Natürlich rief Holly Funke. Es wäre auch zu einfach gewesen, wenn sie das nicht getan hätte. "Es gibt keinen Grund für irgendwelche Heldentaten", merkte Ethan an. "Es macht Sinn, wenn Bonaparte und Funke zusammen vorgehen." Er sah zu Nofretete. "Und du bleibst hinter ihnen und warnst sie, sobald du irgendetwas bemerkst." Nofretete starrte ihn einen Moment lang an und verdeutlichte damit, dass sie eigentlich keine Lust hatte, sich der Seitenstraße zu nähern, aber sie hatte von den anwesenden Pokémon die besten Sinne und Ethan wollte darauf nicht verzichten.
"Danke. Da sag ich nicht nein", meinte Holly und konnte sogar kurz lächeln. "Wobei das für mich weniger mit Heldentaten als mit Verantwortung für meine Entscheidung zu tun hat." Die junge Farmerin legte es jedenfalls ganz sicher nicht darauf an, sich irgendwie in den Mittelpunkt zu stellen. Darauf konnte sie nun wirklich verzichten. "Ich bin dafür, dass wir uns langsam nähern. Vielleicht ergreift es ja auch einfach die Flucht", schlug sie letztlich vor.
Ethans Antwort bestand aus einem kurzen Nicken, dann setzten sich Funke und Bonaparte in Bewegung. Ein paar Meter dahinter folgte Nofretete und anschließend auch Ethan und Holly. Tatsächlich kam sich Ethan fast ein bisschen albern vor, als er sich an eine zumindest auf den ersten Blick leere Seitenstraße anpirschte, aber die vorhergegangene Reaktion von Nofretete war definitiv beunruhigend gewesen. Auch als sie sich näherten, passierte für den Moment nichts. Etwa zehn Meter von der Seitenstraße entfernt blieben sie schließlich stehen. "Und jetzt?", fragte Ethan.
"Also es tut sich nichts, so wie ich das sehe", meinte Holly zu Ethan. Ihr war es ziemlich egal, dass sie vermutlich recht albern aussahen, aber das konnte man nicht ändern und in ihren Augen gab es Schlimmeres. "Irgendwas von Nofretete? Ist es noch da?"
Ethan sah zu Nofretete, die zwar angespannt, aber nicht panisch wirkte. Dennoch starrte sie noch immer die Seitenstraße nieder. "Ich bezweifle, dass es weg ist, was auch immer es ist", schloss Ethan aus ihrem Verhalten. "Aber vielleicht..." Er sah zu Holly. "Vielleicht lässt es sich aufscheuchen." Anschließend wandte er sich an Bonaparte. "Nassmacher." Bonaparte warf ihm einen eindeutig skeptischen Blick zu, vermutlich sah das Wasser-Pokémon keinen Sinn dahinter, eine leere Straße anzugreifen, aber letztlich entsandte Bonaparte einen Regen feiner Tropfen in die Seitenstraße. Fast sofort ertönten Geräusche und Ethan sah zwischen zwei Müllcontainern hindurch Bewegungen. Ganz eindeutig flüchteten irgendwelche Pokémon, mehrere von ihnen. Soweit Ethan das erkannt hatte, waren sie vierbeinig gewesen, aber alles weitere war reine Spekulation. Gut, er dachte automatisch an die Hunduster, aber das war abwegig.
"Effektiv, das muss ich dir lassen", meinte Holly anerkennend. "Hast du irgendwas erkennen können? Ich hab nur gesehen, dass es mehrere sind... Sah nach vierbeinig aus, wenn du mich fragst." Die junge Farmerin hob die Schultern. "Wenn die jetzt weg sind, dann war ich wohl doch übervorsichtig mit dem Nachsehen. Entschuldige, dass ich die Gallopa scheu gemacht habe."
"Keine Ahnung", erwiderte Ethan und musterte die Straße, die höchstens leicht nass geworden war. "Aber sie scheinen kein Wasser zu mögen." Ihm fiel auf, dass das ein weiterer Punkt war, der für die Hunduster sprach, aber das ließ er unerwähnt, weil die Grundidee einfach zu absurd war. Ein Blick zu Nofretete zeigte ihm, dass die Pokémon offenbar weit genug weg waren, dass sich Nofretete wieder entspannt hatte. "Gehen wir zurück, ich glaube, die sehen wir nicht wieder."
"Zumindest machen die keinem mehr Ärger heute", meinte Holly, auch wenn ihr klar war, dass das ein schwacher Trost war. Sie seufzte und winkte ab. "Ja, gehen wir zurück. Die beiden anderen wundern sich wahrscheinlich schon, wo wir bleiben", vermutete die junge Frau ein wenig halbherzig.
Am nächsten Tag fuhren sie zu der Location des Turniers. Dabei handelte es sich um eine Art kleines Freiluftstadion, wobei sie den Mietwagen dem angrenzenden Parkplatz stehen ließen. Das Stadion an sich war eher klein, Ethan schätzte das Kampffeld etwa auf die größe von zwei Tennisplätzen. Dementsprechend gab es nicht sonderlich viele Plätze für Zuschauer, aber die vorhandenen Plätze waren zumindest recht gut gefüllt. Eine eher sporadisch wirkende Leinwand, die vermutlich nur des Turniers halber angebracht worden war, zeigte den Zeitplan und den Turnierbaum mit den bisher nicht ausgelosten Begegnungen. Nachdem sie sich als anwesend registriert hatten, gingen sie in den Wartebereich, in dem bereits einige andere Trainer zu warten schienen. Niemand schien sich dabei dafür zu interessieren, wer außer den Trainern dort anwesend war, denn Lou hatte ungehindert mitkommen können. Der Warteraum, der sonst vermutlich eine Art Umkleidekabine darstellte, war wenigstens sauber, wies einige Bänke und Stühle sowie Wasser- und Kaffeespender auf. "Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig als zu warten", stellte Ethan mit einem Schulterzucken fest.
Jakob holte sich beim Wasserspender einen Becher mit Wasser. Die in ihm steigende Aufregung machte seinen Mund trocken. Vom Kaffee ließ er aber bewusst die Finger, er konnte es nicht gebrauchen, noch angespannter zu werden. Der Teenager zuckte mit den Schultern. "Ich denke ja. Die halbe Stunde werden wir sicherlich vorbei bekommen. Ansonsten... ich bin ja gespannt, ob wir aufeinander treffen werden."
"Auszuschließen ist es nicht", meinte Holly mit einem Schulterzucken. "Aber was soll schon passieren? Hast du etwa vor, dich zurückzunehmen?" Die junge Farmerin lachte kurz, ehe sie abwinkte. Es war ein Turnier, es gab nichts zu befürchten und dementsprechend keinen Grund für falsche Zurückhaltung. "Ich drück euch allen die Daumen. Und solltet ihr doch gegeneinander kämpfen, kriegt jeder eine Hand, damit es gerecht bleibt", witzelte Lou tatsächlich.
Eine Weile später aktualisierte sich schließlich der Monitor mit den Paarungen. (SL war zu faul, wenn ihr die Namen nicht lesen könnt, I don't care: Plan) Alle anwesenden Trainer versammelten sich um die drei Monitore, die im Wartebereich hingen. "Hey, wenn ihr nicht in der ersten Runde ausscheidet, dürft ihr tatsächlich gegeneinander kämpfen", stellte Ethan fest und nickte zu dem mittleren Teil des Turnierplans.
Jakob nickte und sah zu Holly. "Na dann hoffen wir das doch mal. Ich werde mich auf jeden Fall nicht zurück halten", meinte der Teenager. Ansonsten war Ethan ein wenig abgeschieden von Holly und ihm, wenn sie Glück hatten, konnte vielleicht einer von ihnen gegen Ethan im Halbfinale kämpfen. "Auf jeden Fall bist du der erste, der von uns dran ist", meinte Jakob dann zu Ethan. "Viel Erfolg schonmal!"
"Das ist zeitig", meinte Lou, als auch sie sah, dass Holly und Jakob potentiell schon ihren zweiten Kampf gegeneinander bestreiten konnten. Zumindest theoretisch, denn wie Ethan schon angemerkt hatte, durften die beiden in der ersten Runde nicht ausscheiden. "Du bist direkt im dritten Kampf dran. Das kann man auch als zeitig bezeichnen", scherzte Holly. "Aber Jakob hat recht. Viel Glück im Voraus. Schaden kann es nicht."
"Danke", erwiderte Ethan und hob die Schultern. "Aber mir geht es nicht ums Gewinnen, mir geht es darum, das Ganze einfach auszuprobieren." Lou wusste das, immerhin hatte sie seine Liste gesehen. Als er daran dachte, war ihm die Sache einmal mehr ein wenig peinlich, auch im Nachhinein. Lou hatte ja selbts festgestellt, dass auf der Liste sehr... persönliche Dinge standen. "Auch wenn es natürlich schöner wäre, mehr als einen Kampf zu probieren", fügte er mit einem Anflug von Amüsement hinzu.