"Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis ich mich mit eurem Protest auseinandersetzen muss", kommentierte Cordes düster. "Ich erwarte, dass ihr jeder einzelnen meiner Anweisungen folge leisten werdet. Sobald einer von euch das nicht tut, eskortiert ihn eines meiner Pokémon persönlich nach draußen." Ethan nickte knapp und ertappte sich bei der Frage, ob das wirklich eine gute Idee gewesen war. Verlassen oder nicht, wer wusste, was in diesem Labor war? Das Nicken schien Cordes als Antwort zu genügen, denn sie griff nach einem ihrer Pokébäle. "Baker, Sie informieren mich, sobald Ihr Fukano etwas wittert oder Sie etwas bemerken", wandte sie sich an den Captain, der daraufhin nickte. "Magniro, ich erwarte ein kampftaugliches Pokémon." Mit einem Schulterzucken rief Magniro ein Sumpex aus seinem Pokéball. "Watanabe, die Wache." Der Captain entließ ebenfalls zwei Pokémon, ein Scherox und ein Skaraborn. Als alle Befehle ausgeführt worden waren, entließ Cordes ein Despotar aus ihrem eigenen Pokéball und wandte sich anschließend der Labortür zu.
Jakob nickte ebenfalls noch einmal, auch wenn Cordes viel zu sehr damit beschäftigt war, Anweisungen zu geben. Er selbst rief keines seiner Pokémon, immerhin besaß er keines, was sich als nützlich in dieser Situation erweisen konnte. Stattdessen betrachtete er die anderen Pokémon und lächelte, als Captain Watanabe ihre entließ. Immerhin waren zwei Käfer Pokémon ein Hinweis, dass sie diesen Typ bevorzugte.
"Danke", kam es tatsächlich von Holly, die zwar noch immer mürrisch war, aber gleichzeitig auch an ihrem Versprechen festhalten wollte. Zudem war sie durchaus erleichtert darüber, dass Cordes nachgegeben hatte. Nicht dass die junge Farmerin das jetzt so zugegeben hätte. Lou war ihrerseits eher davon überrascht, dass die Polizistin sie wirklich mitgehen ließ. Auch das Mädchen beschränkte sich nur auf ein Nicken, ehe es kurz in die Runde sah. Bakers Fukano kannten sie ja bereits, aber Lou fand es durchaus eindrucksvoll, tatsächlich eins von Magniros Pokémon zu sehen, wobei es dieses Mal der Art und erst in zweiter Linie dem Trainer geschuldet war. Es war auch interessant zu sehen, was Watanabe für Pokemon trainierte. Lou hätte nicht sagen können, was sie erwartet hatte, aber zwei Käferpokemon waren es nicht gewesen. Cordes' Despotar war nicht nur eine beeindruckende Gestalt, es brachte leider auch unschöne Erinnerungen an den Tag zurück, wo sie es das erste Mal in Aktion erlebt hatte. Das Wissen, das die aktuelle Situation ebenfalls sehr ernst war, trug auch nicht dazu bei, ihre Aufregung niedrig zu halten.
"Celeste, die Tür", merkte Cordes an, woraufhin das Despotar mit dem in Ethans Augen unpassenden Namen zu besagter Tür trat, ausholte und dagegen schlug. Mit lautem Knirschen bog sich das Metall. Nach zwei weitere Hieben gab es schließlich nach und mit einem fast gewuälten Knirschen öffnete sich die Tür. Der dahinter liegende Gang war eher schmal und definitiv keine Option für das Despotar. Allerdings schien es keine direkte Verbindung zu dem Garagentor zu geben, sodass Cordes wortlos darauf deutete. Das Tor war deutlich instabiler als die Tür und war bereits nach einem Hieb des Despotars so verbogen, dass das Pokémon es öffnen konnte. Ethan war sich nicht sicher, was er von diesem Vorgehen halten sollte. In seinen Augen verlief so keine offizielle, polizeiliche Durchsuchung, aber er bezweifelte ohnehin, dass es sich um so etwas handelte. Hinter dem Tor lag tatsächlich eine Art Garage oder Umschlagsplatz. Das Licht im Inneren war aus, aber durch das Tageslicht wurde zumindest ein LKW sichtbar, der dort geparkt war. "Damit haben wir den fehlenden LKW gefunden", stellte Cordes trocken fest.
Jakob sah zu dem Gang und zu der Garage und schüttelte dann den Kopf. Soviel dazu, es war wirklich niemand hier. Und falls doch, so war jetzt klar, dass sie hier waren. Jakob sah zu dem LKW und schnaubte. "Großartig, natürlich lassen die den hier. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sie etwas mitnehmen, an dem wir sie Identifizieren können. Immerhin wissen wir jetzt, dass ein Teil der Karpador hier gewesen ist."
Sowohl Holly als auch Lou wussten, was kam, denn beide hatten schon einmal gesehen, wie das Despotar eine Tür öffnete. Lou fühlte sich angespannt, obwohl keine unmittelbare Gefahr bestand. Ihr reichte die Erinnerung. "Entweder das oder die hatten keine Zeit mehr", antwortete Holly derweil auf Jakobs Äußerung. Auch die junge Farmerin fand die gesamte Situation definitiv unangenehm, aber dadurch, dass sie nicht mehr untätig waren, konnte sie das Gefühl für den Moment unterdrücken.
Cordes ignorierte sämtliche Kommentare und griff nach einem weiteren Pokéball, um ein Pyroleo zu rufen, das aufgrund seiner nicht vorhandenen Mähne recht eindeutig als Weibchen zu erkennen war. "Wir brauchen Licht", merkte Cordes an und das Pokémon betrat den Verladungsraum, um anschließend das Maul zu öffnen, in dem sich Flammen befanden, die daraufhin flackernd den Raum erhellten. "Baker." Der Captain schien zu wissen, was Cordes wollte, denn er und sein Fukano betraten den Raum, woraufhin das Fukano zu schnüffeln begann. Magniro betrat den Raum unaufgefordert und ging zu dem LKW, um dessen Laderaum zu öffnen. Selbst im flackernden Licht sah Ethan, wie der Arenaleiter missbilligend das Gesicht verzog. Cordes trat zu dem Arenaleiter und da sie keine gegenteiligen Anweisungen gegeben hatte, betrat auch Ethan den Raum und umrundete den LKW. Dessen Frachtraum bestand aus einem großen Aquarium aus Sicherheitsglas, in dem noch immer Wasser war. Am oberen Rand des Aquariums waren zwei eindeutig tote Karpador auszumachen. "Bleibt die Frage, wo die sind, die den Transport überlebt haben", kommentierte Cordes düster.
Jakob trat zu Ethan und atmete einmal tief durch. Es war zu erwarten gewesen, dass sie früher oder später auf etwas Derartiges stießen. Trotzem fand Jakob den Anblick der zwei toten, zurückgelassenen Karpador unangenehm. Deutlich war daran zu erkennen, wie egal der Organisation die Pokémon waren, die sie stahlen. Er hoffte inständig, dass sich solche Anblicke im Labor auf ein Minimum reduzieren würden.
Holly folgte den anderen und für einen Moment bereute sie es doch. Zwei tote Karpador waren kein schöner Anblick, aber das machte Holly nicht so viel aus. Was ihr sauer aufstieß, war die Tatsache, dass diese beiden Pokemon im Grunde verdeutlichten, was sie vermutlich noch zu erwarten hatten. "Vermutlich sehen wie das im eigentlichen Gebäude", entgegnete sie missmutig auf die Aussage der Polizistin. Lou neben ihr sog scharf die Luft ein. Das Mädchen hatte selten ein totes Pokemon gesehen, meistens waren es jene, die im Straßenverkehr umkamen. Und auch wenn es vermutlich in normalen Transporten vorkam, taten ihr diese beiden Karpador leid. Mit genug Sorge und weniger Gleichgültigkeit hätten sie nicht so sterben müssen, vor allem weil es garantiert kein schneller Tod gewesen war. Gleichzeitig machte ihr allerdings der Gedanke Angst, was aus den anderen geworden war.
Da es von dem Laderaum aus keine offensichtlichen Türen gab, sah sich Cordes noch einmal um und nickte dann nach draußen. "Wir nehmen den Gang hinter der Eingangstür", entschied sie und rief ihr Despotar zurück, das höchstwahrscheinlich nicht durch den Gang gepasst hätte. "Ich gehe mit Baker voraus. Anschließend die Freiwilligen, unser Arenaleiter bildet die Nachhut." Magniro zeigte sich unbeeindruckt von Cordes' Befehlston und hob die Schultern, was vermutlich eine Art von Zustimmung war. Anschließend betrat Cordes mit ihrem Pyroleo und dicht gefolgt von Baker und dessen Fukano den Gang, wobei Ethan und die anderen ihr folgten. Ihm gefiel das alles nicht. Ganz und gar nicht. Er ertappte sich sogar bei dem Wunsch, gar nicht erst darauf bestanden zu haben, das Labor zu betreten. Der Gang mündete nach kurzer Zeit in einen kleinen Raum, in dem eine Art Pförtnerhaus mit einigen Überwachungsmonitoren untergebracht war. Die Monitore waren aus, generell schien es bis auf eizelne Notbeleuchtung und natürlich das Feuer des Pyroleo keinen Strom zu geben. Links und rechts von dem Pförtnerhäuschen fand sich jeweils eine Tür, eine mit der Aufschrift "Labors", die andere mit "Büros".
Jakob hielt quasi den Atem an, als sie durch die Eingangstür in das eigentliche Labor vordrangen. Ein wenig befürchtete er, dass doch unerwarteter Weise noch jemand hier war, aber der Komplex schien wirklich verlassen zu sein, da ansonsten der Pförtnerbereich nicht komplett unbesetzt gewesen wäre. "Und jetzt?", fragte Jakob mit Blick auf die beiden Türen. "Teilen wir uns auf oder ein Bereich nach dem anderen?"
Lou schluckte nervös als sie den Gang betraten. Sie fühlte sich mehr als unangenehm an den Tag im Tunnel erinnert, an dem sie Johnson gesucht hatten. Sie warf Ethan einen kurzen Blick zu und sah ihm dabei an, dass auch er sich alles andere als wohl fühlte. Es hätte Lou überrascht, wenn er nicht auch gerade mit diversen Erinnerungen zu kämpfen hatte. Das Mädchen unterdrückte den Impuls, nach seiner Hand zu greifen oder ihn auf das Offensichtliche anzusprechen, aber Lou berührte ihn dennoch kurz an der Schulter, einfach um ihn und auch sich selbst daran zu erinnern, dass sie das alles nicht allein durchstehen mussten. "Gute Frage", stimmte Holly derweil Jakob zu. "Allerdings dürfte zusammenbleiben die bessere Idee sein." Jedenfalls, wenn man jedem Horrorfilm trauen konnte und Holly konnte das bedrückende Gefühl nicht abschütteln, dass die aktuelle Situation gar nicht so anders war.
Ethan wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er eine kurze Berührung an der Schulter spürte. Mit einem Anflug von Irritation sah er zu Lou, um ihr dann zumindest den Anflug eines Lächelns zu schenken. Vermutlich hatte sie ihm seine düsteren Gedanken angesehen - manchmal fragte er sich, wie sie das machte. "Wir bleiben zusammen", entschied Cordes und nickte anschließend zu der Tür, die zu den Laboratorien führte. "Wir fangen dort an." "Ich kümmere mich darum", merkte Magniro an und sah zu seinem Sumpex. "Bitte." Das Wasser-Pokémon richtete seinen Blick auf die Tür und sprintete dann mit erstaunlicher Geschwindigkeit los, um sich gegen die Tür zu werfen. Diese knirschte hörbar und wies eine eindeutige Delle auf. Nach dem zweiten Angriff des Sumpex' gab sie nach und schwang auf. Hinter ihr befand sich ein weiterer Gang, den Cordes mit ihrem Pyroleo betrat.
Ein wenig irritiert sah Jakob zu Ethan und Lou. Er wusste nicht, warum, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass zwischen den beiden gerade irgendetwas vor sich ging, was er weder verstand noch verstehen konnte. Er spürte eine leichte Eifersucht in sich, aber das Gefühl wurde von seiner allgemeinen Anspannung unterdrückt. Das Geräusch, wie das Sumpex gegen die Tür rammte, brachte ihn zumindest wieder ins Hier und Jetzt zurück und er sah zu der Tür, die zu den Laboren führte. "Zumindest haben sie hier stabil gebaut", merkte er murmelnd an.
Ethan wirkte zunächst irritiert, lächelte sie dann aber an, was Lou dazu bewegte, die Geste zu erwidern, ehe sie Ethan kurz zunickte und sich dann wieder auf die Umgebung zu konzentrieren. Magniros Sumpex hatte die erste Tür geöffnet und was auch immer dahinter kam, war mit Sicherheit nichts Angenehmes. "Was mich zu der Frage führt, wie lange das hier schon geht", entgegnete Holly auf Jakobs Aussage. "Und die Antwort, die dabei irgendwie nahe liegt, gefällt mir absolut nicht." Es war zu lange. Viel zu lange und auch, wenn in dieser Einrichtung wohl nichts mehr passieren würde, war das Wissen, dass es da draußen noch mehr gab, alles andere als tröstlich.