Ethan war sich nicht sicher, wie gut die Idee von Lou war, die Sache anzusprechen. "Worüber haben sie geredet?", hakte Cordes nach und klang dabei tatsächlich interessiert und das wiederum ließ Ethan aufhorchen. Er nahm an, dass Cordes sich bezüglich Kate und Riccardo informiert hatte, aber die Frage war, ob sie irgendetwas über die beiden hatte herausfinden können.
Jakob sah zu Lou und dann wieder zu Cordes. Da nun das Mauzi aus dem Sack war, konnten sie auch genauso gut Cordes alles sagen. "Wir haben Conchua darum gebeten, ein Treffen zu organisieren. Das, was sie im einzelnen gesagt hatten, war leider nicht wirklich verständlich. Aber es ging um eine Art... Abmachung? Ja, und schlussendlich denken wir, dass wir auf Riccardos Hilfe zurückgreifen können, wenn wir in Montu etwas finden."
Cordes Nachfrage zeigte deutlich, dass die Polizistin definitiv eine Erklärung wollte. Holly war sich absolut nicht sicher, ob man das zufriedenstellend bewerkstelligen konnte. "Conchua war auch der Meinung, dass die beiden ihre Probleme hinter sich lassen sollten, weil diese ganze Sache zu wichtig ist", fing Lou mit dem Teil an, der ihrer Meinung nach eindeutig war. "Kate war nicht begeistert und hat deutlich gemacht, dass Conchua nicht mal weiß, worum es geht und dass das gar nichts löst." Lou seufzte und versuchte sich das Gespräch noch einmal, so gut es eben ging, ins Gedächtnis zu rufen. "Ab jetzt wird es verwirrend... Kate hat betont, dass sie tut, was sie kann und zwar allein. Nach ein bisschen hin und her von unserer Seite und dem Hinweis von Ethan, dass Riccardo auch Dinge tun kann, meinte sie, dass das nicht so einfach ist. Soweit wir das beurteilen können, geht es dabei um eine Abmachung, die die beiden haben... Die beiden waren sehr... unspezifisch. Kate hat gefragt, was Riccardo hören will, er hat gesagt, dass sie das weiß und sie hat erwidert, dass sie ihn nicht um was auch immer bitten kann. Wir haben erfahren, dass die beiden sich immer noch an die Abmachung halten, obwohl sie schonmal gebrochen wurde und dann... Dann hat Riccardo gesagt, dass sie das so machen können. Worauf auch immer er sich da bezogen hat, hat Kate überrascht, sie hat 'okay' gesagt, uns noch den Hinweis gegeben, dass sie sich melden wird und ist dann ziemlich mitgenommen verschwunden. Riccardo hat uns nur noch gesagt, dass er in ein paar Tagen in Montu ist, wir uns so lange im Hintergrund halten sollen und ist dann auch los." Lou seufzte tief, sehr sogar. "Wenn man es so hört, klingt es absolut verwirrend. Und ich war dabei", meinte Holly kopfschüttelnd. "Aber ja, du hast glaub ich alles drin, was passiert ist."
Lous Schilderung war zwar zutreffend, aber absolut verwirrend. Hinzu kam, dass Ethan bemerkte, wie Cordes ihm einen kurzen Seitenblick zuwarf. Er fragte sich, womit er den verdient hatte, immerhin hatte er nichts gesagt. "Wenn ihr etwas über die ominöse Abmachung herausfindet, sagt mir bescheid", wies Cordes sie dann an. "Das könnte die eine oder andere Theorie bestätigen." Ethan spürte einen Anflug von Angst. Wie viel wusste Cordes? Er war sich sicher, dass Kate es ihm gesagt hätte, wenn sie Cordes über ihre Identität aufgeklärt hätte. "Welche Theorie?", fragte er dementsprechend doch nach. "Theorien zu Riccardo", antwortete Cordes. "Was wissen Sie über ihn?", hakte er nach. "Ich wäre vorsichtig, was ihn angeht", merkte Cordes lediglich an. "Und bevor ihr nachfragt - es handelt sich um vertrauliche Informationen und zusätzlich einige Spekulationen meinerseits, die ich nicht mit euch teilen werde."
Jakob schüttelte den Kopf. Cordes hatte Theorien, aber sie wollte nichts sagen und das obwohl es ja die Freiwilligen waren, die mit ihm interagierten. Ein wenig verächtlich schnaubte er, er wünschte sich, dass man auch Kate sagte, dass er gefährlich war. "Gut, wir behalten das im Hinterkopf. Allerdings muss ich zugeben, dass er unserer Sache im Moment nützlich ist."
Auch Holly seufzte. Es erschien ihr unfair, dass Cordes von ihnen verlangte, ihr alles zu erzählen, die Gruppe dann aber mit vagen Aussagen abspeiste. Allerdings hatte Holly auch versprochen, ihr Temperament im Griff zu behalten, sodass sie einfach nichts dazu sagte. Vermutlich war das ohnehin besser, weil eine wütende Cordes hinter dem Steuer zu haben, war keine beruhigende Vorstellung. "Hoffen wir einfach, dass Kate recht hat, dass er vertrauenswürdig ist", versuchte sich die junge Farmerin sogar an einer diplomatischen Aussage. "Bisher hat er uns keine Gründe gegeben, das wirklich anders zu handhaben. Er hat Johnson gerettet, sich sogar mit uns getroffen, um Dinge zu besprechen und er hat gestern dem Treffen mit Kate zugestimmt", meinte Lou dann. "Und soweitich mich erinnern kann, war sogar er derjenige, der uns gesagt hat, dass es um... Forschung bei den Diebstählen geht."
Die Information bezüglich Riccardo empfand Ethan als durchaus beunruhigend, vor allem weil dieser in seinen Augen ohnehin immer irgendwie merkwürdig gewesen war. "Kate vertraut ihm", merkte er deshalb lediglich an. "Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das tun würde, wenn sie nicht alle nötigen Informationen über ihn hätte." "Hm", machte Cordes lediglich und Ethan nahm an, dass sie das Thema damit für beendet erklärte. Die restliche Fahrt verlief schweigend und ereignislos - wenn man von diversen Situationen absah, in denen Ethan einen halben Herzinfarkt erlitt. Mehrfach ertappte er sich bei der Frage, wie Cordes überhaupt einen Führerschein bekommen hatte. Letztlich wurden die Straßen gerader und nach einigen letzten Kurven kam schließlich Montu City in Sicht. Die erstaunlich große Stadt lag über mehrere angrenzende, flache Bergtäler verteilt und hatte trotz ihrer doch etwas abgelegenen Lage eindeutig das Flair einer Großstadt. Aufgrund der Berge gingen die meisten Straßen entweder bergauf oder bergab und es gab erschreckend wenig Ampeln - stattdessen fanden sich jede Menge, stellenweise zwei- oder sogar dreispurige Kreisverkehre und Ethan nahm an, dass das bei einem unebenen Terrain einfach besser für den Verkehr war. "Watanabe arbeitet in der Hauptwache im Zentrum", sagte Cordes, während sie viel zu schnell und ohne den Blinker zu benutzen aus einem Kreisverkehr abfuhr. "Ich lasse euch dort raus." Ethan nickte nur, weil er zu sehr damit beschäftigt war, sich festzuhalten. In einer großen Stadt mit viel Verkehr wie dieser war das Unfallrisiko fast noch höher als auf irgendwelchen halb verlassenen Bergstraßen. Als sie endlich anhielten, atmete er tief durch. Sie befanden sich an einem großen Platz, der einen Springbrunnen, einige Bänke und jede Menge Blumenbeete aufwies. Die abgehenden Straßen sahen definitiv nach Einkaufsstraßen aus und auf der anderen Seite des Platzes befand sich die Polizeistation. "Ich will informiert werden, sobald ihr etwas erfahrt und vor allem bevor ihr irgendetwas tut, was mit der ganzen Angelegenheit zu tun hat", deklarierte Cordes dann in einem eindeutig befehlenden Tonfall. "Ich gebe euch sicherheitshalber meine Handynummer." Ethan holte sein AC-Phone aus dem Rucksack und speicherte die Nummer ein, jeglicher Widerspruch wäre wohl ohnehin sinnlos gewesen. "Habt ihr das verstanden?", hakte der Chief nach.
Jakob war froh, dass die Fahrt mittlerweile ein Ende genommen hatte. Er war auch durchaus von Montu fasziniert. Es hatte etwas leicht Irreales. Noch vor ein paar Wochen hatte auch Jakob Gedanken gemacht, wie er Inito verlassen konnte. Jetzt war er in Litora gewesen und stand nun in Montu. Einen Moment ließ der Teenager die Situation auf sich wirken und nickte dann. "Ja, wenn sich etwas ändert, sagen wir Bescheid!"
"Also im Grunde bleibt alles wie vorher auch", stellte Holly auf Cordes Anordnung hin fest. Sie war sich nicht ganz sicher, warum die Polizistin der Meinung war, noch einmal nachdrücklich werden zu müssen, aber so lange Holly nicht wieder in das Auto steigen musste, würde sie sich nicht beschweren. "Natürlich haben wir verstanden", bestätigte Lou möglichst ernsthaft, obwohl ihr noch etwas flau in der Magengegend war. Cordes Fahrstil war definitiv etwas zum Abgewöhnen und bewirkte außerdem, dass Lou zumindest im Moment die Idee verwarf, selbst den Führerschein machen zu wollen. Sie hing definitiv an ihrem Leben. "Bleiben Sie eigentlich in Montu oder fahren Sie noch weiter?", fragte Holly dann noch nach. Sie war der Meinung, dass es durchaus wichtig war, das vorab zu wissen.
"Vorerst ja", bestätigte Cordes auf die Frage hin. "Macht nichts Dummes." Anschließend gab sie Gas und fuhr los. "Ich kann kaum glauben, dass wir diese Fahrt überlebt haben", stellte Ethan fest, als sich das Auto entfernte. "So viel zu meinem Plan, Schlaf nachzuholen..." Er seufzte und winkte ab. "Gehen wir zu der Polizeistation, wenn wir schonmal hier sind. Um ein Hotel können wir uns danach noch kümmern."
Jakob schüttelte den Kopf und seufzte. "Das kann ich auch kaum glauben. Dafür ging das letzte Stück jetzt in Rekordzeit." Der Teenager war kurz an Charly und ihren Fahrstil erinnert, aber erstens wollte er diese Frau nicht mit Cordes vergleichen und zweitens wollte er sie auch nicht erwähnen. "Und... dafür, dass sie offiziell frei hat, sollen wir sie trotzdem über dienstlichen Angelegenheiten informieren? Auf ihrer Privatnummer?"
"Können wir uns bitte darauf einigen, nie wieder mit ihr Auto zu fahren?", fragte Holly halbernst nach, nachdem Cordes verschwunden war. "Bin ich auch dafür... Es grenzt an ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebt", stimmte Lou zu. "Das finde ich jetzt weniger irritierend", wandte Holly an Jakob. "Hier geht es um eine wirklich große Sache. Ich bezweifle, dass Cordes uns nicht helfen würde, weil sie Urlaub hat. Allerdings wirkte es nicht so, als ob sie hier wäre, um sich zu erholen." "Definitiv nicht", stimmte Lou zu. "Sie war zwar liebenswürdig wie immer, aber ich glaube, dass sie besorgt ist." "Ach echt?", hakte die junge Farmerin ungläubig nach. "Sie hat uns gesagt, dass wir vorsichtig sein und nichts Dummes machen sollen. Außerdem hat sie gesagt, dass wir Riccardo gegenüber skeptisch bleiben sollen und sie hat exrtra Wert darauf gelegt, dass wir uns bei ihr melden. Die Art und Weise und auch die Details kann man finden, wie man will, aber es spricht dafür, dass sie besorgt ist, wenn ihr mich fragt."
"Ich frage mich sowieso, was sie in ihrem Urlaub hier macht. Zufällig, wenn wir wegen der Organisation hier sind", merkte Ethan an. "Ich bezweifle, dass sie hier wandern gehen will." Tatsächlich vermutete er eher, dass sie wegen der ganzen Angelegenheit überhaupt hier war. Und wenn das der Fall war, war das zwar erstaunlich nett und kooperativ, aber auch gleichzeitig sehr, sehr riskant. "Aber was Ricardo angeht...", fügte er dann hinzu, während er überlegte, was und wie viel er sagen konnte, "bezweifle ich, dass sie richtig liegt. Kate hat im letzten Gespräch... sehr deutlich gemacht, dass sie ihm vertraut. Und ich glaube nicht, dass sie das tun würde, wenn ihr irgendwelche wichtigen Informationen fehlen würden."
Jakob nickte zustimmend und schaute dann zur Polizeiwache. "Darauf wollte ich mit Cordes hinaus...", fügte er an und wandte sich an Ethan. "Und ich vertraue da Kate... aber trotzdem. Auch sie sollte vorsichtig sein." Dann schüttelte er den Kopf. "Wollen wir so langsam rein?"
"Haben wir denn groß eine Wahl, was das Vertrauen angeht? Wir sind auf seine Hilfe angewiesen oder nicht?", meinte Holly mit einem Seufzen, nickte Jakob dann aber zu. "Hoffen wir einfach, dass wir hier mehr Glück haben als bei unserer Ankunft in Litora." "Wir sollen die erste Zeit ohnehin den Kopf unten halten. Vielleicht sollten wir uns wirklich erstmal auf das Ankommen konzentrieren", fügte Lou hinzu. "Wenn Riccardo da ist, wird sich das zeigen. Bisher war er vertrauenswürdig und ich bin sicher, dass das auch so bleiben wird."