"Ich hab dir schonmal zugestanden, dass man für seine Gefühle nichts kann. Wofür du allerdings was kannst, ist deine Einstellung und die ist gerade katastrophal. Ist dir das denn gar nicht peinlich, dass du deine Eifersucht vor die Tatsache gestellt hast, dass da hunderte von Pokémon gestorben sind? Die haben irgendwem gehört, hast du daran schon gedacht? Die hatten Trainer und Besitzer!" Holly schüttelte abermals den Kopf. "Weißt du... Meine größte Angst ist es, dass es die Voltilamm meiner Familie womöglich als nächstes trifft. Gerade nach dem, was heute war, hab ich da für deine Eifersucht echt keinen Nerv und noch weniger Verständnis."
Die Tür des Zimmers wurde geöffnet und Cordes trat ein. Ihr Blick war eindeutig noch düsterer als zuvor. "Man hört euch bis in den Gang", kommentierte sie dann und musterte die beiden kurz, wobei sie die Arme vor der Brust verschränkte. "Wollt ihr das weiter diskutieren oder seid ihr in der Lage, beim Sortieren zu helfen?"
So sehr Jakob Holly noch einmal antworten wollte, er war doch über das plötzliche Erscheinen von Cordes so sehr überrascht, dass ihm für einen Moment die Worte im Hals stecken blieben. Er sah zu Cordes und seufzte dann. "Es war ein stressiger Tag, entschuldigen Sie", meinte er dann und nickte. "Ich werde mich zusammen reißen."
"Entschuldigung, dass ich wegen dem Idioten da lauter geworden bin. Ich mach mir nur Sorgen um mein Zuhause", erwiderte Holly dem Chief gereizt, wobei sie die Geste unbewusst erwiderte und ebenfalls die Arme verschränkte. Natürlich konnte Cordes nichts dafür, aber sie hätte zumindest Verständnis haben können, dass es für sie ebenfalls ein sehr stressiger Tag war. "Von meiner Seite aus, gibt es nichts mehr dazu zu sagen. Ich bin jedenfalls zum Helfen hier", fügte die junge Farmerin noch hinzu, wobei sie Jakob bewusst keines Blickes würdigte.
Einen Moment lang wirkte Cordes fast überrascht, als Holly derartig direkt antwortete, dann schüttelte der Chief den Kopf. "Schön zu hören, dass für die Freiwilligen ihre Farm oder ihre Eifersucht wichtiger sind als alles andere", kommentierte Cordes dann mit beißendem Sarkasmus in der Stimme. "Wir alle wissen, was mit meinem Vorgänger passiert ist, es ist nur eine Frage der Zeit, bis man mir irgendwen auf den Hals hetzt. Und trotzdem bin ich hier und räume das geheime Labor der Leute aus, die ein gewaltiges Problem mit mir haben." Sie schnaubte. "Es geht hier nicht um irgendwelche Einzelschicksale, sondern um etwas verdammt Großes. Und je öfter ich mit euch zu tun habe, desto weniger glaube ich, dass ihr das begriffen habt. Ganz abgesehen davon..." Ihr AC-Phone klingelte und unterbrach sie damit. Noch immer sichtlich unzufrieden nahm der Chief den Anruf entgegen, ohne auf das Telefon zu sehen. "Chief Cordes." Allein ihre Begrüßung klang eher nach einer Beleidigung als nach allem anderen. Es folgte ein eindeutig genervtes Seufzen des Chiefs. "Ich wollte gerade anfangen, den ganzen Mist mit den Freiwilligen zu sortieren", beantwortete sie dann irgendeine Frage, bevor sie düster den Kopf schüttelte. "Nein. Und du musst jetzt nicht alle halbe Stunde anrufen, ich schicke dir die Fotos der Dokumente." Es folgte eine kurze Pause, in der Cordes' Gesichtsausdruck unverändert düster blieb. "Gut. Bis später." Der Chief beendete den Anruf und steckte das AC-Phone wieder weg.
Jakob war sich nicht sicher, wie klug es war, Cordes jetzt noch mehr zu reizen, also trat er einen Schritt von Holly weg, als ob das irgendetwas bringen würde. Glücklicherweise wurde Cordes von einem Anruf unterbrochen und der Teenager nutzte die Gelegenheit, um sich zu sammeln. "Ist okay, nach heute werde ich sicher nicht viel ruhiger schlafen können. Nicht, wenn diese Leute noch frei rumrennen... und wie groß das ist, sollten wir eigentlich nach heute begriffen haben. Dann machen wir uns mal an die Arbeit..."
Holly war eigentlich schon drauf und dran, dem Chief etwas zu erwidern, als dieser von einem Anruf unterbrochen wurde. Die junge Farmerin nutzte den Augenblick, um tatsächlich noch einmal durchzuatmen und sich daran zu erinnern, dass zumindest die beiden anderen sie definitiv kritisieren würden, wenn sie jetzt in die Luft ging. Und ärgerlicherweise sogar mit Recht. Es brachte nichts, sich mit Cordes anzulegen, schon gar nicht, weil sie auf die Polizistin angewiesen waren. Wahrscheinlich sogar mehr als ihnen lieb war. "Es tut mir leid, dass das falsch rübergekommen ist. Ich weiß, dass es hier um was Großes geht, das ist immerhin der Grund, warum ich hier bin und mich über den Wunsch... über die Anweisung meines Vaters nach Hause zu kommen, hinweggesetzt habe", erklärte Holly dann noch immer angespannt, aber zumindest nicht mehr feindselig. "Ich... habe das von heute und wahrscheinlich das von der letzten Zeit auf mein Zuhause übertragen, obwohl da ja noch alles in Ordnung ist. Das hätte ich nicht tun sollen. Gerade weil Sie recht haben... Für Sie ist die Gefahr viel... direkter. Es tut mir ehrlich leid. Wenn es okay ist, würde ich jetzt lieber was Produktives machen und helfen." Tatsächlich hoffte Holly sogar, dass der Chief nicht soweit oben auf der Abschussliste stand, wie er annahm, aber genau konnte das wohl keiner sagen. Aber allein deswegen war es umso wichtiger, dass sie alles taten, was möglich war. Holly hoffte einfach nur, dass Cordes sich als stärker erweisen würde, wenn es letztlich doch zum Äußersten kommen sollte.
Cordes sah die beiden Freiwilligen einige Augenblicke lang an und schien zu überlegen, was sie erwidern sollte. Letztlich beschränkte sie sich auf ein knappes Nicken. "Sortiert die Bücher nach Themen, danach die Akten und Aufzeichnungen ebenfalls nach Themen", wies sie die beiden Freiwilligen schließlich an. "Alle OP-Berichte auf einen Stapel, alle Anträge auf einen anderen - ihr dürftet das Prinzip verstanden haben." Der Chief wandte sich ab und widmete sich einem nahegelegenen Stapel mit irgendwelchen Aktenordnern.
Jakob nickte und ging dann zu den Büchern. Wirklich viel hatte er nicht mehr beizusteuern, außerdem hatten sie soeben eine Anweisung bekommen, er wollte es lieber, so schnell es ging, hinter sich bringen. Er griff dann eines der Bücher heraus, die auf Johto waren und sah dann zum Chief. "Was sollen wir mit denen machen? Das kann ich nicht mal lesen. Alle Johto-Bücher einfach auf einen gesonderten Stapel?" Dann sah er kurz zu dem Chief und atmete tief ein. "Und... mit wem haben Sie da gerade telefoniert? War das die, denen Sie auch die Bücher abfotogragfiert haben?"
Holly sah kurz zu Jakob, wobei sie ihm lassen musste, dass die Frage berechtigt war. Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass der Chief johtoisch beherrschte, aber selbst wenn doch, war es vermutlich trotzdem die bessere Idee, diese Bücher auf einen gesonderten Stapel zu packen. Die junge Farmerin wandte sich inzwischen den nächsten Büchern zu, hörte dabei dem Gespräch weiter zu. Immerhin wollte sie die Antwort auch wissen und eventuelle weitere Antworten auch nicht verpassen. Sie stellte sich jedenfalls darauf ein, dass der ohnehin schon lange Tag noch länger werden würde.
Cordes hatte bereits zu einer Antwort angesetzt, als Jakob seine zweite Frage in den Raum warf. Einen Moment lang sah Cordes ihn prüfend an. Vermutlich musste dann aber auch ihr aufgefallen sein, dass Jakob den Kontakt auf ihrem Telefon gesehen hatte, denn ihre Miene wurde wieder so düster wie üblich. "Die johtoischen Bücher darf sich Watanabe ansehen", antwortete der Chief dann. "Packt sie auf einen gesonderten Stapel." Cordes drehte ihnen den Rücken zu, als sie sich erneut den Akten zuwandte. "Und die Fotos gehen an den einzigen Wissenschaftler, der sich mit so etwas auskennt und definitiv vertrauenswürdig ist. Eukalypt."
Als Jakob den Namen der Professorin hörte, fiel ihm auch wieder ein, dass Cordes sie mit Vornamen angesprochen hatte, mit Elaine. Er nickte und seufzte kurz. "Und mittlerweile müsste ja auch klar sein, dass Sie hier keinen Urlaub machen. Watanabe und Baker wussten ja auch bescheid."
Holly nickte kurz auf die Anweisung hin und begann anschließend damit, die johtoischen Bücher zusammenzusammeln, damit sie diese zunächst zur Seite tun konnten. "Mittlerweile?", wiederholte Holly dann Jakobs Wortwahl irritiert. "Ich dachte, da wären wir uns von Anfang an einig gewesen." Immerhin hatte Cordes so gar nicht nach Urlaub ausgesehen und wenn es etwas Dienstliches gewesen wäre, hätte sie nicht behaupten müssen, dass sie im Urlaub war. "Sollen wir dann eigentlich nach etwas Bestimmten zuerst sortieren oder sollen wir einfach machen?", erkundigte sich Holly dann bei Cordes, als diese ihnen erzählte, dass sie mit der Professorin in Kontakt stand.
"Ich wohne in einem Hotel und ich bin offiziell nicht im Dienst", antwortete Cordes so freundlich wie immer. "Das bedeutet, ich mache Urlaub." Der Chief warf den Aktenordner auf einen Stapel und drehte sich zu den beiden um. "Und ich sagte doch bereits, dass ihr die Bücher grob nach Themen sortieren sollt."
Jakob begann, zuerst die Bücher auszusondern, die auf Johto waren. Immerhin waren die sehr eindeutig von den anderen zu trennen. "Und können Sie uns etwas Inofizielles über ihre Anwesenheit hier sagen? Immerhin sind wir alle heute auf der Abschussliste dieser Leute nach oben gewandert."