Jakob trat in das Hotelzimmer und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war der Meinung, dass Holly, Lou und er weniger wussten als Ethan, allerdings war der Informationsaustausch auch für Holly wichtig. "Ja, dasselbe habe ich auch mitbekommen. Lief ja auch groß im Fernsehen." Er schüttelte kurz den Kopf. Er fragte sich brennend, was Ethan alles herausbekommen hatte.
Ethan sah sich kurz in dem Zimmer um, das definitiv nicht genug Sitzgelegenheiten bot, sodass er kurzerhand stehen blieb und auch den anderen keinen Sitzplatz anbot. "Sonderlich viel habe ich auch nicht rausbekommen", antwortete Ethan und hob die Schultern. "Nach den Neuigkeiten dachte ich mir, dass Kate als Champion unter Umständen irgendetwas erreichen kann, also bin ich zu ihr gegangen." Er schüttelte kurz den Kopf. "Sie will versuchen, etwas zu tun, aber sie bezweifelt, dass es wirklich etwas bewirken würde." Einen Moment lang fragte sich Ethan, wie gut es wirklich funktionieren würde, Kates Nachnamen vor den anderen zu verheimlichen, aber er würde es aus naheliegenden Gründen weiterhin versuchen. "Allerdings hat sie überlegt, die Polizei im Falle des Falles irgendwie als Informationsnetzwerk aufrecht zu erhalten. Ich nehme an, Kate hat genug Geld dafür." Er hob die Schultern. "Außerdem werde ich morgen versuchen, meinen Vater zu erreichen. Vielleicht kann er irgendwie Einfluss auf Arkwright nehmen. Gemeinsam mit anderen Großaktionären."
"Die Polizei als Informationsnetzwerk aufrechterhalten?", hakte Holly skeptisch nach. "Das ist aber eine wirkliche Mamutel-Aufgabe." "Meinst du denn, dass dein Vater und die anderen Aktionäre Arkwright umstimmen können? Oder wäre das nur ein Aufschub?", wollte Lou wissen. "Weil dann ist nämlich die Frage, ob Kate direkt damit anfangen will, ihr Netzwerk aufzubauen und was wir dann tun. Ich meine... Welchen Sinn hat es ansonsten noch, als Freiwillige zu arbeiten?" "Guter Gedanke", räumte Holly ihr ein. "Für mich ist das alles auch wichtig, weil für meine Familie auch unglaublich viel dran hängt." "Verständlich... Aber ich denke, dass deine Familie in jedem Fall dabei bleiben sollte, ihre Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen." "Das sowieso. Aber das ist auch keine Lösung. Jedenfalls nicht auf Dauer", meinte Holly und sah dann zu den beiden anderen, um zu hören, was sie zu der Situation dachten.
Jakob dachte für einen Moment nach. Die Idee, ein Informationsnetzwerk zu schaffen, klang in seinen Ohren gar nicht mal so schlecht. "Na, ich bin ja mal gespannt, was Kate bewirken kann. Als Champ hat man offensichtlich auch gute Beziehungen." Er blickte kurz zu Ethan. Es war ja offensichtlich, dass die beiden sich von irgendwoher kannten. Es war denkbar, dass sie auch die Tochter einer wichtigen Person war und darüber Einfluss nehmen konnte. "Allerdings spricht ja auch nichts dagegen, das Netzwerk aufzubauen. Wenn die fähigen Leute der Polizei oder sonstige Leute, die Kate dafür kontaktiert, schon vorher zusammenarbeiten, können wir auch definitiv effektiv arbeiten. Wie sicher es ist, dass die Polizei aufgelöst wird, müssen wir dann sehen." Er blickte kurz zu den beiden Frauen. Er wusste, dass er gewissermaßen gezwungen war, mit Ethan zusammen zu arbeiten, aber die beiden anderen kämpften ja freiwillig gegen die Organisation. Jakob war sich also nicht sicher, inwiefern sie bei dem ganzen am Ende mitmachen würden.
Ethan wusste, dass er sich auf dünnes Eis begab - mit dem gesamten Gespräch. Aber es ließ sich nicht vermeiden und das musste auch Kate klar gewesen sein. "Ich bezweifle, dass mein Vater und die anderen das ernsthaft verhindern können", antwortete er dann. Streng genommen hatte Kate das bestätigt, aber das konnte er nicht anmerken. "Wenn sich Akrwiright das in den Kopf gesetzt hat, werden sie höchstens für einen Aufschub sorgen können." Mit einem kurzen Kopfschütteln fügte er hinzu: "Ich habe Kate an Cordes verwiesen. Wenn es schon zu einer Art Untergrund-Polizei kommt, braucht Kate vermutlich alle, die irgendwie kompetent sind."
"Und was genau will Arkwright tun, wenn er die Polizei abschafft?", wollte Holly daraufhin wissen. "Wie stellt er sich das vor?" "Ich tippe drauf, dass er sie nicht abschaffen, sondern eher ersetzen will", erklärte Lou. "So wie er auf der Pressekonferenz geklungen hat, klang es danach, als ob er sich für einen Sicherheitsdienst entscheiden würde oder sowas." "Und die sind besser als die Polizei?", fragte Holly skeptisch nach. "Vermutlich ist es nicht schwer, besser als die Polizei zu sein. Allerdings bin ich froh, zu wissen, dass Cordes dabei sein wird. Hoffentlich jedenfalls. Mag sie sein, wie sie ist, aber sie macht wenigstens was. Hoffen wir, dass Kate sie überzeugen kann", meinte die jüngere der beiden. "Bleibt aber trotzdem die Frage, was wir tun wollen. Sollen wir einfach weitermachen wie bisher?", fragte die junge Farmerin. Wirklich überzeugt war sie von dieser Lösung jedenfalls nicht.
Für Jakob klang es definitiv so, als hätte Kate kaum mehr Einfluss auf Arkwright als Ethan. Kein Wunder, dass sich die beiden zusammenschließen mussten. "Ich fürchte, wenn es auf private Sicherheitsdienste hinausläuft, dann ist jeder für seine eigene Sicherheit selbst verantwortlich. Ich glaube kaum, dass die AC mehr schützt, als die eigenen Besitztümer." Er schüttelte kurz den Kopf. "Also nur noch eine Frage der Zeit, ja? Naja, ich hoffe mal, dass wir das irgendwie hinkriegen." Dann schaute er Ethan ein wenig herausfordernd an. "Aber ja, ich würde auch gerne wissen, wie wir jetzt weiter machen."
"Ein private Sicherheitsfirma wird vermutlich allen zur Verfügung stehen", merkte Ethan mit einem Anflug von Missbilligung an. "Zumindest dann, wenn man das nötige Kleingeld aufbringen kann. Das bedeutet Profit für die Firma und natürlich für die AC." Er seufzte und ignorierte dabei geflissentlich den Blick, den ihm der Idiot zuwarf. Ethan selbst hatte auch keinen echten Plan, auch wenn der Idiot das zu glauben schien. Woher sollte er einen solchen Plan auch nehmen? "Ich für meinen Teil werde so weitermachen wie bisher", antwortete er dann mit einem kurzen Kopfschütteln. "Und wenn es dann doch zu der Auflösung der Polizei kommt, sehe ich weiter."
"Das heißt, dass die AC im Endeffekt Schutzgeld erpressen will? Großartig", meinte Holly alles andere als begeistert. "Ich denke nicht, dass man das so nennen kann, aber du hast recht, dass das nicht okay ist", erwiderte Lou und wirkte auch eher nachdenklich. "Es ist völlig egal, wie man es im Endeffekt nennt. Das Problem ist, dass die AC auch einfach der Polizei genug Mittel geben könnte. Im Grunde hätten sie sie nicht einmal soweit verkommen lassen dürfen", gab die junge Farmerin missmutig zurück. "Auch das stimmt, aber es ist trotzdem wichtig, dass wir weitermachen... Irgendwie jedenfalls. Diese Organisation ist immer noch da draußen. Auch ohne Polizei", gab Lou zu bedenken. "Du hast recht... Ich werde ja auch nicht einfach nach Hause gehen. So lange ich meiner Familie helfen kann, werde ich das tun. Und das geht am besten, wenn ich ihnen Dinge sagen kann, die ihnen beim Schutz der Farm helfen", meinte Holly. "Gut. Dann bleiben wir also alle erstmal?", hakte Lou vorsichtig nach. "Denke mal. Allerdings ist da immer noch das Problem, dass du noch keine achtzehn bist", gab die junge Farmerin zu bedenken. "Danke für die Erinnerung. Was soll ich machen? Zu Johnson gehen und ihm sagen: 'Hey ich bin erst siebzehn, aber ich will sooooo gerne helfen. Das ist doch in Ordnung, oder?'" Lou rollte kurz mit den Augen. "Ich glaube kaum, dass das funktionieren wird."
Jakob nickte den anderen zu. "Dann ist es ja geklärt. Wir machen weiter wie bisher." Er blickte kurz zu Ethan. Er würde mit ihm definitiv noch absprechen müssen, ob er irgendwelche Informationen aus diesem Gespräch der Organisation weiterleiten durfte. Diese Typen waren bestimmt an Ethans Einschätzung zu der Lage interessiert. Dann glitt sein Blick aber zu Lou. "Naja, bisher ist es gut gegangen. Ich meine, wann wirst du achtzehn? Es klingt jetzt irgendwie doof, aber wenn die Polizei vorher aufgelöst wird, macht das dann auch keinen Unterschied mehr." Aber sie hatte recht, es konnte ihr wirklich Ärger bereiten. Jakob wünschte ihr das nicht und er wollte es ihr auch so nicht sagen.
Ethan beschränkte sich für den Moment darauf, der Unterhaltung der anderen zuzuhören. Je weniger er sagte, desto geringer war das Risiko, Kate versehentlich zu verraten - und auf dieses Szenario konnte er nur zu gut verzichten. Er warf einen prüfenden Blick zu dem Umschlag. Die Frage war, ob darin irgendetwas war, das die anderen besser nicht erfahren sollten, aber er traute Kate zu, soweit mitzudenken und jeglichen Hinweis auf ihre Identität aus derartigen Informationen heraus zu halten. "Johnson wirkt kompetent, vermutlich findet er das sowieso heraus", wandte Ethan ein. "Vielleicht wäre es doch nicht die schlechteste Idee, es ihm direkt zu sagen." Er hob kurz den Umschlag, den er noch in der Hand hielt. "Kate hat mir bei der Gelegenheit zusätzliche Informationen gegeben."
"Ich werde im September achtzehn", antwortete Lou mit einem Seufzen. "Das dauert also noch", stellte Holly überflüssigerweise fest. "Ich denke, dass Ethan recht hat. Spiel mit offenen Karten. Ich meine, er hat uns indirekt die Aufgabe gegeben, nach der Eneco-Frau zu suchen. Vielleicht sieht er darüber hinweg. Und wenn nicht, kann er auch nichts daran ändern, wenn du mit uns rumhängst." "Stimmt auch wieder...", musste Lou zugeben. "Und es ist ja auch wichtig, dass er der Polizei hier erhalten bleibt. Immerhin ist er Captain." Lou seufzte abermals, ihr gefiel das Ganze zwar nicht, aber vermutlich ließ es sich nicht vermeiden. "Hast du in die Infos schon reingeguckt?", wandte sich Holly anschließend an Ethan. "Oder haben wir jetzt Premiere?"
Jakob nickte Lou kurz zu. Ethans Antwort war immerhin recht direkt gewesen und in der Situation war es warscheinlich wirklich nicht so gut, über sein Alter zu flunkern. "Wenn du bescheid sagst, dann sparst du dir echt den Ärger. Und wer weiß. Vielleicht kann Johnson ja auch was drehen und dir einen Ausweis geben." Dann erblickte er den mysteriösen Umschlag, den Ethan hervorzauberte. Informationen von Kate. Er war sich sicher, dass er das der Organisation niemals melden würde. Es war besser, wenn sie nicht wussten, dass Kate gegen sie arbeitet. Er musste bei dem Gedanken, dass Kate auf ihrer Seite war und Ethan Informationen zuschob, grinsen. Offensichtlich hatte Kate geplant, ihm diese zu geben, denn er war nicht lange genug bei Kate gewesen, damit sie spontan für ihn etwas hätte zusammenstellten können.
"Nein, ich habe noch nicht nachgesehen", antwortete Ethan. "Ich bin nach dem Gespräch direkt hierher aufgebrochen." Dass er den Umschlag eigentlich schon vorher gehabt hatte, musste schließlich niemand wissen, denn er hatte wenig Lust, das seltsame Gespräch zu erörtern, das er in der Grünanlage des Hotels geführt hatte. "Aber das lässt sich ändern." Er öffnete den tatsächlich zugeklebten Umschlag und holte das Papier heraus - es waren lediglich drei Seiten, aber das musste schließlich noch nichts sagen, wenn das, was darauf stand, wichtig war. Bei der ersten Seite handelte es sich um eine detaillierte Auflistung bisheriger Sichtungen der ominösen, schwarz gekleideten Organisationsmitglieder. Diese Sichtungen waren mit Ort, Datum und Uhrzeit versehen und ließen sich eindeutig ganz Aventu zuordnen. Die zweite Seite zeigte eine Auflistung von Dokumenten, die bei der Durchsuchung des Tunnels zwischen Litora und Inito gefunden worden waren. Das Erschreckende hierbei war definitiv die Tatsache, das eine Reihe besagter Dokumente definitiv als polizeilich vertraulich eingeordnet war. Eine handschriftliche Randbemerkung Kates wies auf mögliche Informanten innerhalb der Polizei hin. Ethan empfand diese Informationen zwar als interessant, sah allerdings keinen Weg, um wirklich etwas damit anfangen zu können, aber Seite drei änderte diese Einschätzung. Es handelte sich um Protokolle verschiedener Überwachungs- und Verkehrskameras, die eindeutig belegten, dass die Karpador, die in der Nähe von Litora City gestohlen worden waren, mit einigen LKW in Richtung Montu transportiert worden waren. Oder noch transporiert wurden, denn die Aufzeichnungen der letzten Kameras stammten von gestern. Da er wenig Lust hatte, alles für die anderen zusammenzufassen, reichte Ethan die drei Seiten kurzerhand an Holly weiter, die rechts von ihm stand.
Holly nahm die Zettel, die Ethan ihr reichte und sah sie sich an. Zunächst konnte auch sie wenig damit anfangen. Eine Liste von Sichtungen war in den richtigen Händen mit Sicherheit praktisch und die Dokumente aus dem Tunnel waren beeindruckend. "Ich finde es bemerkenswert und gruselig, dass Kate an sowas rankommt", meinte Holly als sie sich die Papiere weiter besah. "Da fragt man sich, wer sie eigentlich ist. Wieso sollte sich der Champion um sowas kümmern? Und wie kommt sie an sowas ran? Das ist einfach nur krass." Schließlich besah sich die junge Farmerin auch den letzten Zettel. Dieser war mit Abstand der nützlichste. "Ich gehe davon aus, dass sie uns damit dezent nach Montu schicken will?", stellte Holly eine doch eher rhetorische Frage und reichte die Papiere an Jakob weiter, welcher neben ihr stand.