémon hatte, für die er sorgen musste, aber irgendwie keine Orden sammelte und dieser ominöse Job warf zudem noch genug Geld dafür ab, dass er reisen und sich eine Ferienwohnung leisten konnte.
Alois quittierte die Aussage bezüglich des Wassers mit einem skeptischen Blick und winkte dann die Kellnerin herbei, um ein Wasser und eine Cola zu bestellen. Anschließend musterte er kurz die Karte. "Ich dachte, das wird eine Aussprache und kein Verhör", merkte er dann an und setzte anschließend ein mitfühlendes Lächeln auf. "Mein Beileid übrigens wegen der Sache mit deiner Mutter."
"Ist es ja auch nicht! Aber du kannst nicht erwarten, dass du sowas Wichtiges erzählst und dann mit Details geizt", erwiderte Lou und gab sich betont locker. Je länger Alois die Antwort herauszögerte, desto mehr kam es ihr merkwürdig vor. Vielleicht war sie durch alles, was bisher passiert war, auch einfach zu sensibel, aber das ließ sich mit einer Antwort von ihm herausfinden. Als Alois allerdings ihre Mutter erwähnte, erwischte er Lou tatsächlich für einen Moment auf dem falschen Fuß. "Danke, aber bisher gibt es nichts Konkretes", erwiderte sie ihm und hob ratlos die Schultern. "Ich gucke die Nachrichten und telefoniere gelegentlich mit Tim. Da es im Moment nichts gibt, kann es ein Verbrechen sein oder eine von Lyns Aktionen. Wir wissen es nicht."
"Gerne", erwiderte Alois und wurde dann kurz von der Kellnerin unterbrochen, die die Getränke brachte. "Ich habe mir Sorgen macht, dass es dich noch mehr mitnimmt - nach der Sache mit deiner Oma." Er machte eine kurze Pause. "Und nachdem ich so ein Idiot gewesen bin - ich hätte da sein müssen. Oder dich zumindest anrufen müssen."
"Ich... mache mir schon Sorgen, aber es ist zu... unspezifisch. Bevor sie nicht wieder auftaucht, kann man gar nichts sagen und bisher hab ich es ganz gut hinbekommen, mich nicht verrückt zu machen", erklärte Lou ihrem Gegenüber. Nach seiner letzten Aussage musste Lou schwer seufzen. "Warst du aber nicht... Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, Alois... Und im Grunde lief es vorher schon nicht wirklich gut zwischen uns. Es wäre früher oder später sowieso passiert, dass wir uns trennen", meinte sie schließlich und war sich bewusst, dass das keine Antwort war, die ihm gefallen dürfte.
Alois sah sie irritiert an. "Was meinst du damit? Ja, wir hatten hin und wieder kleineren Streit, aber doch nie was Ernstes - also bis zum Schluss", widersprach er ihr dann. "Und ansonsten lief es doch immer gut. Wir haben uns gut verstanden und hatten... auch anderweitig unseren Spaß."
Lou stockte kurz. Hatte Alois diese letzte Bemerkung wirklich gebracht? Sie konnte es kaum fassen. "Wir hatten vielleicht keine... großen Streits, aber unsere Vorstellungen gingen oft genug auseinander", antwortete sie ihm schließlich. "Es musste irgendwann knallen und es wäre wieder passiert. Wahrscheinlich sogar oft. Und es würde jetzt wieder passieren, denn ich bin besser darin geworden, zu sagen, was ich möchte. Das habe ich vorher nicht getan und oft Dinge einfach hingenommen. Das war... falsch von mir und das tut mir leid. Aber es ändert nichts daran, dass es nicht funktionieren kann." Lou atmete kurz durch. Sie hatte es gesagt, hatte es wiederholt, so wie sie es vorhin mit Ethan besprochen hatte. Das Mädchen war tatsächlich stolz auf sich.
"Wovon redest du?", hakte Alois nach. "Wir konnten uns doch immer einigen, wenn wir anderer Meinung waren." Er seufzte. "Unsere Beziehung war etwas Besonderes, aber das ist mir zu spät klar geworden - erst, als du schon weg warst. Es ist ja meistens so, dass man erst dann merkt, wie wichtig etwas war, wenn man es nicht mehr hat." Alois schüttelte den Kopf. "Ich bereue es wirklich, dich nicht wenigstens im Nachhinein angerufen zu haben."
"Und das weiß ich auch zu schätzen", erwiderte Lou. "Aber das ändert nichts daran, dass ich erkannt habe, dass ich mich habe bevormunden lassen. Ich war naiv und das ist mir klar geworden. Ich weiß, du hattest keine bösen Absichten, aber vorhin hat sich erst wieder so ein altes Muster gezeigt. Nämlich als du beschlossen hast, dass ich zu dir ziehe und ich weiß, dass ich das vor ein paar Wochen auch getan hätte. Aber ich kann so nicht mehr und ich will so nicht mehr... Meine Gefühle haben sich geändert..."
Alois schwieg einen Moment lang. "Willst du mir gerade sagen, dass es nicht daran liegt, dass ich mich nicht gemeldet habe, sondern dass du spontan beschlossen hast, dass ich dir nicht mehr passe?", hakte er dann nach. "Wir waren mehr als ein Jahr zusammen und jetzt fällt dir ein paar Wochen später auf, dass du mich nicht leiden kannst?" Er schnaubte. "Was hast du dann das Jahr über gemacht? Das Übel ertragen?"
Lou sah Alois einen Moment lang an. Da war der Ausbruch, den sie eigentlich die ganze Zeit gefürchtet hatte. "Ich habe dich geliebt", stellte sie dann klar. "Aber ich habe gemerkt, dass wir nicht so gut zusammen passen, wie ich geglaubt habe... Das hab ich gemerkt, als ich Zeit zum Nachdenken hatte. Warum bist du nicht gekommen, Alois? Ich... ich glaube inzwischen, es war, weil ich etwas durchgezogen habe, was dir so gar nicht gefallen hat." Lou atmete tief durch, um nicht doch zu weinen. Sie spürte ihre Augen durchaus brennen. "Und welche Reaktion von mir hast du denn gefürchtet? Dass ich ein Häufchen Elend bin, dass sich einsam und verlassen gefühlt hat...? Denn das bin ich gewesen. Bis ich angefangen habe, nachzudenken. Hattest du damals Angst, dass ich nein sagen würde...? Warum... warum glaubst du dann, dass es jetzt anders ist?"
"Ja, ich war wütend und es tut mir leid, aber das scheint ja nichts zu ändern", entgegnete Alois. "Ich habe dich im Pokémon-Center gesehen, ich hätte auch einfach wieder gehen können, aber das habe ich nicht! Ich wollte mit dir reden Lou, ich wollte es erklären, ich will, dass wir es nochmal versuchen!" Er seufzte schwer und griff nach ihrer Hand. "Du hast gesagt, dass du mich geliebt hast, also gib mir diese Chance, Lou."