"Danke für das Angebot", erwiderte Ethan und bemühte sich darum, sein Lächeln aufrecht zu erhalten. "Allerdings hat sie bisher besser mit sich reden lassen, wenn ihr nicht dabei wart." Und das wiederum war für ihn ein gutes Argument, um sie ohne die Gesellschaft der anderen anzurufen. Vor allem wenn er nicht wusste, wie sie auf die Ganze Situation reagierte. Letztlich war es verständlich, dass sie wütend war, aber dummerweise war ihre Unterstützung unabdingbar und Ethan wollte sichergehen, dass sie diese noch hatten.
„Dagegen kann man wohl schlecht was sagen“, meinte Holly mit einem schweren Seufzen. „Nimm nur nicht alles auf deine Kappe, sollte sie noch immer wütend sein. Wir haben das immerhin alle zusammen beschlossen.“ „Holly hat recht. Nur weil du mit ihr gesprochen hast, bist du nicht der Sündenbock“, fügte Lou hinzu.
"Du schaffst das schon", meinte Jakob und nickte Ethan zu. "Und ich stimme den Mädels auch zu. Es war unsere gemeinsame Entscheidung... und Conchua hängt auch mit drin. Wir kriegen das Pampross schon geschaukelt."
Nachdem die Entscheidung gefallen war, kehrten sie zu dem Hotel zurück. Ethan verschwand daraufhin in seinem Zimmer und betrat den kleinen Balkon, immerhin war es draußen noch recht warm. Halb pflichtbewusst, halb widerstrebend wählte er Kates Nummer aus und rief sie an, obwohl es bereits nach zehn Uhr war. Falls Kate tatsächlich bereits schlief, wovon er nicht ausging, wäre ihr AC-Phone ohnehin aus und wenn nicht, spielte die Uhrzeit auch keine größere Rolle. Tatsächlich schien es zu klingeln, aber es dauerte trotzdem eine ganze Weile, bis Kate den Anruf entgegennahm. "Noch mehr unschöne Überraschungen?", meldete sie sich hörbar unzufrieden und brachte Ethan damit zu einem schweren Seufzen. "Nein", erwiderte er dann, "ich... wollte mich entschuldigen." "Aha." "Wir haben keine andere Möglichkeit gesehen und..." "Ich dachte, du willst dich entschuldigen und nicht rechtfertigen", unterbrach sie ihn. Ethan schwieg einen Moment lang, fühlte sich ein wenig vor den Kopf gestoßen und hörte derweil im Hintergrund Geräusche, vielleicht Musik. "Ja", sagte er dann. "Es tut mir leid. Uns allen." "Danke für die Information. Und ja, ich werde weiterhin kooperieren. Darum geht es doch, oder?" Kates Tonfall war eindeutig missbilligend und verunsicherte Ethan. "Auch", räumte er ein. "Und worum noch?" "Ich wollte nachfragen, ob bei dir alles in Ordnung ist", fügte er letztlich hinzu. "Nach dem Gespräch mit Riccardo... wirktest du irgendwie mitgenommen." Es folgte eine längere Pause, in der Ethan recht eindeutig Musik und Stimmen im Hintergrund hörte. "Und du weißt, warum", deklarierte sie schließlich. "Nein, alles, was ich weiß, ist, dass ihr zusammen wart", widersprach Ethan. "Und für mich klang es so, als wäre Riccardo kompromissbereit, also könnte..." "Versuch es gar nicht erst", unterbrach sie ihn erneut. "Lass es einfach gut sein." Zumindest für Ethan klang Kates Tonfall mittlerweile eher verletzt und bitter als missbilligend, aber ob das wirklich ein Fortschritt war, war eine ganz andere Frage. "Ich nehme an, ich soll dich in Ruhe lassen", schlug er vor. Kate schnaubte. "Du kannst auch zu meiner Hotelbar kommen und Cocktails trinken, es ist mir völlig egal. Es macht keinen Unterschied." Diese Aussage war zwar in sich nur bedingt schlüssig, beantwortete aber zumindest Ethans gedankliche Frage nach den Hintergrundgeräuschen. Und warf die Frage auf, ob und wie viel Kate bereits getrunken hatte. "Aber wenn ihr mit euren Siegesfeierlichtkeiten fertig seid - wovon ich ausgehe, sonst hättest du nicht angerufen -, dann musst du dich vermutlich zeitnah erholen, immerhin brecht ihr morgen auf", fügte sie hinzu. Ethan schwieg einen Moment lang. Er war sich nicht sicher, wie er Kates Aussagen deuten sollte, aber er war sich fast sicher, dass sie eigentlich wollte, dass er vorbeikam. Er oder irgendwer sonst. Vermutlich war ihr das egal. Da er allerdings noch immer ein schlechtes Gewissen wegen der Aktion hatte, traf sein Gewissen die Entscheidung für ihn. "Ich komme vorbei", sagte er, ohne weiter auf ihre Provokation einzugehen. Einen Moment lang schwieg Kate, dann schnaubte sie erneut. "Tu dir keinen Zwang an." Ethan schüttelte den Kopf und legte auf, um anschließend das AC-Phone wegzustecken. Er würde die anderen kurz informieren und dann aufbrechen. Auch wenn er sich nicht sicher war, wie gut die Idee wirklich war. Er verließ sein Zimmer und klopfte an Lous Tür.
Nachdem sie schließlich zurück im Hotel waren, machte sich Lou schon Gedanken darum, ob Ethan Kate wirklich noch anrufen sollte. Allerdings schien es ihm wichtig zu sein und deshalb wollte Lou es ihm auch nicht ausreden. Natürlich hatte sie keine Ahnung, ob Kate überhaupt reden wollte, aber Lou glaubte, dass der Versuch durchaus zählte und dass es Ethan vielleicht zumindest ein wenig beruhigte. Dieser ganze Tag schien ihn mitzunehmen und zu beschäftigen, auch wenn Lou klar war, dass sie sich nur zu einem gewissen Grad vorstellen konnte, was in Ethans Gedanken vor sich ging. In ihrem Zimmer angekommen, sah sich Lou einmal um und seufzte. Es gab nichts Sinnvolles, das sie gerade tun konnte, sodass sie kurzerhand unter die Dusche ging. Diese half natürlich nicht dabei, sich keine Sorgen zu machen. Natürlich nicht. Für einen irren Moment spielte Lou mit dem Gedanken, Finneas nach drüben zu schicken, um herauszufinden, ob Ethan sein Gespräch schon beendet hatte. Allerdings fühlte sich Lou im selben Augenblick wie ein Stalker, sodass sie den Gedanken sofort wieder verwarf. Lou verließ gerade das Bad, als es an der Tür klopfte, was sie tatsächlich kurz zusammenfahren ließ. Lou schüttelte das Gefühl ab und ging dann zur Tür, die sie zunächst nur einen spaltbreit öffnete, bis sie sah, dass es sich um Ethan handelte. „Alles in Ordnung?“, fragte sie ihn besorgt. „Willst du reinkommen und reden?“
Als Lou die Tür öffnete, bemerkte Ethan die nassen Haare und nahm an, dass er sie entweder kurz nach oder während des Duschens erwischt hatte. "Entschuldige die Störung", sagte er mit einem kurzen Nicken in Richtung ihrer Haare. "Und um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher, ob alles in Ordnung ist - aber Kate hat indirekt gesagt, dass ich vorbeikommen soll, also werde ich das vermutlich herausfinden." Er zwang sich zu einem Lächeln. "Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich mich auf den Weg mache."
„Du störst nicht“, meinte Lou und winkte ab. Als Ethan Kate erwähnte, musste sie allerdings unwillkürlich seufzen. „Es klingt tatsächlich nicht so, als ob alles in Ordnung wäre“, musste das Mädchen eingestehen. Lou fühlte sich durchaus schlecht dafür, dass sie Kate in diese Situation gebracht hatten. Dass sie sauer werden würde, war abzusehen gewesen, aber dass es ihr wirklich schlecht ging, und so klang es gerade, war nie der Plan gewesen. "Ich... ich hoffe, wir sind nicht zu weit gegangen", musste sie dann zugeben. "Klar, es ist wichtig gewesen, aber wenn sie jetzt sogar noch Redebedarf hat, dann klingt das nicht gut." Es folgte ein weiteres Seufzen ihrerseits. "Danke, dass du das machst... Das wird ihr gut tun. In so einer Situation ist es gut, wenn man einen Freund hat, der einem einfach nur zuhört und da ist, damit man nicht alleine ist. Ich weiß, wovon ich rede."
Ethan schnaubte. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass Kate mich nicht als Freund bezeichnen würde", kommentierte er mit einem Kopfschütteln. "Wie auch immer." Er hob die Schultern. "Vielleicht will sie auch einfach klarstellen, dass wir so etwas nicht noch einmal tun sollten. Ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall sollte ich langsam los. Wenn es nicht zu spät wird, kann ich dir gerne Bericht erstatten, ansonsten sehen wir uns morgen."
Lou sparte sich die Erklärung, dass Ethans Aussage nicht danach geklungen hatte, dass Kate einfach nur etwas klarstellen wollte. Ihrer Meinung nach sagte man nicht indirekt, dass jemand kommen sollte, wenn man Dinge regeln wollte. Das passte nicht zusammen. "Ihr habt einen ähnlichen Hintergrund und habt vor kurzem erst festgestellt, dass ihr euch gut versteht. Klingt für mich nach anfänglicher Freundschaft", meinte das Mädchen stattdessen, hob allerdings ratlos die Schultern. "Wenn du darüber reden willst, also nachher, dann ist es mir egal, wie spät es ist. Du weißt, dass du mich wach machen kannst."
"Mag sein", räumte Ethan ein. "Auch wenn eine Erpressung vielleicht nicht die beste Basis dafür ist." Er lächelte. "Danke für das Angebot." Er würde sie definitiv nicht wecken, aber das musste er ihr nicht in das Gesicht sagen, immerhin wäre das unhöflich gewesen. "Bis dann."
Nachdem er Lou informiert hatte, kehrte er in sein Zimmer zurück, duschte und zog sich um, immerhin wollte er nicht in völlig legerer Kleidung in der Bar eines Fünfsternehotels auftauchen. Das war schlicht und ergreifend unangemessen gewesen. Der Weg zu Kates Hotel war nicht lang und mittlerweile kannte Ethan ihn. Als er vor dem Hotel stand, fragte er sich einmal mehr, wie gut die Idee wirklich war, mit einer vermutlich angetrunkenen Kate zu reden, schob den Gedanken dann aber beiseite und betrat die Lobby. Die Rezeptionsdame erklärte ihm auf seine Frage hin, wo sich die Bar befand und Ethan nahm den Aufzug das oberste Stockwerk des Hotels, das man vermutlich der Aussicht halber für die Bar ausgewählt hatte. Die Bar selbst war erwartet groß und wies neben einer voll ausgestatteten Theke selbstverständlich eine ganze Menge Tische auf, allesamt selbstverständlich an Panoramafenstern. Ethan brauchte einen Moment, um Kate ausfindig zu machen, die alleine an einem der Tische saß und aus dem Fenster zu sehen schien. Vor ihr stand ein Cocktail auf dem Tisch. Ethan unterdrückte ein Seufzen und machte sich dann auf den Weg zu dem Tisch. Auf halber Strecke bemerkte Kate ihn und sah zu, wie er zu dem Tisch trat. Kommentarlos setzte er sich. „Was willst du trinken?“, fragte sie ihn und als er nicht sofort antwortete, schob sie ihm die in Leder gebundene Karte hin. Ethan griff nach der Karte und schlug sie auf, während Kate von ihrem Cocktail trank. Sobald er die Karte wieder auf dem Tisch ablegte, erschien ein Kellner, der vermutlich nur auf dieses Signal gewartet hatte. „Würden Sie gerne etwas bestellen?“ „Einen Manhattan“, erwiderte Ethan und bemerkte erst im Nachhinein, dass er aufgrund der Umgebung quasi automatisch auf ein ‚bitte‘ verzichtet hatte. Der Kellner nickte und verschwand wieder. Kate lehnte sich derweil auf ihrem Sessel zurück, ohne etwas zu sagen. „Was jetzt?“, fragte Ethan letztlich. „Du bist doch der, der hergekommen ist“, erwiderte Kate und klang auf Ethan zumindest nur leicht angetrunken. „Ja, weil du indirekt gesagt hast, dass ich herkommen soll“, antwortete er und sah anschließend zu ihrem halb leeren Cocktail. „Der wievielte ist das?“ „Der dritte.“ „Ich bin zwar kein Experte“, merkte Ethan an, „aber meines Wissens nach sind Cocktails nicht der beste Weg, um sich zu betrinken.“ Kate sah ihn mit einem schwer zu deutenden Blick an. Ethan nahm an, dass er missbilligend sein sollte. „Vielleicht feiere ich auch einfach den großartigen Ausgang des Gesprächs“, sagte sie dann voller Ironie. „Oder das freudige Wiedersehen.“ „Ich habe doch bereits gesagt, dass es uns leid tut“, warf Ethan ein. „Was soll ich denn noch tun?“ Kate seufzte und griff nach ihrem Cocktail, um aus dem Strohhalm zu trinken. „Was jetzt?“, wiederholte Ethan seine Frage von zuvor. Bevor Kate zu einer Antwort kam, kehrte der Kellner mit dem Manhattan zurück. Ethan quittierte das Getränk mit einem Nicken und der Mann entfernte sich wieder. „Auf einen großartigen Abend“, schlug Kate weiterhin eindeutig ironisch vor, wobei sie ihren Cocktail hob. „Auf einen großartigen Abend“, erwiderte Ethan aus Prinzip und hob sein Getränk, um anzustoßen. Anschließend trank er einen Schluck. „Ich wiederhole mich ungern, aber: Was jetzt?“ „Was weiß ich“, entgegnete Kate und stellte ihren Cocktail ab. „Erzähl mir was, lenk mich ab.“ Diese Situation überforderte Ethan durchaus. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was Kate jetzt eigentlich von ihm wollte und noch weniger wusste er, worüber er erzählen sollte. In der Tat begann er sogar zu bereuen, dass er hergekommen war.
"Bis dann", erwiderte sie die Verabschiedung und schloss nach einem Moment die Tür. Lou war sich nicht sicher, inwiefern Ethans Antwort nun sarkastisch gemeint gewesen war. Er klang in ihren Ohren ein wenig danach, als ob er seine Entscheidung jetzt schon bereute. Sie hätte ihm gerne geholfen, aber sie hatte keine Ahnung wie. Lou hoffte einfach, dass Ethan wirklich kommen und mit ihr reden würde. Sie war sich zumindest sicher, dass er das brauchen konnte.
„Ich war heute zum ersten Mal in meinem Leben im Kino“, sagte Ethan letztlich aus Mangeln an Alternativen. Kate sah ihn einen Moment lang irritiert an, dann schnaubte sie amüsiert. „Und?“ „Es war interessant“, erwiderte er. „Vor allem der Sound. Die Bildqualität auf der Leinwand war auch nicht schlecht – und das Popcorn ist definitiv einen Kinobesuch wert.“ „Kino war eines der ersten Dinge, die ich ausprobiert habe, als ich mich auf den Weg gemacht habe“, sagte Kate und griff erneut nach ihrem Cocktail. „Es ist nie wieder so spannend wie beim ersten Besuch.“ „Ja, aber man muss es gemacht haben“, warf Ethan mit einem Schulterzucken ein. „Was waren die anderen Dinge?“ Kate musterte ihn skeptisch und trank aus ihrem Strohhalm. „Du solltest doch erzählen“, kommentierte sie dann. „Und jetzt soll ich?“ Ethan seufzte. „So funktioniert ein Gespräch“, stellte er das Offensichtliche fest und trank selbst einen Schluck. „Der eine sagt was, der andere antwortet.“ „Ich will kein Gespräch, ich will, dass du mir irgendwas erzählt, das mich von diesem beschissenen Tag ablenkt.“ „Soll ich den Inhalt meiner letzten Seminare wiedergeben?“, entgegnete Ethan mit einem Anflug von Verärgerung und Irritation. „Wenn du Monologe willst, hättest du Conchua anrufen sollen, sie kann dir mit Sicherheit von ihren Kämpfen erzählen.“ „Conchua ist bei Johnson.“ „Und ich war mit den anderen unterwegs.“ „Die liegen nicht auf einer Intensivstation“, kommentierte Kate trocken. Mit einem schweren Seufzen wegen dieses Totschlagarguments griff Ethan erneut nach seinem Getränk. „Was willst du hören?“, fragte er dann, nachdem er es wieder auf dem Tisch abgestellt hatte. Kate musterte ihren Cocktail eine Weile lang, bevor sie die Schultern hob und erneut danach griff. Das tat sie für Ethans Geschmack in zu kurzen Abständen. „Keine Ahnung“, erwiderte sie dann. „Erzähl mir von dem Mauzi, das nicht kämpfen will. Wie läuft es damit?“ Ethan sah sie prüfend an, aber Kate schien das Ganze ernst zu nehmen und er nahm an, dass das schlicht das erstbeste Thema war, dass ihr eingefallen war. Da wenig dagegen sprach, begann er letztlich von Nofretete zu erzählen und Kate schien zumindest halb zuzuhören, auch wenn sie abwesend wirkte und immer wieder aus ihrem Strohhalm trank. Als Kates Cocktail leer war, musterte sie das leere Glas eingehend und sah sich anschließend – vermutlich nach dem Kellner – um. „Hältst du es für eine gute Idee, noch einen zu trinken?“, unterbrach Ethan seine eigene Erzählung und erntete dafür einen düsteren Blick von Kate. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das selbst entscheiden kann, danke, Mr. Courtenay“, erwiderte sie und winkte dem Kellner. „Überleg dir lieber, was du noch trinkst. Nach diesem großartigen Tag bezahle ich.“ Bevor Ethan antworten konnte, war der Kellner zu ihnen getreten war. „Den gleichen nochmal“, wandte sich Kate an den Mann, der daraufhin zu Ethan sah. Als dieser zögerte, fügte Kate hinzu: „Und noch einen Manhattan.“ „Sehr gerne“, erwiderte der Kellner, nahm Kates leeres Glas mit und ging in Richtung Bar. „Wie war das mit ‚ich kann selbst entscheiden‘?“, hakte Ethan nach, erhielt darauf allerdings keine Antwort. „Angenommen, ich würde nachfragen, ob du dich auch nur an ein einziges Detail von dem erinnerst, was ich gerade erzählt habe…“ „Nofretete ist ein Zuchtmauzi, sie verbringt den Großteil der Zeit mit Fellpflege. Sie macht keine Anstalten, an einem Kampf teilnehmen zu wollen, allerdings scheint sie einen erstaunlich großen Jagdtrieb zu haben“, antwortete Kate unbeeindruckt. „Bei einem Übungskampf gegen deinen Lehrer hat sie dessen Staralili aus dem Hinterhalt attackiert. Daraufhin…“ „Okay“, würgte Ethan sie ab. „Habe ich deinen Test bestanden?“ „Du sahst nicht so aus, als würdest du zuhören“, erwiderte Ethan lediglich. „Ich habe zugehört. Zumindest mit einem halben Ohr“, korrigierte ihn Kate und warf einen prüfenden Blick in Richtung Bar, wo der Barshaker gerade die Cocktails einschenkte. Kurze Zeit später brachte der Kellner die Getränke und verschwand wieder. Ethan leerte seinen ersten Cocktail und war dabei froh darüber, dass der Manhattan ein Shortdirnk und somit klein war, dann griff der nach dem neuen. „Auf was willst du dieses Mal anstoßen?“, fragte er Kate mit einem Anflug von Ironie. „Wieder auf den großartigen Abend?“ „Vielleicht auf den großartigen Tag“, schlug sie ebenso ironisch vor. „Du willst dich davon ablenken und sprichst es trotzdem immer wieder an“, stellte Ethan fest, woraufhin Kate ihm einen durchaus missbilligenden Blick zuwarf. „Auf unnötige Kommentare“, schlug sie dann vor.
„Ich habe es verstanden“, erwiderte Ethan ein wenig steif. „Auf belanglose Gespräche.“ Kates Blick blieb düster, als sie anstießen. „Soll ich bei meinem Serpifeu oder meinem Pliprin weitermachen?“, fragte er dann nach. „Lass mich raten, es ist dir egal.“ „Richtig.“ Ethan setzte zu seinem nächsten Monolog an, dem Kate auch dieses Mal halb und Cocktail trinkend zuhörte. Immerhin schien sie ihren vierten Cocktail nicht derartig schnell zu trinken wie den dritten und das bewirkte, dass Ethans Manhattan zuerst leer war. Ohne ihm die Gelegenheit zum Protestieren zu geben, bestellte Kate ihm einen weiteren. Während er die gedankliche Notiz machte, dass er den dritten definitiv in Zeitlupe trinken würde, setzten Ethan seinen Monolog fort. Erst als sich Kates vierter Cocktail dem Ende neigte, hielt er letztlich inne. „Kate, was bringt dir das?“, fragte er dann direkt. „Was meinst du?“, hakte sie nach und auch wenn sie nicht lallte, hörte man ihr den Alkohol mittlerweile an. „Du sitzt hier, hörst mit halbem Ohr zu und sinnierst trotzdem über den Tag“, stellte er fest und bemerkte dabei auch seine drei Manhattan. „Also was bringt dir das?“ Kate fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. „Ich bin zumindest ansatzweise abgelenkt“, schlug sie dann vor. „Okay, ich weiß, es geht mich nichts an und ich weiß auch, dass ich kein Experte bin, aber ich weiß, dass ihr zusammen wart und es ist selbst für mich offensichtlich, dass es euch beiden nach wie vor nicht egal ist“, sagte Ethan letztlich und dabei zugegebenermaßen ein wenig Mühe, einen längeren Satz zu formulieren. „Glaubst du nicht, dass man das wieder irgendwie… hinkriegen könnte?“ Der Blick, den Kate ihm zuwarf, war tödlich. „Du bist nicht nur kein Experte, du hast keine Ahnung.“ „Das hast du auch Conchua gesagt“, merkte er an und schüttelte den Kopf. „Wenn du niemandem etwas sagst, kann dir auch niemand helfen.“ „Könnte daran liegen, dass man mir in dieser Sache nicht helfen kann“, antwortete Kate und klang dabei halb wütend, halb bitter. „Es kann doch nicht…“ „Es reicht“, unterbrach sie ihn unwirsch und sah sich erneut um, um anschließend dem Kellner zu winken. „Nein, die Cocktails reichen jetzt“, erwiderte Ethan ebenfalls unzufrieden. Er war nicht hier, um ihre schlechte Laune abzukriegen. „Es bringt dir nichts, dich jetzt zu betrinken! Willst du morgen irgendeinen Skandal im Fernsehen sehen? Champion betrunken in Hotel-Bar?“ Kate setzte zu einer Antwort an, wurde aber von dem Kellner unterbrochen, der zu ihnen an den Tisch getreten war. „Die Rechnung“, wandte sich Ethan an den Mann, der daraufhin nickte und zurück zu der Bar ging, um sie auszudrucken. Kate strafe ihn mit einem eisigen, wütenden Blick und Schweigen, bis der Kellner zurückkehrte und Ethan die Rechnung hinhielt. „Ich bezahle“, sagte Kate unfreundlich, woraufhin der Kellner sich ihr zuwandte. Wortlos gab Kate ihm ihre Kreditkarte. Als die Rechnung bezahlt war, steckte Kate ihre Karte weg und dem Kellner dafür einen Schein zu. „Vielen Dank“, erwiderte dieser und verschwand dezent. Kate stand abrupt auf und war offensichtlich zumindest in der Lage, dabei ihr Gleichgewicht zu halten. Ethan stand ebenfalls auf. „Ich nehme an, den Weg zu deinem Zimmer findest du alleine“, kommentierte er und schüttelte den Kopf. „Und danke für diese großartige Einladung.“ „Ist das dein Ernst?“, fuhr Kate ihn mit halbherzig gedämpfter Stimme an. „Was habe ich jetzt schon wieder getan?“ „Spar dir solche Kommentare“, entgegnete Kate und schüttelte den Kopf. „Die kann ich gerade überhaupt nicht gebrauchen.“ Ethan seufzte schwer. „Es tut mir leid“, sagte er dann und meinte es auch so, „aber was soll ich denn tun? Monologe über meine Pokémon halten, während du dich betrinkst?“ Kate sah zu Boden, eine für sie ungewöhnliche Geste und Ethan bemerkte zu seinem Entsetzen so etwas wie Tränen in ihren Augen. Energisch fuhr sie mit ihrer Hand über das Gesicht. „Ich kann dir anbieten, darüber zu reden“, warf er zugegebenermaßen hilflos ein, weil diese Situation überhaupt nicht zu Kate passte, „aber mehr kann ich nicht tun.“ Einige Augenblicke lang stand Kate lediglich da, dann setzte sie sich in Bewegung und durchquerte die Bar. In Ermangelung einer sinnvollen Alternative folgte Ethan ihr, er musste ohnehin zum Aufzug. „Nicht hier“, sagte sie dann, als sie vor dem Aufzug standen.
Die Fahrt im Aufzug verlief schweigend und war für Ethan trotz des Alkohols alleine deswegen unangenehm. Wortlos öffnete Kate anschließend die Tür ihrer Suite, die Ethan bereits kannte. Er folgte ihr nach drinnen. Dieses Mal fehlte von dem Nachtara jede Spur und auch wenn Ethan wusste, dass Kate das Pokémon unter Kontrolle hatte, konnte er nicht behaupten, dass er traurig darüber war, das Unlicht-Pokémon nicht zu sehen. Kate setzte sich auf das Sofa und Ethan nahm ihr gegenüber Platz. Das Schweigen zog sich in die Länge und Ethan überlegte, wann er nachfragen sollte. „Ich konnte ihn nicht darum bitten, die Abmachung zu lockern oder fallen zu lassen“, sagte sie nach einer gefühlten Ewigkeit, wobei ihr Blick auf dem Couchtisch hing. Diese Aussage an sich ergab wenig Sinn, aber Ethan traute sich tatsächlich nicht, nachzuhaken. „Ich habe nicht das Recht dazu.“ Ethan musterte Kate, die erschreckend unsicher und erschreckend mitgenommen wirkte. Ganz anders als bei jeglichen öffentlichen Auftritten und vor allem auch anders, als sie sich bisher ihm gegenüber verhalten hatte. „Aber ihr habt sie doch gemeinsam getroffen, oder nicht?“, hakte er schließlich doch nach, als erneut Stille eingetreten war. „Ja“, erwiderte sie und Ethan bemerkte, dass sie ihre Hände zu Fäusten ballte. „Haben wir. Aber…“ Sie brach ab, setzte erneut an und brauchte einige Versuche. „Ich habe sie längst gebrochen.“ Ethan wusste nicht, wie er auf diese Aussage reagieren sollte. „Und… Riccardo weiß das?“, hakte er sicherheitshalber nach. „Natürlich weiß er das!“, entgegnete Kate und klang dabei regelrecht verzweifelt. „Im Endeffekt ist das der Grund für… für alles.“ Ethan vermutete, dass sie mit „alles“ den Streit und die Trennung meinte. Und wenn er damit richtig lag, hatte sie gerade gesagt, dass es letztlich ihre Schuld gewesen war. „Aber er hat sich weiterhin daran gehalten?“, fragte er weiter. „Wir“, korrigierte sie ihn. „Wir haben uns seitdem daran gehalten.“ „Ihr trefft diese Abmachung, du brichst sie – nicht ausversehen, nehme ich an –, ihr trennt euch“, fasste Ethan zusammen. „Und dann haltet ihr euch weiterhin daran?“ „Nein, nicht ausversehen. Mir war bewusst, was ich tue“, bestätigte Kate und auch wenn sie sich weiterhin um einen neutralen Tonfall zu bemühen schien, bemerkte Ethan eine Träne auf ihrem Gesicht. „Im Nachhinein war es ein Fehler… Und trotzdem… Wir mussten uns daran halten, weil… weil alles andere ein viel zu großes Risiko gewesen wäre.“ „Ein Risiko für wen?“ „Für uns beide.“ Ethan dachte einen Moment lang über die bruchstückhaften Informationen nach, um sie irgendwie zu sortieren. „Aber wenn ihr euch beide noch daran haltet, obwohl ihr getrennt seid“, schlussfolgerte er, „dann bedeutet das doch eigentlich, dass es euch beiden nicht egal sein kann.“ Kate antwortete nicht, schien stattdessen ein Schluchzen zu unterdrücken und weitere Tränen liefen über ihre Wangen. Ethan wusste nicht, was er tun sollte, hatte nicht einmal die leiseste Ahnung. Im Endeffekt war ihre Reaktion Antwort genug, aber das brachte ihn nicht weiter. Er wünschte sich mindestens einen Manhattan weniger, vielleicht wäre ihm dann eine sinnvolle Reaktion eingefallen. So aber blieb er noch einige Augenblicke lang sitzen und stand dann auf, um den Couchtisch zu umrunden, sich zugegebenermaßen zögerlich neben sie zu setzen und ihr anschließend eine Hand auf die Schulter zu legen. Erst als sie ihn daraufhin sichtlich irritiert ansah, stellte er fest, dass er nicht auf irgendeine Barriere gestoßen war. Kate hingegen wandte den Blick wieder ab und schien ansonsten nicht weiter auf die Geste zu reagieren.
„Bist du jetzt zufrieden?“, fragte Kate nach einer Weile, wobei noch immer Tränen über ihr Gesicht rannen. „Statt entspannt Cocktails in der Bar zu trinken, sitze ich hier und rege mich über Dinge auf, die Jahre her sind.“ Ethan nahm die Hand von ihrer Schulter und setzte zu einer entsprechenden Antwort an, hielt dann aber inne. Es war albern, auf eine derartig offensichtliche Provokation einzugehen. „Ja, ich bin zufrieden“, erwiderte er deshalb und bewirkte damit, dass Kate ihn zumindest irritiert ansah. „Du redest darüber. Das ist besser, als sich sinnlos zu betrinken.“ Kate brachte ein halbherziges Schnauben zustande. „Und jetzt hast du noch mehr Gründe, um mich zu erpressen, immerhin habe ich noch mehr Informationen“, fügte Ethan scherzhaft hinzu, woraufhin Kate zumindest den Anflug eines Lächelns zeigte. „Da spricht der Courtenay aus dir“, erwiderte sie, wobei ihr Tonfall zumindest einen Hauch von Amüsement enthielt. „Natürlich“, bestätigte Ethan. „Ich muss mich doch um mein Vermögen sorgen.“ Kate wischte sich mit einer Hand die Tränen aus dem Gesicht. Dann stand sie auf und trat zu der Minibar. „Ich brauche Wasser“, merkte sie dann an und öffnete die Minibar. „Willst du auch eins?“ „Ja, bitte“, erwiderte Ethan fast erleichtert. Das Wasser würde vielleicht den Effekt der Manhattan relativieren. Kate kehrte mit zwei Wasserflaschen zurück und gab ihm eine, die er daraufhin öffnete. „Auf was stoßen wir jetzt an?“, hakte er nach. „Mit Wasser stößt man nicht an, das müsstest du doch wissen“, erwiderte Kate und hob dennoch ihre Wasserflasche. „Auf ausbleibende Cocktails.“ „Auf ausbleibende Cocktails“, bestätigte Ethan amüsiert und trank anschließend einen Schluck Wasser. „Wann brecht ihr morgen auf?“, fragte Kate dann nach. „Der Bus fährt um elf“, erwiderte Ethan. Kate nickte nur und trank ihrerseits von dem Wasser. Ethan war sich nicht sicher, was sie mit dieser Frage hatte bezwecken wollen, er wusste nur, dass erneut eine unangenehme Stille eingetreten war. „Es war mir dann doch zu teuer, eine Limousine zu mieten“, fügte er hinzu, um irgendwie herauszufinden, was der Grund für diese Frage gewesen war. „Dabei sollte man meinen, dass du dir das leisten kannst“, erwiderte Kate und klang wieder mehr nach sich selbst. „Wenn diese Freiwilligensache noch länger dauert, sollte ich vielleicht darüber nachdenken, mir ein Auto zu kaufen“, kommentierte Ethan amüsiert. „Das wäre vermutlich praktischer und billiger.“ „Was steht zur Auswahl?“ „Auf jeden Fall kein Ferrari“, antwortete Ethan. „Mehr Platz dürfte praktisch sein.“ Aus irgendeinem Grund verdüsterte sich Kates Gesichtsausdruck wieder, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich vermisse ihn.“ Ethan fragte sich, womit er diese Aussage jetzt ausgelöst hatte, bis ihm schließlich doch noch einfiel, dass Riccardo eine Kreditkarte aus Kanto benutzt hatte. Ferraris kamen aus Kanto. „Hast du ihm das gesagt?“, hakte Ethan nach. „Nein.“ Ethan nickte nur. Vermutlich hatte Kate irgendeinen guten Grund, das so zu handhaben. Und er ging davon aus, dass eine weitere Nachfrage keine andere Antwort erzielen würde. „Bleibst du noch hier?“, fragte sie letztlich und schien Ethans irritierten Blick zu bemerken. „Ich will jetzt nicht alleine sein.“ Ethan ertappte sich bei dem Gedanken, wie er den anderen erklären sollte, dass er müde war und im Bus schlafen wollte. Aber vermutlich würde es reichen, wenn er erwähnte, dass er mit Kate in der Hotelbar etwas zu viel getrunken hatte. Das war immerhin eine plausible Erklärung. „Okay“, bestätigte er letztlich, was Kate mit einem Lächeln quittierte. „Kommen wir also zur Ablenkung zurück“, merkte Kate dann an. „Ich hoffe, du willst nicht noch einen Monolog“, kommentierte Ethan. „Ich habe an etwas anderes gedacht“, antwortete Kate in einem Tonfall, der so direkt klang, dass Ethan sie skeptisch ansah. „Möchte ich nachfragen?“, hakte er nach. „Ich vermisse ihn. Ich… liebe ihn, aber…“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist Jahre her.“ Ethan war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstand oder nicht. Für seinen Geschmack auf beiden Seiten zu viel Alkohol im Spiel, als dass er diesbezüglich eine Antwort hätte finden können. „Worauf willst du hinaus?“, fragte er letztlich doch nach. „Muss ich es noch eindeutiger machen?“ „Du bist betrunken“, warf Ethan ein. „Willst du mir sagen, ich weiß nicht, was ich tue?“ Kate schnaubte. „Ich erinnere mich an deine Monologe, von mir aus kann ich auch eine Linien auf den Boden malen und darüber laufen. Ich bin vielleicht angetrunken, aber nicht unzurechnungsfähig.“ „Die Frage ist, ob du das morgen auch noch so siehst.“ „Soll ich es dir schriftlich geben, Mr. Courtenay?“, fragte Kate eindeutig provokant. „Das wäre ein Anfang“, kommentierte er scherzhaft, um Zeit zu gewinnen. Er war sich nicht sicher, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. „Ist das ein Ja?“ „Ich… verstehe nicht, wo das gerade herkommt“, warf Ethan ein. „Ablenkung, Ethan, effizientere Ablenkung als deine Monologe“, erwiderte Kate und stellte ihre Wasserflasche auf dem Tisch ab, um näher zu rücken. „Die waren nicht sonderlich erfolgreich.“ Im ersten Moment war Ethan eher irritiert von der Nähe, stellte dann aber fest, dass er eigentlich kein Problem damit hatte. Im Gegenteil, Kate war definitiv attraktiv. Und sie wirkte tatsächlich nur angetrunken, nicht betrunken. „Vielleicht ist es dann doch nicht schlecht, dass du nicht Conchua angerufen hast“, merkte er schließlich an. „Das“, kommentierte Kate, „werte ich jetzt als Zustimmung.“ Als Ethan letztlich um halb sechs das Hotel verließ, war Kate tatsächlich auch weiterhin der gleichen Meinung wie in der Nacht. Und das war durchaus erleichternd. Selbstverständlich hatte Ethan zugestimmt, die Nacht dezent unter den Tisch fallen zu lassen, immerhin hatte er wenig Lust auf Diskussionen diesbezüglich. Letztendlich war er sogar durchaus froh darüber, überhaupt erst zu dem Hotel gefahren zu sein. Um kurz vor sechs betrat er schließlich sein eigenes Zimmer, stellte sein AC-Phone als Wecker auf acht Uhr und hoffte, dass die zwei Stunden Schlaf ausreichen würden, um zumindest nicht zu viel Verdacht zu erwecken.