"Arkwright?", wiederholte Lou überrascht, schüttelte dabei allerdings den Kopf. Sie würde sich gleich mit dem Thema befassen. "Ja, natürlich. Die beiden dürfen sich jetzt definitiv ausruhen. Vielen Dank", meinte sie dann zu der jungen Frau und nahm sowohl ihre Pokemon als auch ihren Trainerpass wieder an sich, bevor sie Jakob mit einem Nicken kurz zu verstehen gab, dass er ihr folgen sollte. Dann wandte sich das Mädchen ab und ging dichter an den Fernseher heran, um endlich mitzubekommen, was eigentlich los war.
Jakob wunderte sich gerade, warum Lou so aus dem Häuschen war. Der Name Arkwright kam ihm zwar grob bekannt vor, aber er konnte ihn im Moment nicht einordnen. Er folgte Lou zu einem der Bildschirme, wie sie ihm zu verstehen gegeben hatte. Er hoffte, dass ihm dort wieder einfiel, wer dieser Typ war. Zumindest war sich Jakob recht sicher, dass er im Moment keiner der erfolgreichen Trainer war.
In dem Fernseher war eine Nachrichtensprecherin von einem der wenigen, nicht direkt der AC unterstellten Sender zu sehen. "...etwas, das durchaus unangebracht ist", beendete sie gerade irgendeinen Satz. "Auch für jemanden in seiner Position. Hier erneut die Aufzeichnung der Pressekonferenz." Der Sender blendete die besagte Aufzeichnung ein. Diese zeigte einen äußerst ansehnlichen Saal, der unter Garantie zu der AC gehörte und unter Garantie für Pressekonferenzen vorgesehen war. An dem großen Tisch saßen nicht nur einige hochrangige Vertreter und Pressesprecher der AC, sondern ebenfalls Arkwright, der Präsident der AC. Er trug einen dunklen, definitiv teuren Anzug und auch dieses Interview machte deutlich, dass er sich für seine knapp sechzig Jahre recht gut gehalte hatte. Wenn man von seinen unfreundlichen, kalten Gesichtszügen und den ergrauten Haaren absah. "Die Polizei scheint machtlos zu sein", merkte einer der Reporter an, der gerade das Wort hatte. "Und das, obwohl sie von der AC finanziert wird. Was gedenken Sie, dagegen zu unternehmen?" "Nun ja", ergriff einer der Pressesprecher das Wort. "Zweifelsohne müssen Maßnahmen ergriffen werden. Können wir das von heute auf morgen tun? Nein. Werden wir etwas tun? Ja. Ich kann Ihnen versichern, dass wir..." "Schwachsinn", unterbrach ihn der Präsident abrupt und ungerührt. "Die Polizei ist die größte Fehlinvestition, die wir je getätigt haben. Wenn es zu Maßnahmen kommt, wird es sich entweder um eine komplette Umstrukturierung oder eine Streichung der Ausgaben handeln. Jeder Trainer-Neuling ist kompetenter als die Polizei." Ein Murmeln breitete sich unter den Reportern aus. "Heißt das, Sie spielen mit dem Gedanken, die Polizei nicht länger zu subventionieren?", hakte der Reporter nach. "Wenn Sie das noch fragen müssen, haben Sie ihren Job verfehlt", antwortete Arkwright. "Nur für Sie zum Mitschreiben: Jede externe Sicherheitsfirma könnte die Aufgaben besser erledigen." Das Bild schaltete zurück zu der Nachrichtensprecherin. "Eindeutige Worte", kommentierte diese. "Seit der Pressekonferenz von gestern Abend liegen keine Dementi vor, sodass davon ausgegangen werden kann, dass es die AC in Betracht zieht, die Polizei zu verabschieden. Wir liefern ihnen weitere Informationen - direkt im Anschluss an die Nachrichten. Dabei werden wir unter anderem die Frage klären, wie ein einziger Mann eine derartige Entscheidungsgewalt erreichen kann und welche Risiken das mit sich bringt."
Lou traute ihren Ohren nicht. Lou traute ihren Ohren ganz und gar nicht und sie vermutete, dass man ihr das auch sehr eindeutig ansah. "Ach du meine Fresse...", entwich es ihr zwar leise, aber trotzdem sehr eindeutig. Normalerweise achtete das Mädchen darauf, solche Dinge nicht zu sagen, aber in diesem Augenblick hatte sie gefühlte hundert andere Dinge im Kopf. Zunächst fragte sie sich, ob man die Polizei wirklich abschaffen konnte. Die Leute brauchten doch irgendeinen Schutz. Wer sollte sich um die Aufklärung von Verbrechen kümmern? Vor allem gerade jetzt, wo diese Organisation ihr Unwesen trieb. Würde der Staat einspringen? Immerhin hatte der die Polizei erst privatisiert. Arkwright hatte zwar auch von einer potentiellen Umstrukturierung gesprochen, aber so, wie er sich gegeben hatte, hatte es auf Lou eher den Eindruck gemacht, als ob er die Polizei lieber von der AC trennen wollte. Ein weiterer Gedanke, der dem Mädchen durch den Kopf schoss, war die Frage, was aus den Leuten werden würde, die für die Polizei arbeiteten. Leute wie Cordes oder Johnson. Leute, die ihre Arbeit vor allem gut machten. Und dann war da noch... "Wir müssen zu Ethan", unterbrach Lou ihren eigenen Gedanken und wandte sich schließlich wieder Jakob zu. "Das ist wichtig." Lou war bewusst, dass Ethan diese Information gar nicht gefallen würde. Immerhin war es sein Ziel gewesen, seinen Vater dazu zu bringen, bei der AC mehr Mittel für die Polizei zu fordern. Wenn Arkwright seine Drohung war machte, dann war dieser Plan mehr als nur hinfällig.
Jakob verfolgte die aufgezeichnete Pressekonferenz mit mäßigem interesse. Arkwright stellte sich als Präsident der AC heraus. Jakob fand es in jedem Fall merkwürdig, dass dieser seine eigenen Pressesprecher so unwirsch unterbrach. Vor ein paar Wochen wäre Jakob tatsächlich sogar etwas erleichtert über diese Nachrichten gewesen, da das sicherlich bedeutete, dass man verlassene Grundstücke wesentlich besser für illegale Kämpfe nutzen konnte. Allerdings war es im Moment anders. Er hoffte einfach, dass er trotz dieser Entwicklungen von der Organisation gebraucht werden würde. Jakob hatte das ungute Gefühl, dass er in dem Punkt mittlerweile genug wusste, um im Notfall beseitigt zu werden. Vielleicht war bald ein Anruf wieder nötig. Jakob wandte sich dann an Lou, als diese von Ethan sprach. "Ja, es ist wichtig, aber ich weiß nicht, ob oder was er jetzt tun soll. Aber ja, bescheid sagen sollten wir ihm. Hast du nicht seine Nummer? Ansonsten könnte es schwierig werden, ihn vor dem Abendessen zu finden."
"Ich habe auch keine Ahnung, was er jetzt tun soll, aber es ist wirklich wichtig, dass er das erfährt. Ich werd versuchen, ihn zu erreichen und du bleibst am besten hier, falls noch so ein Hammer kommt", meinte Lou zu Jakob, ehe sie sich nach den Telefonen umsah. Und dabei hatte dieser Tag doch eigentlich so gut begonnen! Wieso konnte nicht einmal einfach alles gut laufen? Vermutlich war das wohl zu viel verlangt. Lou unterdrückte ein Seufzen. In Panik verfallen oder etwas Vergleichbares würde nicht helfen. Sie nickte Jakob noch einmal zu und ging schließlich zum erstbesten Telefon, holte Ethans Nummer hervor und wählte diese letztlich.
Jakob schaute kurz zu Lou und wandte sich dann wieder zum Bildschirm. Er wusste nicht, wieso Lou der Meinung war, dass das nicht bis heute Abend warten konnte, aber wenn sie der Meinung war, würde er das tun, was sie von ihm verlangte. Die Nachrichten waren bis auf den Bericht über ein Turnier für Jakob uninteressant und es gab auch keine weiteren schockierenden Neuigkeiten.
Ethan stellte fest, dass Nofretete fast eingeschlafen war, sodass er dazu ansetzte, nach ihrem Luxusball zu greifen, aber noch im gleichen Moment klingelte sein AC-Phone. Selbstverständlich war Nofretete sofort wieder wach und selbstverständlich sah sie ihn mit einem vernichtenden Blick an, als wäre er selbst daran schuld. Mit einem Seufzen griff Ethan nach dem Telefon und nahm den Anruf entgegen. "Courtenay."
"Ethan, hier ist Lou", meinte das Mädchen, nachdem der junge Mann sich gemeldet hatte. "Hast du schon die Nachrichten gesehen?" Lou wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern sprach direkt weiter. Ethan würde sie im Zweifelsfall schon unterbrechen. "Die haben gerade eine Pressekonferenz von Arkwright gezeigt oder zumindest einen Teil davon, denn die ist von gestern. Da ging es um die Polizei und der Mann ist seinem eigenen Pressesprecher ins Wort gefallen und hat gemeint, dass die Polizei die größte Fehlinvestition überhaupt war und dass jeder Anfänger-Trainer kompetenter wäre und lauter solche Sachen. Außerdem hat er gesagt, wenn es zu Maßnahmen kommen sollte, dass entweder eine komplette Umstrukturierung kommt oder das die Ausgaben gestrichen werden... Und ich weiß nicht... So wie das für mich klang, scheint Letzteres wahrscheinlicher zu sein."
Einen Moment lang wusste Ethan tatsächlich nicht, was er auf diese Aussage erwidern sollte. Stattdessen starrte er lediglich Nofretete an, die mittlerweile wieder zu dösen schien. Wenn Arkwright einen derartigen Schritt gehen wollte, hatten auch die Aktionäre wie sein Vater wenig zu sagen, denn letztlich lag die Entscheidungsgewalt bei dem Präsidenten der AC. "Das ist äußerst schlecht", stellte er schließlich überflüssigerweise fest. "Ich fürchte, ich kann da auch nichts..." Er brach ab, als sein Blick auf den Umschlag fiel, den er noch in der Hand hatte. "Wir müssen Kate finden. Sie hat doch irgendwas von einem Hotel erzählt, das sie vorgeschlagen hat - wie hieß das? Vielleicht ist sie dort."
Lou hatte hatte befürchtet, dass Ethan nicht begeistert sein würde und auch, dass er wenig bis gar nichts ausrichten konnte. Dass er allerdings Kate vorschlug, überraschte sie. "Kate?", wiederholte sie dementsprechend verwirrt. Zu ihrem Glück war der Name derartig gewöhnlich, dass wahrscheinlich niemand etwas vermuten würde, falls er den Namen aufschnappen würde. "Das Hotel... ähm... Ich glaub das hieß First Row oder so ähnlich", gab Lou Ethan letztlich zur Antwort.
First Row, natürlich. Nachdem Lou den Namen genannt hatte, kam er auch Ethan bekannt vor. "Du bist im Pokémon-Center", merkte er an, weil es offensichltich war - Lou hatte kein AC-Phone. "Frag, wo das Hotel ist."
"In Ordnung. Kleinen Moment", erwiderte Lou. Sie wusste zwar noch immer nicht, wie Kate ihnen helfen sollte, aber wenn Ethan eine Idee hatte, dann würde sie sich garantiert nicht dagegen sträuben. Das Mädchen rief nach Jakob, welcher immer noch die Nachrichten verfolgt hatte, aber sofort kam, als sie ihn rief. Vermutlich hatte auch er den Ernst der Lage erkannt. "Geh bitte fragen, wo das First Row ist", bat sie den jungen Mann letztlich.
Jakob schaute Lou kurz irritiert an. Was wollte Ethan jetzt mit dem First Row? Der Name kam ihm zwar dunkel bekannt vor, er konnte ihn aber im Moment nicht einordnen. Er nickte Lou nur kurz zu und wandte sich zum Tresen. Jakob trat neben den Tresen und ignorierte die Person, die gerade dran war und sprach direkt die Mitarbeiterin an. "Verzeihen Sie kurz die Störung, können Sie mir sagen, wo ich das First Row finde?"
Die Frau hinter der Theke wirkte ein wenig missbilligend, als sie Jakob ansah. "Von hier aus zehn Minuten an der Promenade entlang. Man kann es gar nicht verfehlen", sagte sie dennoch. "In Richtung Tribüne, wo heute das Turnier stattgefunden hat."