"Ethan... Das hättest du nicht tun müssen...", meinte Lou gerührt. Sie wusste immerhin, dass er es nicht mochte, auf seinen Namen reduziert zu werden und gerade hatte er das ihretwegen getan. Tatsächlich bedeutete es Lou einiges, dass die anderen dabei waren, aber ein schales Gefühl blieb dennoch irgendwie, weil eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf sie daran erinnerte, dass sie gerade jemandem den Platz weggenommen hatten. "Vielleicht sogar nicht tun sollen", fügte Holly hinzu. "Versteh mich nicht falsch, ich freue mich auch, dass wir doch zusehen können und ich bin dir dankbar, dass du das organisiert hast... Aber im Endeffekt darf jetzt jemand ausbaden, dass wir einen Fehler gemacht haben, weil wir vergessen haben, Karten zu reservieren. Es sind zwar "nur" Reservierungen, also hat keiner einen wirklichen Verlust, aber in Ordnung ist das eigentlich nicht, wenn ich das so sagen darf." Lou sah Holly einen Augenblick lang an. Natürlich hatte ihre Begleiterin nicht ganz unrecht, aber Lou fiel vor allem auf, dass Holly dieses Mal auf einen eher... gemäßgteren Tonfall achtete und auch wenn der Moment vielleicht unpassend war, freute es sie, dass Holly sich die Kritik zu Herzen genommen hatte.
Ethan war im ersten Moment durchaus irritiert davon, dass Holly die Aktion als derartig unpassend empfand. Tatsächlich wusste er nicht, was er darauf erwidern sollte, immerhin war das in seinen Augen nicht unbedingt unmoralisch gewesen. Dennoch war ihm klar, dass es wenig Sinn haben würde, jetzt eine Diskussion diesbezüglich zu beginnen. "Soll ich sie zurückgeben?", fragte er letztlich betont neutral.
Jakob sah zu Holly und Lou. Dadurch, dass es jetzt Holly so direkt ausgesprochen hatte, war es klar, dass sie etwas gegen Ethans Vorgehen hatte. "Weißt du... Ich finde es schön, dass uns Ethan das ermöglicht hat. Neutral betrachtet gibt es ja immer irgendwen, der hier hin wollte und keine Tickets abbekommen hat. Und ich denke mir, dass es auch für Lou wichtig ist, dass wir dabei sind, oder?" Etwas hilfesuchend blickte er zu der jungen Frau. Immerhin wusste er, wie aufbrausend Holly werden konnte, wenn sie etwas als nicht richtig erachtete.
Holly seufzte schwer. Für einen kurzen Moment bereute sie, etwas gesagt zu haben. "Darum geht es nicht", meinte sie dann, bevor Lou gezwungen war, auf Jakobs Frage zu antworten. "Ich will keinen Streit vom Zaun brechen. Nicht jetzt oder überhaupt. Aber ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass wir Dinge, die uns stören, nicht mehr in uns reinfressen. Ich sage ja auch gar nicht, dass ich nicht dankbar bin, das bin ich schon, denn man muss kein Hellseher sein, um zu sehen, dass es Lou wichtig ist." "Ist es wirklich so offensichtlich?", fragte das Mädchen ein wenig missmutig nach. "Ist das eine ernstgemeinte Frage?", meinte Holly und schüttelte den Kopf. "Worauf ich eigentlich hinaus will... Ich bin für das Ergebnis dankbar. Der Weg dahin stößt mir etwas auf. Okay?"
Auch wenn der Idiot versucht hatte, ihm zu helfen, war die Situation für Ethan immer noch unangenehm. Allerdings war Holly zur Abwechslung offenbar in der Lage, ihre Meinung auch ohne einen lauten Tonfall zu äußern, sodass ihm eigentlich nichts anderes übrig blieb, als ihr zu antworten. "Es gab nur die eine Möglichkeit, um an Karten zu kommen", antwortete er dementsprechend. "In meinen Augen war sie vertretbar." Er schüttelte kurz den Kopf. "Niemand ist zu Schaden gekommen, wenn die Leute nachdrücklich genug sind, erhalten sie vermutlich sogar Gutscheine oder irgendetwas Vergleichbares." Er machte eine kurze Pause und hob anschließend die Schultern. "Du weißt selbst, dass ich meinen Namen für gewöhnlich nicht ausnutze."
"Stimmt wohl. Und dafür bin ich mehr als nur dankbar", erwiderte Holly auf Ethans letzte Aussage und rang sich sogar ein Lächeln ab. "Das ist das, was dich schwer in Ordnung sein lässt." "Das heißt, du bist nicht mehr sauer?", fragte Lou vorsichtig nach. "Ich war nie sauer. Nicht so jedenfalls und auch, wenn es mir noch immer Bauchgrummeln mag, hat Ethan ja recht. Das war wahrscheinlich die einzige Möglichkeit", meinte die junge Farmerin mit einem Schulterzucken, ehe sie in Richtung des Einlasses nickte. "Sollen wir dann endlich?"
Jakob blickte kurz in die Runde. Das Thema schien zumindest erstmal begraben zu sein, auch wenn Jakob merkte, dass die Stimmung immer noch angespant war. Kurz fasste er sowohl Ethan als auch Holly auf die Schulter und nickte dann. "Ich sehe jetzt auch nichts Verwerfliches an der ganzen Sache. Immerhin wissen wir ja alle, dass es Ethan mit seinen Möglichkeiten nicht übertreibt. Und ich freue mich auf jeden Fall, mal bei so einem Anfängerwettbewerb zuzusehen. Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir nämlich bisher nur die ganz großen Wettbewerbe angesehen."
Ethan hob kurz die Schultern, um das Thema abzuschließend und die Hand des Idioten loszuwerden, dann wandte er sich einer Kontrolliererinnen zu. Diese nahm die Karten entgegen, entwertete sie mit einem Stanzgerät und ließ sie dann eintreten. "Nehmen Sie den mittleren Eingang zum Saal", wies sie sie dann mit einem freundlichen Lächeln an. "Und Sie", wandte sie sich an Lou, "nehmen die Backstage-Tür für Teilnehmer." Sie deutete zu der entsprechenden Tür. "Viel Spaß und viel Erfolg." Mit einem Nicken trat Ethan an der Frau vorbei und blieb vor dem eigentlichen Eingang stehen, immerhin musste Lou zu dem Eingang für die Teilnehmer.
"Ich bin auch gespannt, wie es wird", gab Holly zu und ließ dann das eigentliche Thema fallen. Immerhin gab es nichts mehr dazu zu sagen, was nicht schon gesagt worden wäre. "Ich auch... Ich bin echt überrascht, wie viel hier los ist", gab Lou zu, während sie vor den Türen zum Stehen kamen. "Aber jetzt heißt es dann wohl 'Bis später', oder?" "Offensichtlich. Aber du machst das schon. Vergiss einfach nicht, Spaß zu haben, dann läuft das schon", meinte Holly. "Darum geht es doch schließlich, oder?" "Ja... schon irgendwie", erwiderte Lou und konnte sogar ein wenig lächeln. "Drückt mir die Daumen, ja?" "Versprochen", entgegnete Holly.
Jakob lächelte Lou strahlend an. Immerhin war jetzt die Zeit gekommen, sich von ihr vorerst zu verabschieden. Aber bald würde Lou, ihre Freundin, im Rampenlicht stehen und am Wettbewerb teilnehmen. Jakob war tatsächlich ein wenig aufgeregt, da er noch nie jemanden gekannt hatte, der persönlich an einem Wettbewerb teilgenommen hatte. "Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen. Ich bin mir sicher, du wirst da draußen eine gute Figur abgeben!"
Die Diskussion mit Holly bewirkte auch weiterhin, dass Ethan nicht unbedingt bester Laune war, aber für den Moment ignorierte er das und schenkte Lou stattdessen ein Lächeln. "Zur Abwechslung bin ich Jakobs Meinung", merkte er an. "Ich glaube, du machst das gut. Außerdem würde ich darauf wetten, dass niemand hier ein Pokémon hat, das auch nur ansatzweise so motiviert ist wie Caleb." Er schüttelte amüsiert den Kopf. "Viel..." "Lou!", wurde Ethan unterbrochen. Er drehte sich um und bemerkte Sean und Annie, die gerade durch die Kontrolle getreten waren. "Timing", stellte Sean fest, bevor er sich an Lou wandte. "Wir konnten den Wettbewerb doch nicht verpassen." Annie schnaubte und wirkte auf Ethan so, als hätte sie kein Problem damit gehabt. Sean strich sich derweil seine Haarsträhne aus der Stirn. "Wie fühlst du dich, Lou?", hakte er dann nach. "Nervös?"
"Hallo ihr zwei!", meinte Lou sichtlich überrascht. Sie hatte definitiv nicht damit gerechnet, hier Sean einfach anzutreffen. Nicht nachdem sie gesehen hatte, wie viel eigentlich los war. "Und ja. Ich bin recht nervös. Allerdings ist es nicht mehr so schlimm wie vorhin. Da war gar nichts mit mir anzufangen." "Davon hat man auf dem Herweg aber nichts gemerkt", meinte Holly. "Da hast du dich ganz gut gehalten. "Ich meinte davor. Bevor Ethan und ich euch beide abgeholt haben, damit wir uns auf den Weg machen konnten", erklärte Lou, woraufhin sie einen kurzen, aber skeptischen Blick von Holly erntete. "Verstehe", entgegnete diese allerdings nur und sah dann zu Sean und Annie. "Aber das ist schon ein großer Zufall, dass wir uns so getroffen haben. Schön euch zu sehen, übrigens."
Jakob warf einen kurzen Blick zu den Neuankömmlingen. Er freute sich, Annie wieder zu sehen, sah Seans Anwesenheit aber mit gemischten Gefühlen entgegen. Immerhin mochte Lou ihn scheinbar sehr und er war sich noch nicht sicher, wie gut er das eigentlich finden sollte. Bei dem Gespräch horchte er aber auf. Lou hatte recht eindeutig gesagt, dass Ethan ihr geholfen hatte, sich zu beruhigen. "Hallo ihr beiden", meinte er dann schließlich zu den beiden Geschwistern. "Freut mich, dass ihr auch hier seid." Sein Blick lag dabei aber eindeutig auf der erfahrenen Trainerin. Schließlich wandte er sich zu Lou. "Das interessiert mich aber jetzt. Hat dir Ethan so sehr geholfen, dich zu beruhigen? Davon habt ihr ja gar nichts erzählt!"
"Das könnte daran liegen, dass es da gar nicht so viel zu erzählen gibt, wie du gerade glaubst", erwiderte Lou vielleicht ein Tickchen zu spät. Sicher war sie sich nicht, aber die Nachfrage hatte sie gerade doch ein wenig überrascht. "Ethan war so lieb, mich abzulenken und das obwohl Finneas ihm wieder einen Streich gespielt hat. Wir haben ein bisschen zusammen gesessen und uns unterhalten." Lou würde bestimmt nichts von Ethans Liste erzählen, schon gar nicht einfach so vor den anderen. Die Liste war etwas sehr Persönliches für ihn und wenn er sie mit jemandem teilen wollte, dann war das seine Entscheidung und nicht ihre.
Jakob war sich bewusst, dass Lou ihm einen Korb gegeben hatte und dass sie von ihm wollte, dass er sich benahm. Sie hatte ihm auch gesagt, dass sie im Moment an niemandem interessiert war, aber dennoch flammten erneut Eifersuchtsgefühle in dem Teenager auf. Er sah kurz zu Ethan und dann wieder zu Lou und bemühte sich um ein ernstes, ehrliches Lächeln. "Das... das ist lieb von Ethan. Aber... ich denke, Holly und ich finden es schon schade, dass wir dir nicht auch beistehen konnten. Immerhin sind wir ja alle deine Freunde!"