„Sehr wohl“, erwiderte der Mann, nahm das Geld an sich und griff nach seinem Telefon. „Guten Tag. Hier ist die Rezeption.“ Er schien kurz zuzuhören. „Hier ist jemand, der Sie sprechen möchte. Nein, nein… Ja, ja ich weiß und die Vertraulichkeit ist in jedem Fall sichergestellt!“ Er machte eine weitere Pause und wirkte ein wenig hilflos. „Er wusste es bereits, es handelt sich um Benjamin Courtenay.“ Dieses Mal dauerte die Pause nicht so lange und wurde von einem nahezu erleichterten Ausatmen des Mannes beendet. „In Ordnung. Auf Wiederhören.“ „Und was sagt Ihr Gast?“, hakte Ethan nach. Der Mann räusperte sich. „Suite zwei, oberstes Stockwerk“, sagte er dann.
"Ethans Kampf war echt irre", musste Lou zustimmen. "Und das sag ich, die eigentlich nicht so viel vom Kämpfen hält." Das Mädchen lachte tatsächlich kurz. "Aber bevor wir Profis werden, egal in welchem Bereich, wird noch einiges an Zeit vergehen. Ziele sind eine Sache, aber die Umsetzung eine ganz andere", gab sie zu bedenken. Vor allem musste man berücksichtigen, dass auch scheitern definitiv eine Möglichkeit war.
Jakob wurde ein wenig nachdenklich. Er wusste nicht, wieviel Zeit wirklich vergehen würde, bis sie etwas erreichen konnten. Allerdings hatte er kaum eine andere Wahl, da er sich in einer heiklen Situation befand. Die einzige andere Möglichkeit war, gute Mine zum bösen Spiel zu machen und Jakob hatte tatsächlich vor, die Organisation zumindest um etwas Geld zu erleichtern. "Ja, hast natürlich auch recht, aber ich sag ja nur. Das sind auch alles keine Probleme, die sich in einer kurzen Zeit lösen lassen. Also kann es ja auch durchaus sein, dass wenn wir Profis sind, wir noch beim Lösen helfen können."
„Ich danke Ihnen“, erwiderte Ethan mit einem Hauch von Ironie und wandte sich ab, um gefolgt von Nofretete zu dem Aufzug zu treten. Dieser brachte ihn geräuschlos und schnell in das oberste, in diesem Fall zweiundzwanzigste Stockwerk des Hotels. Er fand sich in einem Gang mit getäfelten Wänden und einem definitiv teuren Läufer wieder. Von dem gesamten Gang zweigten lediglich zwei Türen ab, sodass Ethan zu der Tür mit der goldenen Zwei trat und klopfte. Kurze Zeit später wurde die Tür von Kate geöffnet. „Willst du dich für die Informationen bedanken oder hattest du nach so kurzer Zeit schon Sehnsucht nach mir?“, fragte Kate voller Ironie, ließ ihn allerdings zumindest eintreten.
"Die Organisation scheint auf jeden Fall längerfristige Pläne zu haben", stimmte Lou Jakob zu. "Also hast du schon recht, dass wir noch einige Fortschritte machen können, abhängig davon wie sich die Dinge entwickeln. Es ist halt nicht auszuschließen, dass nicht doch das eine oder andere passiert, was uns einen Strich durch die Rechnung macht und leider ist einiges davon gar nicht so unwahrscheinlich." Und das war eine Tatsache, die Lou persönlich ebenfalls ziemlich bescheiden fand.
Jakob nickte Lou zu. Die Organisation war sehr geplant und war auch sicherlich nicht erst seit gestern in Aventu aktiv gewesen. Er merkte, dass Lou das ganze Thema zwar nicht gut fand, aber sie wirkte eher, als wollte sie sich auch mal ein wenig aufregen. "Ja, der Tunnel und alles spricht Bände darüber, dass die nicht von der spontanen Truppe sind. Nur sehr bedenklich, wie offen sie mittlerweile agieren. Ich meine, selbst wenn die größte Bedrohung weg ist, kann es unter umstände Jahre dauern, bis man alle Verstecke ausgeräuchert hat." Jakob schüttelte kurz den Kopf. Eigentlich klang das mittlerweile deprimierend und nicht mehr aufbauend. Er seufzte kurz und lächelte dann Lou an. "Ein bisschen heftig das Thema, oder?"
Allein der Flur der Suite war durchaus beeindruckend, selbst für Ethan und er bezweifelte, dass er eine solche Suite genommen hätte, wenn er sich für dieses Hotel entschiede hätte. Vermutlich wäre sie selbst ihm zu teuer gewesen. Zumindest auf Dauer. „Weder noch“, erwiderte Ethan düster. Amüsiert winkte Kate ab und ging voraus in eines der der Zimmer der Suite, bei dem es sich um eine Art Salon handelte. Nofretete stolzierte neben Ethan her und bedachte das Nachtara, das neben dem Sofa auf einem der Teppiche lag mit einem leisen Fauchen, aber das Unlicht-Pokémon schenkte Nofretete keinerlei Beachtung. Kate ließ sich derweil auf dem Sofa neben dem Nachtara nieder, sodass Ethan zu dem gegenüberliegenden Sofa trat und sich setzte. „Ich hoffe, dass außer dem Rezeptionisten niemand etwas gehört hat“, merkte Kate an. „Du hast bereits deutlich gemacht, dass das vermieden werden soll“, antwortete Ethan kühl. „Niemand hat etwas mitbekommen.“ „Immerhin“, erwiderte sie und lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Warum bist du hier?“
"Ziemlich heftig trifft es ganz gut", meinte Lou. "Und vielleicht ist es auch ein Kampf gegen Windmühlen... Sind wir doch mal ehrlich. Diese Organisation muss riesig sein. Die zu zerschlagen, ist vermutlich nicht sonderlich effektiv, weil es immer irgendwelche Hinterleute gibt, die nachrücken würden. Ich glaube... Ich glaube, wir sind ganz gut bedient, wenn wir uns um die Probleme kümmern, die wir auch tatsächlich lösen können. Zumindest theoretisch, denn sind wir mal ehrlich, es stehen einige Sachen an, die nicht ganz ohne sind. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir alle als Freiwillige weitermachen können." Und das war gar nicht einfach, wenn man bedachte, dass Ethan seinen Vater im Nacken hatte, Holly eigentlich auf der Farm ihrern Eltern helfen musste und sie selbst eigentlich noch minderjährig war.
Jakob dachte einen Moment nach. So, wie Lou das erzählte, klang die Organisation doch wirklich unüberwindbar. Aber Jakob war sich sicher, dass solche Leute nicht auf Dauer herumlaufen würden. Entweder das, oder sie würden diese Region übernehmen. Jakob erschauderte kurz. "So übel wie es auch klingt, ich bin der Meinung, irgendwann werden die doch aufhören, wenn es sich nicht mehr lohnt. Die Frage ist eben nur, was sie genau machen. Ich glaube kaum, dass die Pokémon einer Miltank-Farm oder Karpador-Zucht wertvoll genug sind, dass man sich davon einen geheimen Tunnel zwischen Litora und Inito bauen lassen kann. Klar wird es schwer werden, sie endgültig zu zerschlagen, aber irgendwann müssen sie aufhören, wenn es sich nicht mehr lohnt für sie. Die Frage ist ja nur, was sie noch im Hintergrund am laufen haben und wo ihre Geldquelle sitzt."
„Wegen des Interviews“, sagte er doch eher vage, um herauszufinden, ob Kate etwas davon mitbekommen hatte. Tatsächlich wirkte sie irritiert. „Mein letztes Interview ist zweieinhalb Wochen her“, erwiderte sie mit einem Kopfschütteln. „Es geht um das von gestern“, klarifizierte Ethan. „Von deinem Vater.“ Kate runzelte leicht die Stirn. „Was hat er gesagt?“ „Das weißt du nicht?“, hakte Ethan nach. „Sonst müsste ich wohl kaum nachfragen“, entgegnete sie. „Er hat auf der Pressekonferenz gesagt, dass er die Polizei umstrukturieren oder lieber ganz abschaffen möchte.“
"Karpador und Miltank sind alles andere als unglaublich wertvoll. Die Frage ist doch eher, wofür man derartig viele Pokemon braucht. Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich darüber nachdenken will, denn mein Kopf spuckt mir jedenfalls keine sonderlich netten Szenarien aus, völlig egal wie unrealistisch sie sind", gab das Mädchen zu. "Die nächste Frage ist auch, ab wann es sich nicht mehr lohnen würde. Wenn man etwas so Großes aufzieht, dann dauert es sehr, sehr lange, bis es nicht mehr lohnenswert ist. Ich würde lieber wissen, was passieren wird, wenn sie kriegen, was sie wollen."
Jakob schaute sie kurz an. Wenn man so viel Geld in etwas hineininvestierte, so wollte man sicherlich nicht nur etwas mehr herausbekommen. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nachts ruhiger schlafe, wenn ich nicht weiß, was sie genau wollen. Das Gleiche gilt für die Sachen, die sie mit den Pokémon anstellen. Aber ja, wer so viel Geld hineinsteckthat etwas Großes vor. Allerdings muss das nicht unbedingt heißen, dass man auch weiterhin sehr viel Geld hineinsteckt, wenn es nicht klappt. Dann wäre es besser, wenn man den Verlust akzeptiert und irgendwie anders weitermacht." Jakob zuckte kurz mit den Schultern. "Aber das hängt auch immer davon ab, wie sehr die Spitze der Organisation das will, was auch immer sie machen."
Einen Moment lang sah Kate ihn irritiert an. „Ich wusste, dass er irgendwann wieder damit anfängt“, bemerkte sie dann. „Die Idee hat er seit zwei oder drei Jahren.“ „Und wie stellt er sich ein ganzes Land ohne Polizei vor?“ „Er hat gesagt, dass er einen privaten Sicherheitsdienst engagieren will – aus irgendeiner anderen Region. Laut seiner Aussage ist das billiger und effizienter“, erklärte Kate und fügte voller Ironie hinzu: „Letzteres glaube ich sofort, wenn man bedenkt, wie gut es aktuell der Polizei geht.“ „Wie viel Einfluss hast du auf ihn?“ „Du willst, dass ich es ihm ausrede?“, fragte sie und wirkte amüsiert. „Vorhin klang es auch so, als könntest du mit ihm verhandeln.“ „Falls ich der Überzeugung bin, dass seine Idee schlecht ist“, klarifizierte sie. „Vielleicht halte ich es ja auch für sinnvoll.“ „Wenn das der Fall ist“, erwiderte Ethan steif, „können wir uns das restliche Gespräch sparen.“ „Zumindest deinem Mauzi würde das gefallen“, kommentierte Kate. Nofretete war dazu übergegangen, feindselig das Nachtara nieder zu starren, was dieses selbstverständlich ignorierte.
"Ich gehe davon aus, dass sie das Was-auch-immer-es-ist wirklich wollen. Niemand steckt so viel Zeit und Geld in eine Sache, wenn nicht zumindest ein großer Teil Herzblut daran hängt", behauptete Lou. "Und dementsprechend glaube ich auch nicht, dass die irgendwann in naher Zukunft aufhören werden. Die machen ihr Ding und wenn sie fertig sind, bauen sie darauf auf oder suchen sich das nächste. Oder beides. Ich mag keine Variante, wenn ich ehrlich bin." Vor allem wenn sie darüber nachdachte, dass sie bisher nur an der Oberfläche gekratzt hatten.
Jakob sah Lou für einen Moment ernst an. Wenn man bedachte, was die Organisation alles machte, war es wirklich schon erschreckend, was hinter all dem stecken musste. "Wenn man so viel Geld ausgibt, um mit illegalen Mitteln an etwas heranzukommen, dann ist die Anzahl an Zielen echt beschränkt. Alleine bei der Vorstellung, was man alles auf legalem Weg mit diesen Finanzen anstellen könnte. Bin mir ziemlich sicher, egal was sie wollen, die Möglichkeiten sind begrenzt. Sie können es sich zumindest nicht einfach so kaufen." Jakob schüttelte kurz den Kopf. Er mochte auch keine Variante, da die meisten darauf hinausliefen, dass man sich mit der AC oder der Regierung anlegte.