"Ich kann mir das auch nur schwer vorstellen", musste Holly zugeben. "Allerdings werden wir wohl kaum drum rum kommen, ihr von dem Gespräch hier zu erzählen. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass sie vielleicht eine bessere Idee hat, was wir tun können. Sie scheint ja ganz offensichtlich einen ziemlich guten Überblick zu haben." "Nun... Zumindest hat es sich wohl erledigt, dass wir uns morgen zum Dienst melden...", fügte Lou ein wenig ratlos hinzu. "Aber es stimmt schon... Wenn Johnson nichts für uns zu tun hat, dann müssen wir uns selbst kümmern. Die einzige Alternative ist ansonsten, dass wir nach Inito zurückgehen und ich finde nicht, dass das wirklich eine Alternative ist."
Jakob schaute die anderen an. "Nach Inito möchte ich ganz bestimmt noch nicht zurückkehren. Und auch ich bezweifle irgendwie, dass Kate für uns den Babysitter spielt." Und außer dem Tunnel hatten sie auch keine großen Anhaltspunkte. Einen gäbe es tatsächlich noch, aber bisher wussten nur Ethan und er selbst davon. Jakob fragte sich, ob es langsam an der Zeit war, seine Karten offen auf den Tisch zu legen. Er war sich aber ganz und gar nicht sicher, wie die anderen beiden darauf reagieren würden. Immerhin war der Ort unbewacht, sodass sich Jakob zumindest einigermaßen sicher fühlte. Er blickte zu Ethan. "Viele Möglichkeiten haben wir ja nicht, an die Organisation heranzukommen. Wenn der Tunnel nichts bringt, was machen wir dann?"
Ethan bemerkte den Blick, den ihm der Idiot zuwarf. Er selbst hielt es für keine gute Idee, den anderen von der Sache mit der Nummer zu erzählen. Je weniger Leute davon wussten, desto sicherer war es - außerdem würde Ethan morgen ohnehin mit seinem Vater telefonieren und vielleicht hatte dieser dann mehr Informationen zu der Nummer. "Wir sollten Kate zumindest über das Gespräch informieren", sagte er dann, ohne wirklich Lust darauf zu haben. "Und dann sehen wir weiter. Ich bezweifle, dass es einen anderen Weg gibt, um überhaupt irgendetwas tun zu können."
"Es ist zumindest nicht die schlechteste Methode", gab Lou zu bedenken. Natürlich war es nicht optimal, aber es war noch immer besser, als vollkommen ohne irgendwelche Ansatzpunkte dazustehen. "Hoffen wir einfach, dass wir in absehbarer Zukunft selber irgendwelche Möglichkeiten haben, denn sonst sehen wir irgendwann alt aus", meinte Holly, konnte aber ein weiteres Seufzen nicht unterdrücken. Sie würde sich überlegen müssen, was sie ihrer Familie erzählte, denn so wie die Dinge standen, hätte sie einige Probleme damit, sie plausibel zu erklären.
Jakob nickte Ethan kurz zu. Er hatte den Wink anscheinend verstanden und im Moment war die Zeit noch nicht gekommen. Umso wichtiger war es, dass er sich zeitnahe mit dem reichen Jungen zusammensetzte und einen neuen Anruf plante. Dass sie Kate informieren wollten, fand Jakob sogar ganz gut. Vielleicht nahm sie Ethan dieses mal auch mit. Außerdem nur weil sie nicht mitkam, hieß das nicht, dass sie nicht doch vielleicht eine neue Trainingseinheit bekommen konnten. "Es ist nur sinnvoll, Kate zu kontaktieren. Sie hat ja auch andere Wege, uns zu unterstützen, als direkt mitzukommen. Vielleicht fällt ihr ja was ein." Dann nickte er zu den beiden Frauen. "Ich bin mir aber sicher, wir finden etwas, womit wir uns in Zukunft als nützlich erweisen können."
Ethan warf einen kurzen Blick auf die Uhr und versuchte, grob abzuschätzen, wie lange sie zu dem Treffpunkt brauchen würden, den sie mit Annie und Sean ausgemacht hatten. "Allzu viel Zeit haben wir zwar nicht mehr, aber es sollte reichen, um sie kurz anzurufen", merkte er dann mit einem Schulterzucken an. "Und anschließend sehen wir weiter, wenn wir wissen, was sie eigentlich dazu sagt." Er sah kurz in die Runde. "Oder hat jemand eine bessere Idee?"
Holly schüttelte den Kopf. Auch in ihren Augen war es die sinnvollste Lösung. Es war auch nicht die schlechteste aller Lösungen, auch wenn es ihr persönlich nicht gefiel, von so vielen Faktoren abhängig zu sein. "Nein. Ich denke auch, dass das die beste Variante ist", erwiderte Lou Ethan gegenüber. Sie hoffte nur, dass Kate wirklich eine Lösung hatte, denn wirklich rumsitzen und abwarten wollte Lou jedenfalls nicht. Es blieb nur zu hoffen, dass Kate das ähnlich sah.
Jakob seufzte einmal hörbar. Ethan hatte Kates Nummer. Das bedeutete, dass Kate ihm die Nummer gegeben hatte. Außerdem würde er sie warscheinlich wirklich nicht mehr sehen und das frustrierte Jakob irgendwie. Und eine bessere Idee hatte Jakob wirklich nicht, wenn sie sich noch mit Annie und Sean treffen wollten. Er hoffte nur, dass es Kate mit den neuen Informationen für sinnvoll erachten würde, sie noch einmal zu trainieren. Das konnte sie unmöglich über das Telefon tun. "Ja", sagte Jakob schließlich. "Ja, es ist die beste Variante, sie anzurufen."
Ethan warf dem Idioten einen skeptischen Blick zu, als dieser aus irgendeinem Grund seufzte, aber was auch immer das Problem war, Ethan bezweifelte, dass es in irgendeiner Form wichtig war, sodass er erneut nach seinem AC-Phone griff und Kates Nummer anwählte. Es dauerte eine Weile, dann wurde der Anruf entegegen genommen. "Ethan", stellte Kate fest und fügte mit hörbarer Ironie hinzu: "Welchen Umständen verdanke ich diesen zeitnahen Anruf?" Ethan unterdrückte das Bedürfnis, genervt zu seufzen. "Wir haben die Informationen weitergegeben", sagte er stattdessen. "Captain Johnson hat sie entgegen genommen." "Willst du jetzt ein Lob für eure großartige Arbeit?" Letztendlich seufzte er doch genervt. "Johnson sagt, es wäre eine gute Idee, den Tunnel im Auge zu behalten, weil dort immer wieder irgendwelche suspekten Leute auftauchen", erklärte er dann. "Ich halte es für eine schlechte Idee, diese suspekten Leute sind vermutlich dazu in der Lage, euch problemlos auszuschalten", kommentierte Kate. "Davon geht Johnson auch aus", bestätigte Ethan. "Und was soll ich jetzt tun?", fragte Kate hörbar unzufrieden. "Mich selbst vor den Tunnel setzen?" Sie atmete hörbar aus. "Wann wollt ihr hin?" "Warum? Willst du vorbeischauen?", hakte Ethan nach, um sie zu provozieren. Sie würde nicht vorbeischauen. "Nein, aber vielleicht schicke ich euch eines meiner Pokémon dorthin", antwortete sie. "Vorausgesetzt, deine liebenswerte Art hält mich nicht doch noch davon ab." Ethan war bewusst, dass das vermutlich alles war, worauf sie hoffen konnten. Und es war definitiv keine schlechte Aussicht, eines von Kates Pokémon dabei zu haben, immerhin bot es Schutz und würde im Gegensatz zu der Trainerin keine anstrengenden Kommentare machen. "Wann musst du Bescheid wissen?", fragte er dementsprechend betont höflich. "Eine halbe Stunde voher", antwortete Kate. "Das sollte reichen." "In Ordnung." "Danke. Gerne Geschehen", erwiderte sie voller Ironie. "Das solltest du lernen, es kann hilfreich sein." Ohne eine weitere Antwort legte Ethan auf.
"Und? Was sagt sie?", wollte Holly direkt wissen, nachdem Ethan aufgelegt hatte. Sehr ergiebig war seine Hälfte des Gespräches nämlich nicht gewesen, aber Holly war klar, dass das nichts zu bedeuten hatte. "Apropos Tunnel...", meinte Lou auf einmal, statt auf das Gespräch einzugehen. "Weiß irgendwer von uns, wo der hier in Litora rauskommt?" Das Mädchen bezweifelte das irgendwie, denn ihres Wissens nach hatte niemand nachgefragt, denn sonst hätte dieser jemand diese Information mit dem Rest der Gruppe geteilt.
Jakob schüttelte nur den Kopf. Ethan hatte jetzt schon Kates Nummer und er hatte so unfreundlich am Telefon geklungen, regelrecht genervt. "Mich würde auch gerne interessieren, was sie gesagt hat. Aber du könntest ruhig mal ein wenig freundlicher zu ihr sein. Ich habe zwar nur die Hälfte mitbekommen, aber meinst du nicht auch, das es besser wäre? Immerhin wollen wir ja dauerhaft mit ihr zusammen arbeiten." Jakob schüttelte den Kopf. Er verstand nicht, was zwischen den beiden los war, dass Ethan so genervt werden ließ.
Ethan warf dem Idioten einen vernichtenden Blick zu. Selbstverständlich hatte er keine Ahnung, was das Problem war und Ethan konnte es ihm aus offensichtlichen Gründen auch nicht erklären. Gut, vermutlich hätte er das auch dann nicht getan, wenn es kein Problem gewesen wäre, aber das spielte auch keine Rolle. "Ich für meinen Teil würde eher behaupten, dass ich mit ihr zusammenarbeiten muss und nicht, dass ich es will", kommentierte Ethan steif und sah anschließend zu der Farmerin, die zumindest eine halbwegs intelligente Frage gestellt hatte. "Sie schickt uns eines ihrer Pokémon vorbei, wenn wir uns den Tunnel ansehen wollen. Und was dessen Standort angeht... Ich schätze, wir haben die Auswahl zwischen Johnson, Cordes und Kate, um diese Information zu erhalten."
Ethan hatte offensichtlich irgendein Problem mit Kate, das war selbst für Holly zu erkennen. Allerdings war ihr das herzlich egal, solange sie vernünftig mit dem Champ arbeiten konnten. Es spielte in der Hinsicht überhaupt keine Rolle, ob Ethan sie mochte oder umgekehrt oder ob überhaupt irgendwer sie mochte. Darum ging es bei der ganzen Sache schlicht und ergreifend nicht. "Eines ihrer Pokemon dabeizuhaben, ist tatsächlich eine äußerst nette Aussicht", musste die junge Farmerin zugeben. Sie erinnerte sich daran, wie Atue ihnen im Hafen von Inito den Rücken freigehalten hatte und allein das reichte, um sie zu überzeugen. "Ich glaube, dass es vielleicht am sinnvollsten ist, Johnson nochmal wegen des Tunnels zu bemühen. Ich bezweifle nämlich, dass Cordes auf den neuesten Stand gebracht werden möchte, da wir ihr eigentlich nicht irgendwas Nennenswertes berichten könnten, was sie noch nicht weiß. Und Kate... Es wäre irgendwie albern, direkt nochmal deswegen anzurufen. Johnson könnte sich allerdings dafür interessieren, was sie gesagt hat und was wir jetzt tun werden", erläuterte Lou ihren Gedankengang den anderen gegenüber. Was sie unerwähnt ließ, war, dass sie es für keine gute Idee hielt, wenn sich Ethan gleich nochmal mit dem Champ auseinandersetzte.
Jakob ignorierte den Blick, den Ethan ihm zuwarf. Er war der Meinung, dass man gerade zu denen nett sein sollte, mit denen man gezwungen war, zusammenzuarbeiten. Allerdings hielt er es nicht für klug, Ethan das so offen zu sagen, da er ja auch gezwungen war, mit Ethan zusammenzuarbeiten. "Es ist immerhin gut zu wissen, dass sie uns indirekt mit einem ihrer Pokémon unterstützt." Dann schüttelte Jakob kurz den Kopf. "Cordes könnte tatsächlich noch schlechter gelaunt sein wegen der Pressekonferenz. Außerdem dürfte Johnson besser wissen, wo genau der Tunnel in Litora ist. Wir sollten schauen, ob er morgen nochmal Dienst hat und ihn dann befragen. Was Kate angeht... also da wir sie sowieso kontaktieren müssen, wenn wir eines ihrer Pokémon bekommen könnten wir auch sie fragen. Das würde ich aber erst machen, wenn wir auch wirklich zum Tunnel wollen. Und ich glaube kaum, dass wir das huete nacht noch tun wollen, oder?"
"Vor morgen rufe ich sowieso niemanden mehr an", bemwerkte Ethan und steckte dabei das AC-Phone weg. "In einer unüberlegten Nacht- und Nebelaktion heute noch zu dem Tunnel zu gehen, scheidet ohnehin aus. Wir haben also Zeit, um uns zu überlegen, wen wir anrufen wollen." Und wenn es nach ihm ging, würde es sich dabei definitiv nicht um Kate handeln, so viel stand fest. Tatsächlich spielte er sogar mit dem Gedanken, den anderen zu sagen, dass er keine Lust auf das Treffen mit Annie und Sean hatte, aber das würde erst recht zu Nachfragen und Diskussionen führen, auf die er verzichten konnte.