Jakob seufzte. Es gefiel ihm auch nicht, an diesem Ort auf irgendwelche Leute von der Organisation zu treffen. Allerdings war die Aussicht, hier zu sitzen und nichts zu tun, nicht gerade attraktiv für den Teenager. "Und was sollen wir dann machen? Suchen wir uns einen schönen Beobachtungspunkt und sitzen hier den ganzen Tag?" Jakob schüttelte kurz den Kopf. Das konnte er nicht machen. Er musste noch trainieren und er konnte es sich eigentlich nicht erlauben, heute das Training auszusetzen. "Ich meine, was schadet es denn, wenn zum Beispiel ich kurz nachsehe, ob dort Spuren sind, dass jemand in letzter Zeit da war? Ich halte das für ungefährlich." Er blickte kurz zu dem Nachtara. Im Notfall glaubte Jakob, damit durchzukommen, wenn er alleine einen von der Organisation traf, ihm einfach zu sagen, er hätte ihn nie gesehen. Allerdings konnte er das den anderen gegenüber nicht so offen sagen.
Ethan konnte die Idiotie des Idioten kaum fassen. Mit einem missbilligenden Schnauben schüttelte er den Kopf. Der Idiot hatte in Inito gesehen, wozu voreilige Aktionen führen konnten, aber solange nicht sein eigenes Pokémon betroffen war, schien er das nicht zu begreifen. "Ich halte es für eine denkbar schlechte Idee, den Tunnel ernsthaft zu betreten", merkte Ethan knapp an. "Ich kann darauf verzichten, dass du uns damit in Schwierigkeiten bringst."
"Ethan und Holly haben recht", meinte Lou und klang sehr ernst. "Hast du vergessen, was in Inito passiert ist oder ist es dir egal?" "Die Typen bringen Leute ohne Skrupel um. Du willst gar nicht rausfinden, was die mit jemandem machen, der rumschleicht. Der wird nicht einfach weggejagt. Die gehen auf Nummer sicher und das solltest du wissen", fügte Holly hinzu, wobei sie den Impuls nur knapp unterdrückte, Jakob eine Kopfnuss zu verpassen. "Außerdem haben wir gesagt, dass wir uns nicht trennen. Allein deswegen kannst du gar nicht allein nachgucken gehen", ergänzte Lou einen weiteren Punkt. "Du musst echt mal weiter denken. Wir wollen alle was rausfinden. Aber nicht um jeden Preis", meinte die junge Farmerin.
Jakob unterdrückte das Bedürfnis, zu stöhnen. Er war der Meinung, dass er als einziger in der Gruppe relativ gefahrlos sich dort umsehen konnte. Gut, die Drohung, dass er sich überlegen soll, wo seine Loyalitäten liegen, sollte er dabei auch beachten. Er nickte trotzdem Lou zu und lächelte. Ihr konnte er sowieso nicht widersprechen. "Ihr habt ja recht. Dann suchen wir uns einen guten Platz und beobachten... die Frage ist dann nur, wie lange wir das tun werden, wenn hier doch keiner sein wird." Er streckte sich kurz. Ethan hatte scheinbar sein Angebot nicht verstanden und Lou hatte seine Idee ziemlich direkt ausgeschlossen, da er nicht wirklich mit jemand anderem gesehen werden durfte.
Ethan warf dem Idioten einen düsteren Blick zu. Nur weil er hin und wieder mit irgendwem von der Organisation telefonierte, bedeutete das noch lange nicht, dass er problemlos in deren Tunnel spazieren konnte, aber genau das schien der Idiot anzunehmen. "Es hat schlicht keinen Zweck, zu planen, was wir wie lange beobachten, wenn wir noch nicht einmal da sind", kommentierte er kühl und durchaus unfreundlich. "Wir sehen uns das Ganze an und dann können wir immer noch entscheiden, wie wir weiter vorgehen."
"Geduld ist nicht gerade deine große Stärke, oder?", meinte Holly zu Jakob. Die junge Farmerin schüttelte den Kopf. Sie wusste, dass sie selbst auch sehr hitzköpfig sein konnte, aber Jakob machte gerade den Eindruck auf sie, als ob es ihm auch an Logik oder gesundem Menschenverstand mangelte. "Du machst dir gerade Gedanken über Dinge, die wir noch gar nicht beurteilen können", fügte Lou hinzu. "Manchmal muss man die Dinge auf sich zukommen lassen, um entsprechend reagieren zu können. Ideen zu haben, ist nicht zwangsweise verkehrt, aber man sollte sich nicht unbedingt festlegen. Das bringt eher Probleme, statt zu nutzen."
Jakob seufzte kurz. Er wusste nicht, wieso, aber im Moment hatte er einen eher schweren Stand in der Gruppe. "Das mit dem Warten war eher so eine Frage, auf die man nicht wirklich eine Antwort will. Rethorisch oder so nannte man die doch, oder?" Er schüttelte dann kurz den Kopf. "Ich will eigentlich nicht alles einfach so auf mich zukommen lassen, vor allem nicht bei der Organisation. Aber stimmt schon, ohne zu wissen, wie es da aussieht, bringt darüber spekulieren auch nichts."
"Natürlich", erwiderte Ethan voller Ironie. "Es ist bedeutend besser, sich in das Gebäude zu schleichen, als es ersteinmal zu beobachten. Das ist vor allem bei dieser Organisation viel sicherer." Er schnaubte und warf einen prüfenden Blick zu dem Nachtara, dass immer noch entspannt wirkte und neben ihnen herlief. Ein besseres Frühwarnsysetm für potentielle Unannehmlichkeiten konnte es vermutlich nicht geben. Und das war vermutlich das einzig positive an diesem gesamten Tag.
"Du solltest dich darauf konzentrieren, unauffällig zu sein", meinte Holly nur und schüttelte leicht mit dem Kopf. Jakob war definitiv ein Fall für sich und die junge Farmerin war alles andere als scharf darauf, wegen ihm in Schwierigkeiten zu kommen. "Oder nach dem Gebäude mit der Absperrung Ausschau zu halten", fügte Lou hinzu. "Auch wenn wir vermutlich gerade darauf zu laufen, verkehrt ist es sicher nicht." "Und dann aber bitte nicht rumschreien, dass du es siehst oder gleich losrennen oder sowas", ergänzte Holly noch, stichelte dieses Mal aber nur scherzhaft.
Jakob blickte düster zu Holly. Er wusste nicht warum, aber in letzter Zeit hatte sie etwas gegen ihn. Er schüttelte den Kopf und blickte dann weiter die Straße entlang. "Konzentrieren wir uns lieber. Suchen uns vor Ort ein Versteck und dann können wir immer noch weiter sehen. Und nein, ich werde nicht loslaufen oder losschreien", meinte er dann gepresst. Er war eigentlich sauer auf Holly, aber er verstand schon, dass es in dieser Situation lieber nicht zurückstänkern sollte. Vor allem fragte er sich, wieso die Farmerin annahm, dass er sich so auffällig benehmen würde.
Mit einem Anflug von Genugtuung nahm Ethan zur Kenntnis, dass die Farmerin offenbar auch etwas gegen die Ideen des Idioten hatte. Und das wiederum war durchaus angenehm. Die Gebäude am Straßenrand lichteten sich derweil zunehmend und wichen Lagerhallen, bis schließlich eine Lagerhalle in Sicht kam, die mit einer Polizeiabsperrung versehen war. "Ich nehme an, wir sind da", kommentierte Ethan mit einem kurzen, prüfenden Blick zu dem Nachtara. Die Halle an sich wirkte gepflegt, aber unscheinbar und die Absperrung bestand aus einem einfachen, gestreiften Band, an dem vereinzelt Schilder hingen, die verkündeten, dass es sich um einen Sperrbereich handelte. Von einem Polizisten fehlte allerdings wirklich jede Spur.
"Dann ist ja gut", erwiderte Holly nur und hob die Schultern. Es kümmerte sie nicht wirklich, ob Jakob sich von ihr angegriffen fühlte oder nicht. Allerdings sprach sein Blick durchaus Bände. Lou war währenddessen auch aufgefallen, dass sie ihr Ziel endlich erreicht hatten. Wäre das Absperrband nicht vorhanden gewesen, wäre ihr das Gebäude niemals aufgefallen. "Es ist tatsächlich niemand hier", stellte das Mädchen mit einem Seufzen fest. Eigentlich war es keine Überraschung. Wahrscheinlich wäre es eher eine gewesen, wenn wirklich jemand von der Polizei anwesend gewesen wäre.
Ohne irgendwelche Polizisten zog das Absperrband mehr aufmerksamkeit auf sich, als abschreckend zu wirken, fand Jakob. Er blickte kurz zu Ethan und dann zu dem Nachtara, welches immer noch entspannt wirkte. "Wie war das? Die Polizei ist unterbezahlt und unterbesetzt?" Er schüttelte nur den Kopf und begann, sich die nähere Umgebung um das Lagerhaus anzusehen. "Ich denke, wir sollten zumindest einmal darum herumgehen. Es würde mich nicht überraschen, wenn es hier auch einen Hinterausgang gibt."
Das war tatsächlich ein annehmbarer Vorschlag des Idioten gewesen, sodass Ethan halb zustimmend, halb beiläufig die Schultern hob und sich in Bewegung setzte. Das Lagerhaus an sich war nicht unbedingt groß, wies aber trotzdem einen Hintereingang auf, der ebenfalls mit einem Absperrband versehen war. Dennoch hatte Ethan an keiner der beiden Türen ein Polizei-Siegel gesehen. "So viel dazu", kommentierte er zugegebenermaßen ratlos und warf dem Nachtara einen Blick zu. Dieses schien tatsächlich zu lauschen, denn seine Ohren bewegten sich in verschiedene Richtungen, aber abgesehen davon wirkte es noch immer nicht unbedingt beunruhigt.
"Das hätten sie sich auch irgendwie schenken können", kommentierte Holly nachdem sie die Hintertür erreicht hatten. "Nicht nur irgendwie", stimmte Lou zu und schüttetle abermals den Kopf. "Sie haben ganz offensichtlich das Allernötigste gemacht und es dann dabei belassen." Holly wäre nicht einmal überrascht gewesen, wenn die Leute von der Organisation schlicht den Vordereingang benutzt hätten. "Gehen wir erstmal weiter", schlug die jüngere der beiden vor, während ihr Blick auf dem Nachtara lag. Es schien sich umzuhören, aber das musste natürlich nichts bedeuten. Lou wollte dennoch nicht am Hinterausgang des Lagerhauses stehen.